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Poeten als Performer

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Bremen - (Eig. Ber.) n „Rebus“ heißt der neue Lyrikband von Hans Magnus Enzensberger. Der kritische Wortspieler und Chronist deutscher Wirklichkeit lässt den Leser in seiner jüngsten Gedicht-Sammlung an Grundfragen teilhaben. Das Buch spiegelt Altersübersicht und setzt frisch an bei Bilderrätseln, die die Realität zum Begreifen und Beschreiben aufgibt.

Hans Magnus Enzensberger wird am kommenden Freitag zur Eröffnung des 10. Internationalen Literaturfestivals poetry on the road im Bremer Schauspielhaus lesen. Unter anderem zusammen mit Autoren wie dem bildmächtigen Lars Gustafsson, dem feinsinnigen Michael Krüger, mit Franz Mon, dem Klassiker der Konkreten Poesie, und Wilfried N’Sondé, gebürtig aus dem Kongo, ausgebildet an der Pariser Sorbonne, Sozialarbeiter und nun Chansonnier.

Die prominente Besetzung spiegelt das Renommee wider, das die Bremer Veranstaltung inzwischen genießt. Einen Enzensberger bekommt man nicht so leicht aufs Podium. Allenfalls noch vergleichbar mit dem Berliner Lyrikfestival zieht das Bremer Poetentreffen nicht nur das Publikum, sondern auch die Autorinnen und Autoren durch besonderes Profil an.

Die Dichter schätzen die Vielfalt der Formate, sie würdigen die Begleitpublikation, eine anspruchsvoll gestaltete Anthologie. Nicht zuletzt reizt sie die Verbreitung über den Rundfunk, denn neben der Hochschule Bremen in Person der umtriebigen, immens kundigen Regina Dyck fungiert Radio Bremen, vertreten durch Michael Augustin, als Veranstalter und begleitet das Festival über viele Radio-Stunden mit Lesungen, Gesprächen und Porträts.

Auch die diesjährige kleine „poetry“-Jubiläumsausgabe wartet wieder mit großem Spektrum an vielen Orten auf. Neben Lesungen und Poesie-Performances gibt es erneut Brückenschläge zwischen Literatur und Bildender Kunst. Franz Mon wird mit einer großen retrospektiven Schau in der Weserburg vertreten sein. Die Galerie Kramer präsentiert den niederländischen Lyriker und Zeichner Hans Wap, in beiden künstlerischen Gattungen gleichermaßen engagiert und erfolgreich, mit Grafik und Malerei.

Traditionell besuchen Autoren des Festivals das Bremer Kippenberg-Gymnasium, auch die Mensa der Hochschule Bremen wird Schauplatz von Lesungen sein. Ein Literaturworkshop in der Zentralbibliothek begleitet die poetische Kontaktnahme mit der jüngeren Generation. Auch der Übersetzungsworkshop genießt große Resonanz.

Mit der „Internationalen Schreibwerkstatt“ betreten die Veranstalter ein ganz neues Terrain. In regelmäßigen Abständen werden Autoren des Festivals Studierende der Hochschule Bremen in der Disziplin „Kreatives Schreiben“ unterrichten. Den Beginn macht der in Indien geborene Germanist Rajvinder Singh. Mit dem Schulschiff Deutschland verlässt „poetry on the road“ namensgemäß auch die festen Häuser. Und im Kino 46 wird zu sehen sein, wie sich Lyrik auf der Leinwand niederschlägt.

Was das Festival von Beginn an ausgezeichnet hat, ist die Suche nach Autoren, die Poesie auf ungewohnte Weise produzieren und performen. Boomt auch inzwischen die Lesungslandschaft, herrscht doch noch häufig das magische Viereck Autor, Buch, Pult und Wasserglas vor. Bei „poetry“ geht es da doch erheblich bunter zu, und Regina Dyck beobachtet häufiger, dass sich manches Format aus dem Festival im breiten Buchbetrieb wiederfindet.

In einer Prelaunch am Vortag der Festivaleröffnung wagt das Festival selbst wieder ein Experiment: Das „Kommando Schreibmaschine“, eine junge Autorengruppe aus Paderborn, bringt Poesie und live gespielte elektronische Musik zusammen, eine Club-gängige, in jedem Fall unterhaltsame Mischung aus Underground, Satire und Klassik. Die ganz junge Autorenschaft ist auch diesmal wieder vertreten: Entdeckt werden dürfen Valzhyna Mort aus Weißrussland im Samstagprogramm in der Shakespeare Company oder Nadja Küchenmeister – im Internet hat man sich auf die Charakterisierung „junge schüchterne Frau mit langen blonden Haaren“ geeignet – und Nora Bossong bei einer Lesung im Bremen4U-Café.

Allerdings sollten bei aller Innovationsenergie auch die Klassiker und die ihnen entsprechenden Aufführungsformen nicht vergessen werden: Ernesto Cardenal aus Nicaragua, „Symbol für eine spirituelle Einheit des Lebens, der Natur und des Glaubens“, so das Programmheft, tritt zusammen mit der „Grupo Sal“ auf. Und Urs Widmer zieht es vor, lediglich mit dem koreanischen Dissidenten Kim Chi-ha und an einem Ort der Meditation, im Bremer Dom nämlich, zu lesen.

Poetry on the road. 10. Internationales Literaturfestival Bremen. 15. bis 22. Juni http://www.poetry-on-the-road.com

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