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Die Sache mit der Liebe

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Wisch und weg: Die Arbeit „Lonely Sculpture“ von Tully Arnot. - Foto: VG Bild-Kunst
Wisch und weg: Die Arbeit „Lonely Sculpture“ von Tully Arnot. © VG Bild-Kunst

Bremen - Von Rolf Stein. Vielleicht waren die 80er-Jahre mit ihrer Angst vor der nuklearen Apokalypse besonders anfällig für Fragen dieser Art: Nicht nur Howard Jones fragte damals, „What is love?“ Auch die Rockband Foreigner konstatierte: „I wanna know what love is“. Was die Liebe ist, das beschäftigt in der Tat seit Längerem nicht nur die Gelehrten.

Dass die Menschheit die Frage bis heute nicht letztgültig beantwortet hat, mag damit zusammenhängen, dass die Liebe gewissen Faktoren unterworfen ist, die mehr als nur zeitgeistige Schwankungen bedingen. Forschungen des Anthropologen Johann Jakob Bachofen lassen beispielsweise den Schluss zu, dass die ersten Menschen so etwas wie die romantische Zweierbeziehung überhaupt nicht kannten, sondern munter durcheinander kopulierten. Diese Vorstellung ist heute nicht sehr populär, vielleicht, weil sie ihrerseits romantische Vorstellungen einer Naturgegebenheit von Liebe unterläuft, die unsere Kultur zum sinnstiftenden Institut erhoben hat.

Das dafür gepflegte Ideal glückseliger Liebe bis zum süßen Ende erweist sich wiederum zuverlässig als brüchig, und so bleibt das Thema wohl bis auf Weiteres aktuell. Weshalb die Ausstellung „What is Love? Liebe & Dating im digitalen Zeitalter“, die von morgen bis zum 21. Oktober in der Kunsthalle zu sehen ist, durchaus Erfolg beim Publikum haben könnte – auch bei jenem, das sonst nicht ins Museum geht.

Leichte Sommerausstellung

Im Zentrum der Schau steht dabei dann allerdings doch weniger die Liebe als das Online-Dating. Kuratorin Jasmin Mickein weist darauf hin, dass die Hinweistäfelchen im Layout Tinder-Profilen ähneln, wobei Tinder für die Partnersuche im Internet schlechthin stehe. Der Firma ist das recht, sie stellte ohne inhaltliche Vorgaben eine allerdings öffentlich nicht verhandelbare Sumstatt me für die Schau zur Verfügung. Eine gute Werbung ist das wohl auch. Immerhin gab Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg zu Protokoll, er habe vor einem Jahr nicht gewusst, was Tinder sei. Heute sei er Premium-Mitglied – was freilich ein Schwerz gewesen sein dürfte. Und ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei „What is Love?“ um eine leichte Sommerausstellung als um eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Thema handelt.

Dann wäre es nämlich wirklich geboten gewesen, auch andere Formen von Liebe als die romantische zu behandeln. Übrigens ist der Ausstellung zwar durch das Tinder-Thema eine gewisse Promiskuität eingeschrieben, neuere Konzepte wie Polyamorie – also die Idee, mehrere Menschen zu lieben – stehen allerdings nicht zur Diskussion. Stattdessen suggeriert schon die erste der die Ausstellung gliedernden Überschriften die Reduktion auf die Liebe als Zweierbeziehung: „Urpaare“ steht da über Bildnissen von Adam und Eva einerseits, Amor und Psyche andererseits.

Familien sind Nebensache

Zwar gibt es dann auch noch Familienbilder zu sehen wie jenes von Carl Friedrich Demiani von 1806, das daran erinnert, dass da wohl doch noch was war in Sachen sozialer Bedingtheit von Liebe. Man kann allerdings den Eindruck haben, dass das doch nur hinführen soll zu dem Thema, um das es eben auch beim Tindern vor allem geht: Sex. Hier wird es interessant, weil Künstler wie Dries Verhoeven tatsächlich untersuchen, was das mit dem Liebesleben von Menschen im entwickelten Kapitalismus macht. So begab sich Verhoeven für die auf Video dokumentierte Performance „Wanna Play? (Love in the time of Grindr)“ in einen halbtransparenten Container, um das zu leben, was die vor allem von homosexuellen Männern genutzte Dating-App Grindr gerade nicht vermittelt: Was Menschen in Beziehungen miteinander teilen, wenn sie keinen Sex haben.

Verhoevens Arbeit ist eine von fünf zeitgenössischen Positionen, die in „What is Love?“ mit kanonischen Werken von Künstlern wie Pablo Picasso, Aristide Maillol oder Anselm Feuerbach gegenüber oder an die Seite gestellt sind. Es sind nicht überraschend diese neueren Beiträge, die über ihre Beschäftigung mit dem Online-Dating als neuem künstlerischen Sujet einen wesentlichen Reiz der Ausstellung ausmachen. So die Arbeit des Künstlertrios Katharina Dacrés / Lena Heins / Jakob Weth, das Chat-Protokolle wie eine szenische Lesung sprechen ließ.

Ab August wird die Ausstellung um eine Arbeit erweitert, die aus einem Wettbewerb zum Thema hervorgeht. Noch bis zum 8. Juli sind Bewerbungen möglich auf www.WhatIsLove.de.

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