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Im Schleudergang

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Auch auf engstem Raum noch akrobatisch: Mnozil Brass lassen sich nicht verbiegen. ·
Auch auf engstem Raum noch akrobatisch: Mnozil Brass lassen sich nicht verbiegen. © Foto: Bunnemann

Bremen - Von Nina Baucke. Der Schlag hat gesessen: Die Faust landet am Kinn und der Getroffene spuckt im hohen Bogen zwei Zähne aus, gleichzeitig ertönt das Titelthema „Gonna fly now“ aus „Rocky“. Sieben Männer, einige von ihnen in absurd-hässlichen Karo-Sakkos, tänzeln und taumeln mit Trompeten, Posaunen und Tuba über die Bühne.

Wer einfach nur nette Blasmusik genießen möchte, der ist bei Mnozil Brass an der falschen Adresse. Denn was das Ensemble aus Österreich gut zwei Stunden lang auf die Bühnenbretter der Glocke bringt, ist alles Mögliche – bloß nicht nett.

Gleich zu Beginn spritzt ein Trompeter Bier ins Publikum, auf der Bühne spucken die Musiker mit Wasser, später fliegen die Zähne durch die Luft und dem Gefühl nach auch die Legierung der Instrumente: Es wird laut, lauter ist bloß der Wunsch nach Ohrenstöpsel. Das liegt allerdings nur an der Dezibelzahl, denn was aus den Instrumenten dringt, ist durchweg virtuos gespielt. Es ist eine Gradwanderung zwischen Kunst und Klamauk, die Mnozil Brass da präsentieren – und selbst wenn nicht jeder Gag ein Volltreffer ist, sondern sich vermutlich eher nur Bläsern erschließt, ist es eine Show, die Spaß macht und von Anfang bis Ende unterhält.

Musikalisch jedenfalls lässt sich das Ensemble nicht festlegen. Denn der bei der Mischung von Klassik und Pop schon fast abgenutzte Begriff des „Cross over“ greift dabei in diesem Fall nicht weit genug. Die Musiker, die zum Teil schon seit zwanzig Jahren gemeinsam auf der Bühne stehen, veranstalten weit mehr, als die bloße Verbindung zweier Musikrichtungen.

Ihr Programm hat eher etwas vom Schleudergang einer Waschmaschine: Innerhalb weniger Minuten preschen die Trompeter Thomas Gansch, Robert Rother und Roman Rindberger, Leonhard Paul, Gerhard Füßl und Zoltan Kiss (Posaune) sowie Wilfried Brandstötter (Tuba) in einem irrwitzigen Tempo durch sämtliche Genres, mischen Pop mit Polka und geben noch eine Prise Blues und Klassik dazu.

Da platzen Free-Jazz-Kadenzen in das Trio des Florentiner Marsches, die Einleitung durchbrechen sie mit einer kurzen Sirtaki-Einlage. Und zwischendurch ziehen sie Blockflöten aus den Jackentaschen und spielen mit dem Nasenloch. Musikalische Grenzen gibt es für Mnozil Brass offenbar nicht – und wenn, haben sie es sich zum Sport gemacht, sie niederreißen.

Diese Genre-Jonglage dient gleichzeitig als Begleitmusik zu einer Mischung aus Slapstick und Kabarett. Die „Rocky“-Parodie folgt auf die Klänge von „Chariots of fire“, zu denen die Musiker die Strandlauf-Szene aus dem gleichnamigen Film persiflieren, und zu Tschaikowsky vollführen sie Wasserballett auf dem Bühnenboden. Schon allein die gewollt groteske Mimik und Gestik sorgen für ironische Distanz zum doch eher ernst gemeinten Original. Und wenn Posaunist Paul mit stoischer Miene gleichzeitig mit Füßen und Händen Posaunenzüge und Trompetenventile bedient, während die Kollegen die Instrumente lediglich mit Luft versorgen, hat das sogar schon etwas Akrobatisches.

Worte brauchen sie bei alldem keine – und wenn sie sprechen, dann ist es nichts weiter als unverständliches Gebrabbel. Oder Gesang, denn auch das beherrschen die sieben Instrumentalisten, die sich in Wien als Musikstudenten kennengelernt und dann abendlich in der Kneipe eines Herrn Mnozil Musik gemacht hatten. Am besten ist immer noch die Mischung aus Vokal- und Instrumentalartistik, vor allem bei der gewagten und gelungenen Interpretation des Queen-Klassikers „Bohemian Rhapsody“.

Ein inkonsequent mutet dann allerdings zum Schluss „My way“ an – ohne das ansonsten so gepflegte ironische Augenzwinkern und in gesetzterer Lautstärke wird es auf den letzten Metern dann doch noch etwas kitschig. Aber nach der Fortissimo-Überdosis und dem eher atemlosen Programmablauf des ganzen Abends tut dann so eine kleine Portion Kitsch noch ganz gut.

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