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Zweite „Fuck Up Night“ in der Schwankhalle

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Jan van Hasselt hat einen Film über sein Scheitern gemacht. - Foto: Van Hasselt
Jan van Hasselt hat einen Film über sein Scheitern gemacht. © Van Hasselt

Bremen - Von Jan-Paul Koopmann. „Wer ganz oben ist, der fällt nur umso tiefer“, sagt der Volksmund und hat wie üblich höchstens halb recht. Denn die gescheiterten Exchefs auf der Schwankhallenbühne zeichnet doch vor allem aus, dass sie wieder auf die Füße gekommen sind, nachdem sie ihre Unternehmen ruiniert haben.

Klar, die narzisstische Kränkung ist größer, wenn ein Bestimmer zu Boden geht. Und Millionenumsätze hinterlassen ja auch eine beachtliche Lücke, wenn sie plötzlich nicht mehr sind. Aber auch wer nichts an die Seite geschafft hat, dem bleiben doch immerhin noch seine Kontakte – wenn er sich nur traut, sie anzurufen. Um also noch einen kleinen Moment in dem schiefen Bild zu bleiben: Wer seine Abstiegsängste in den Griff bekommt, der fällt vielleicht tiefer, landet aber trotzdem weicher als manche, die in Bodennähe straucheln.

Wäre die „Fuck Up Night“ in der Schwankhalle ein Theaterabend, wäre das eine wirklich hässliche Pointe. Stattdessen ist es Realität. Denn diese Leute sind ja echt. Ina Hacheney hat wirklich diese Nagelstudiokette gegründet und pleite gemacht, Sebastian Schmitz hat tatsächlich ein 30-jähriges Unternehmen in nur zwei Jahren „vor die Wand gefahren“, wie er sagt. Nicht weil er wirklich was falsch gemacht hätte, sondern weil er den Betrieb unbemerkt „wegen bilanzieller Überschuldung insolvenzreif übernommen“ hatte.

Vier Gescheiterte stehen auf der Bühne und erzählen. Und natürlich ist das kein Spaß mit der Privatinsolvenz, oder vorher, wenn Banken und Gläubiger dich zerfleischen – wenn dir plötzlich nicht mehr der altvertraute Sachbearbeiter der Bank gegenübersitzt, wie Attila von Unruh erzählt, sondern so ein Vollprofi aus der Abwicklungsabteilung.

Die Nachfragen aus dem Publikum verraten, dass auch hier unten ein paar Pleitiers sitzen – und daneben vor allem solche, die es nicht werden wollen: Gründer, ein paar paar Studierende und Netzwerker aus dem Business. Jedenfalls Menschen aus derselben Sphäre dieser Chefs.

Mitleid kann man trotzdem haben

Der Rest der Welt kommt hier in drei Gruppen vor: Lebenspartner (die den Fuck Up entweder tapfer aushalten oder ausgelöst haben), Steuerberater (die eine eher unrühmliche Rolle spielen) und ganz am Rande die Angestellten: als Objekte nachlassender Führungsqualität oder als Menschen, die wegen strauchelnder Chefs nur noch schlecht gelaunt zur Arbeit kommen. Als Ina Hacheney erklärt, warum sie den verhängnisvollen Schritt unternahm, ihr Fingernagelimperium in zwei GmbHs und elf Kommanditgesellschaften zu zerlegen, sagt sie: Man habe ihr dazu geraten, falls mal jemand gefeuert werden müsse. Sebastian Schmitz führt unter den Stationen seines Scheiterns einen psychisch erkrankten Mitarbeiter auf, der „angeblich“ vom Altchef in den Burnout gemobbt wurde und den er nun teuer entschädigen musste.

Mitleid kann man trotzdem haben. Es sind schon harte Geschichten, und was Rechtslage, Banken und Schufa mit motivierten jungen Menschen veranstalten, ist auch wirklich ziemlich unappetitlich. Die Redner in der Schwankhalle sind allerdings über den Berg und machen heute was aus ihrem Scheitern: Jan van Hasselt hat einen Film über den Film gemacht, aus dem nichts wurde, die anderen beraten heute Unternehmer in der Not. Und dafür mag man ihnen fast auch verzeihen, dass diese „Fuck Up Night“ beim Changieren zwischen Selbsthilfegruppe und Dauerwerbesendung für diese Coachingprojekte doch hart zum Letzteren hin ausschlägt.

Jan van Hasselt: Globo – Lecture performance, Mittwoch, 8. November., 21 Uhr, Schwankhalle

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