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Spektakuläre Brückenschläge

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Diszipliniert: Harry Alexander und Benjamin Warbis in Michael Clarks „To a simple, Rock’n’Roll...Song“.
Diszipliniert: Harry Alexander und Benjamin Warbis in Michael Clarks „To a simple, Rock’n’Roll...Song“. © Hugo Glendinning

Hamburg - Von Rolf Stein. Ein kleines Jubiläum ist es ja schon: Zum fünften Mal hat Andras Siebold für das Hamburger Kulturzentrum Kampnagel ein Sommerfestival programmiert. Wie schon in den Vorjahren bietet selbiges eine extrem bunte Palette künstlerischer Formen, Farben, Größen und Gattungen.

So sah, wer am Mittwoch den „Avantgarten“ des Veranstaltungszentrums betrat, gleich rechterhand zwei ziemlich nackte Frauen eng umschlungen – ein nicht weiter ausgewiesener Teil des zu jenem Zeitpunkt noch offiziell zu eröffnenden Programms, das wenige Ansprachen im K6, dem großen Saal des Zentrums, mit „To a simple, Rock’n’Roll...Song“ des Londoner Star-Choreografen als Deutschlandpremiere den ersten Akzent setzte.

Zuspruch, aber keine überschwängliche Begeisterung

Am Barbican in London feierte „To a simple, Rock’n’Roll...Song“ im Oktober vergangenen Jahres seine viel bejubelte Uraufführung, in Hamburg gab es durchaus ebenfalls viel Applaus, von überschwänglicher Begeisterung zu sprechen, wäre aber ein wenig übertrieben. Clarks jüngste Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten bewegen sich seine Tänzer zu Musik von Erik Satie, dessen Werk Künstler wie den Komponisten John Cage, den Tänzer und Choreografen Merce Cunningham oder die Tänzerin, Choreografin und Filmemacherin Yvonne Rainer inspirierte. 

Im zweiten Teil zollt Clark der Punk-Poetin Patti Smith Tribut, im dritten Teil der im Januar vergangenen Jahres gestorbenen Pop-Ikone David Bowie. Galt Clark einst als Enfant terrible des modernen Balletts, präsentiert er heute ein geradezu klassisches modernes Ballett. Die Körper- und Formensprache entwickelt sich im Verlauf des einschließlich Pause rund 80-minütigen Abends von hochdisziplinierter Abstraktion im ersten Teil über ekstatischere Momente im zweiten Teil zu elegischer Intensität im Finale, die sich natürlich nicht zuletzt aus einer Musik speist, die David Bowie noch kurz vor seinem Tod vollendet hatte.

Spektakulärer Brückenschlag

Nach Michael Clarks Premiere feierte übrigens Andreas Dorau Premiere seines neuen Albums „Die Liebe und der Ärger der anderen“. Und natürlich ist diese Setzung programmatisch: Siebold ist nicht nur ein versierter Theaterkurator, sondern kennt sich auch vorzüglich mit Musik aus. Das Konzertprogramm bietet dementsprechend spannende musikalische Begegnungen mit Künstlern wie der Produzentenlegende Daniel Lanois, den kalifornischen Avantgarde-Rockern Deerhoof, Künstlern des wegweisenden Elektronik-Labels Hyperdub und den Tindersticks, die Siebold in der Elbphilharmonie untergebracht hat.

Einen spektakulären Brückenschlag zwischen Tanz und Musik vollzieht das Internationale Sommerfestival am kommenden Donnerstag, wenn zunächst Serge Aimé Coulibaly aus Burkina Faso in „Kalakuta Republik“ Leben und Musik des vor ziemlich genau 20 Jahren gestorbenen nigerianischen Musikers Fela Kuti untersucht. Im Anschluss stehen mit Seun Kuti & Egypt 80 dessen auch künstlerisch legitime Erben auf der Bühne, die den kämpferischen Afrobeat Fela Kutis formvollendet und mit zeitgemäßer Energie spielen.

Rappende Puppen in Polit-Parabel

Sogar für ein Musical mit rappenden Puppen ist Platz im Programm: „The Second Season – Die Geschichte von Bär, Biber und ihren Freunden“ stammt von dem Kanadier Socalled, der mit Leichtigkeit eine Geschichte um Tiere und Außerirdische als Polit-Parabel mit Happy End für die ganze Familie kredenzt.

Und auch sonst gibt es in den kommenden knapp drei Wochen noch eine Menge zu entdecken, nicht nur auf dem Gelände der Kulturfabrik Kampnagel, sondern auch diversen Orten in der Stadt. Ein Blick ins Programm lohnt sich!

Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel läuft bis zum 27. August; Michael Clarks „To a simple, Rock’n’Roll...Song“: Freitag und Samstag jeweils 19:30 Uhr, K6, Kampnagel.

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