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Schwankhalle bezieht Stellung gegen Rassismus und Diskriminierung

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Die Berliner Rapperin Gianni Mae macht in einer Männerdomäne Furore. Foto: Svenja Trierscheid
Die Berliner Rapperin Gianni Mae macht in einer Männerdomäne Furore. © Svenja Trierscheid

Bremen - Es ist in der Tat ein wuchtiger Entwurf, den Pirkko Husemann, Künstlerische Leiterin der Bremer Schwankhalle, gestern für die Spielzeit 2019/2020 vorgestellt hat: Das Programm für den Herbst allein lässt sich hier nicht annähernd auffächern – und erst recht nicht inhaltlich angemessen würdigen. Ein Perspektivwechsel ist angesagt, denn der könne, wie es in einer Mitteilung des Hauses heißt, „der alarmierten Mehrheitsbevölkerung dazu verhelfen, die eigenen Verdrängungsmechanismen und Privilegien zu erkennen“.

Die Dringlichkeit eines Perspektivwechsels steht für sie außer Frage. Rassimus und Diskriminierung seien Alltag für viele, und eingedenk der anstehenden Wahlen in Sachsen oder Brandenburg gehe es auch nicht mehr darum, den Anfängen zu wehren. Gelegenheiten, eine andere Perspektive einzunehmen, gibt es deshalb ab dem übernächsten Wochenende eine ganze Menge, und das von Anfang an: Sommerfest und Spielzeiteröffnung der Schwankhalle fallen in diesem Jahr mit den Gambia-Kulturtagen in eins, inklusive ein Auftritt des Rappers „ST da Gambian Dream“, der nicht nur in Westafrika von sich reden macht.

Noch bevor die Gambia-Kulturtage beginnen, wird die Installation „Stricken“ von der in Berlin lebenden Künstlerin Magda Korsinsky eröffnet, deren Arbeit bereits tief in der DNA des eingangs angedeuteten Konfliktfeldes gräbt. Angeregt von dem Buch „Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen“ von Jennifer Teege führte sie mit afrodeutschen Frauen Interviews über ihre Familiengeschichte. Teege hatte mit 38 Jahren erfahren, dass sie eine Enkelin des KZ-Kommandanten Amon Göth ist.

Ebenfalls auf die Nazizeit bezieht sich die Gruppe „I can be your translator“ in ihrem Stück „Das Konzept bin ich“, das am 12. und 13. Oktober in der Schwankhalle gastiert. Die inklusive Gruppe beschäftigt sich mit der euphemistisch Euthanasie genannten „Vernichtung unwerten Lebens“. Am gleichen Wochenende führt die Denkorte-Initative durch „Die Neustadt unterm Hakenkreuz“. Weil die deutsche Geschichte aber auch schon vor 1933 alles andere als eine reine Wohltätigsveranstaltung war, geht es im Herbst in der Schwankhalle auch um Kolonialismus und Sklaverei, die den Hintergrund der Performance „The Whispers“ von Mbene Mbunga Mwambene aus Bern bilden, der damit vom 20. bis 22. September in der Schwankhalle zu sehen ist.

Ursprünglich war die Theatergruppe „I can be your translator“ als Band gegründet worden. Foto: 2xzwei Fotografie
Ursprünglich war die Theatergruppe „I can be your translator“ als Band gegründet worden. © 2xzwei Fotografie

Eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Kulturkampf von rechts“, Lesungen und Konzerte unter anderem mit der Rapperin Gianni Mae laden obendrein zum Sehen, Hören, Denken und Diskutieren ein. Für Stoff ist also mehr als reichlich gesorgt. Die große Herausforderung dürfte nun allerdings sein, die anvisierte Zielgruppe zu erreichen, nämlich die „alarmierte Mehrheitsbevölkerung“, die derweil nicht notwendig bekannt dafür ist, sich mit zeitgenössischer Performance-Kunst zu befassen – wobei das zugegebenermaßen eher ein gefühlter Wert ist.

Zumindest hat sich die Schwankhalle beim Publikum als Spielstätte etabliert. Die Zahlen der vergangenen Spielzeit, berichtet Husemann, entsprächen in etwa denen der vorherigen Saison, die Auslastung habe bei etwa 70 Prozent gelegen, 8200 Besucher der insgesamt 162 Veranstaltungen habe man gezählt. Was wiederum auch bedeutet: Ein bisschen Platz ist durchaus noch, auch für Mehrheitsangehörige. Wir würden einen Besuch durchaus empfehlen.

Das Programm im Netz:

www.schwankhalle.de

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