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Andreas Neuenkirchen berichtet als Neubürger aus der größten Stadt der Welt

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Syke - Von Rolf Stein. Dass Andreas Neuenkirchens Buch „Happy Tokio“ kein mehr oder weniger nüchternes Städteporträt ist, geht freilich schon aus dem Untertitel hervor: „Mein neues Leben in Japans hässlich-schönster Stadt“.

Neuenkirchen, gebürtiger Bremer und in seiner Heimatstadt den Älteren unter uns vielleicht noch als Autor bekannt, lebt seit 2016 mit Frau und Kind in der Mega-Metropole. Viel länger aber schon befasst er sich mit Land und Kultur. Schon 2009 veröffentlichte er eine „Gebrauchsanweisung für Japan“, es folgten verschiedene Japan-Krimis. Seit er allerdings Bewohner der mutmaßlich größten Stadt der Welt ist, hat der Autor freilich noch einmal einen anderen Blick auf Tokio.

„Die Geschichte lehrt uns: Die beste Zeit, in Tokio zu leben, ist genau jetzt. Denn davon werden wir in zehn bis zwanzig Jahren den Spätgeborenen vorschwärmen.“ Ein Satz, der ganz gewiss so formuliert ist, dass er nicht nur für beinahe jede Zeit, sondern auch für jede Stadt gilt. Insofern wäre Tokio doch nur eine von vielen. Warum das nicht zutrift, erklärt Neuenkirchen mit Selbstironie, feinem Spott und Lust an Abschweifungen.

Dabei lernen wir Tokio nicht zuletzt aus der Warte eines Eintauchenden kennen, zugleich vertraut mit seinem Gegenstand, aber immer auch noch ein wenig fremd, dem nachspürend, was dieser fraglos faszinierende Ort und seine Bewohner mit ihm so anstellen. Dabei sind es natürlich die kleinen und großen Unterschiede, die den Neuhinzukommenden beschäftigen.

Überraschende Erkenntnisse

Neuenkirchens Blick für das nicht so Offensichtliche führt ihn zu überraschenden Erkenntnissen. So lässt er auf deutschen Wein und deutsches Brot (im Unterschied zu Bier, Autos, Fußball und Hiphop aus unseren Breiten übrigens) nichts kommen. Der größte kulturelle Graben zwischen Deutschen und Japanern tue sich aber beim Verhältnis zu Fenstern auf. Das gute alte Doppelfenster nämlich, auf das die Deutschen stolz seien, ist in Japan offenbar völlig ungebräuchlich.

Auch heiklere Themen fasst Neuenkirchen an – mit Umsicht und höflicher Gelassenheit: Dass Japaner Rassisten seien, lautet beispielsweise ein Klischee. Was Neuenkirchen dazu zusagen hat, lesen Sie natürlich am besten und schönsten selbst in „Happy Tokio“ nach, aber Teilentwarnung dürfen wir wohl schon geben: „Der japanische Rassismus ist im Ton oft extrem scharf, doch bleibt es beim Ton.“

Nicht nur wegen dieses beruhigenden Befunds bekommt man bei der Lektüre dieser Notizen aus einer oberflächlich betrachtet vertraut wirkenden, zugleich aber doch sehr fremden Stadt Lust, sie mit eigenen Augen zu erkunden und in paar der Orte aufzusuchen, die Andreas Neuenkirchen hier liebevoll zugewandt beschreibt.

Andreas Neuenkirchen: „Happy Tokio“, 256 Seiten, 14,99 Euro, DuMont Reiseabenteuer

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