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Festival in Rudolstadt: Weltmusik in Krisenzeiten

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Die Stimmung ist bestens beim Konzert von Damahi (o.) und auch sonst vor den Bühnen in Rudolstadt wie hier an der Heidecksburg. Fotos: Matthias Kimpel (o.) / Michael Pohl
Gute Laune vor den Bühnen in Rudolstadt wie hier an der Heidecksburg. © -

Rudolstadt - Wenn Weltpolitik und Kunst einander nahe kommen, verheißt das selten Gutes. Am vergangenen Wochenende war nicht nur auf dem größten deutschen Weltmusikfestival im thüringischen Rudolstadt viel vom Iran die Rede – sondern auch in den politischen Nachrichten. Während hierzulande neun iranische Ensembles die musikalischen Traditionen des multiethnischen Landes präsentieren, verkündet die Führung in Teheran, ihr Atomprogramm über die internationale Vereinbarung hinaus hochzufahren und den Konflikt mit den USA weiter zu eskalieren.

Die plötzliche Aktualität eines ja nun doch von langer Hand geplanten Musikfestivals mag überraschen – dass der diesjährige Länderschwerpunkt Iran allerdings in jedem Fall ein ausgesprochen politischer werden würde, war bereits zur Programmpräsentation im vergangenen Jahr klar. Das Verhältnis von Kunst und Regime ist, gelinde gesagt, angespannt.

Und das gilt nicht nur für die am westlichen Pop orientierte Jugend der urbanen Zentren, sondern auch für die traditionelle Musik: Arezoo Rezvani etwa spielt die Santur („das persische Hackbrett“). Die ehemalige Leiterin des Frauenorchesters von Isfahan hat den Iran, wo Frauen Soloauftritte verboten sind, verlassen. Schwierigkeiten bekam sie dort auch wegen ihrer Zusammenarbeit mit jüdischen Musikern. Auf Rapper und Jazzmusiker Shahin Najafi, der zwei eindringliche Auftritte auf dem Festival absolviert, haben Revolutionsgardisten gar ein Kopfgeld ausgesetzt. Auch Najafi ist nach Deutschland ausgewandert.

Für Künstler, die noch im Iran leben, ist das Festival eine der selten gewordenen Möglichkeiten vor internationalem Publikum zu spielen. Ums Geld gehe es dabei nicht, berichtet Dara Daraee, Bassist und Bandleader der Jazz- und Funkcombo Damahi, auf einer Podiumsdiskussion: Zwar hätten die Festivalmacher durchaus faire Beträge für Gage und Reisekosten bezahlt, allerdings sei dieses Geld infolge der internationalen Sanktionen heute nur noch rund ein Viertel wert und reiche gerade so für Flug sowie Visa.

Überhaupt fällt es auch der unpolitischen oder unkritischen Kulturszene ausgesprochen schwer, ihre Musik international zu vertreiben. CD-Verkäufe sind ein Ding der Unmöglichkeit geworden, auch Einnahmen von Streamingdiensten wie Spotify können nicht mehr direkt in den Iran überwiesen, sondern müssen über Dritte gehen, die ihrerseits natürlich mitverdienen wollen. Dass Länder wie etwa Deutschland ihre Visavergabe an das Privatunternehmen VFS Global ausgelagert haben, mache Konzertreisen zu einem riesigen organisatorischen und finanziellen Aufwand, heißt es.

Michael Pohl
Die Stimmung ist bestens beim Konzert von Damahi. © Matthias Kimpel

Als Festival im Festival ist der Iranschwerpunkt inhaltlich jedenfalls hochinteressant, bisweilen alarmierend – aber eben auch umso erfreulicher als Beleg dafür, dass Kunst auch jenseits des offiziellen Kulturexports des Regimes irgendwie ihre Wege findet zwischen Zensur, Unterdrückung und den Sanktionen, die sie zwar nicht meint – aber doch auch trifft.

Drumherum in Rudolstadt ist die Stimmung ohnehin bestens. Weit mehr als 100 000 Besucher erleben in Innenstadt, Heinepark und auf der Heidecksburg rund 150 Bands und Solisten aus 40 Ländern. So etwa die aus Südafrika nach Berlin übergesiedelte Singer-Songwriterin Alice Phoebe Lou, die sich nicht nur festen Plattenverträgen verweigert, sondern aus Protest gegen die Kommerzialisierung ihrer Musik auch schon mal die Einladung ins Vorprogramm eines James Blunt ausschlägt.

Daneben spielen Stars wie The Cat Empire, die mit HipHop, Rock und Reggae in Australien mehrfach Platin eingespielt haben, die brasilianische R&B-Größe Luedji Luna – oder auch Bands wie das Herbert Pixner Projekt aus Südtirol, das traditionelle Volksmusik subtil in den Blues überführt.

Programmdirektor Bernhard Hanneken und seinem Team ist ein Programm gelungen, das nahtlos an die vergangenen Jahre anschließt und den Weg ebnet für den 30. Festivalgeburtstag im kommenden Jahr. Sichtlich vorbei ist hingegen die Zeit der Publikumsrekorde – und das mit voller Absicht. Nachdem das Festival bis 2017 kontinuierlich gewachsen war, sind die Karten inzwischen deutlich begrenzt, um die kleine Stadt und die gemütliche Atmosphäre des Festivals zu bewahren. Wer im kommenden Jahr dabei sein möchte, sollte sich darum rechtzeitig kümmern, wenn voraussichtlich im Dezember der Vorverkauf für 2020 startet.

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rudolstadt-festival.de

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