Es hat mir Spaß gemacht, aber ich konnte es irgendwann nicht mehr vereinbaren, nachts nach den Aufführungen nach Hause zu kommen und am Morgen um acht im Laden zu stehen. Ich habe die Apotheke dann verlassen.
Was war ihr Eindruck vom Menschen Brecht?
Ich habe ihn als freundlichen, netten und humorvollen Menschen kennengelernt. Zum Einstieg in die Woche am Montag hat er immer gefragt: „Bevor wir hier anfangen: Hat denn keiner was erlebt am Wochenende? Irgendetwas Schönes, was man der Nachwelt so mitgeben könnte?” Es ging dann so weit, dass wir gute Witze, wenn wir die fanden, aufgehoben und als eigene ausgegeben haben.
Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ich hatte mal eine Begegnung mit Brecht in den Proben zur „Winterschlacht“. Die Szene, die wir einstudierten, zeigte den Rückzug der Armee in Stalingrad. Wir saßen als Soldaten auf einem Lkw. Die Bühne hat sich gedreht, um Bewegung zu simulieren. Wir haben dann aber zu schön gesungen. Brecht hat daraufhin alle Schauspieler aufgefordert, sieben oder acht Leute, ihre Dialekte einzusetzen. Zuerst hat er alle befragt, wo sie herkamen. Es ging dann: Sachsen, Thüringen und so weiter. Dann war ich an der Reihe und sagte: „Niederlande.” Daraufhin: Ruhe. Ich höre nur wie einer hinten sagte: „Ach, du Scheiße. Jetzt wird er sauer.” Dann rief Brecht: „Ich habe Ihnen doch eine nette Frage gestellt. Meinen Sie nicht, Sie müssten mir auch freundlich antworten.” An dem Punkt muss ich schon einen knallroten Kopf gehabt haben. Im selben Moment erscheint Brechts Assistent und flüstert ihm etwas ins Ohr. Elfte Reihe, Regiereihe. Er ist dann von seinem Tisch ganz nach vorn gelaufen, an die Bühne ran. „Junger Mann, ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.” Ich habe ihm dann bestätigt, dass ich wirklich aus den Niederlanden stamme, in Amsterdam geboren bin. Es stellte sich dann heraus, er hat Holland sehr gemocht.
Frau Weigel war sehr einflussreich, nicht nur als Intendantin und Schauspielerin. Wie ist es ihr gelungen, die 32 Panzerräder von der sowjetischen Besatzungsmacht zu organisieren, die seit 1954 zur Bewegung der Bühne des Berliner Ensembles eingesetzt werden?
Frau Weigel hat die Sachen immer gleich angepackt. Sie fuhr mit unserem Technischen Direktor glaube ich nach Karlshorst zur Verwaltung, dem Domizil der Russen. Die waren sogar etwas sauer, dass sie nicht selbst auf die Idee gekommen waren, dass die Räder auf diese Weise eingesetzt werden können. Sie sind ja bekannt dafür, ein Land der Improvisation zu sein. Zugleich haben sie sich gewundert, dass die Deutschen so kurz nach dem Krieg schon wieder mit einem Panzer spielen wollten.