In den USA hatte die Entscheidung von Robinhood, nur noch den Verkauf der Gamestop-Aktie zuzulassen, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Am Donnerstag schaltete sich sogar die oberste US-Politik in den Konflikt ein. Der künftige Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, Sherrod Brown, kündigte eine Anhörung «zum aktuellen Zustand des Aktienmarkts» an. Es sei an der Zeit für die Börsenaufsicht SEC und den Kongress dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft für alle funktioniere, nicht nur für die Wall Street. «Die Leute an der Wall Street scheren sich nur um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, denen es wehtut», hieß es in Browns Statement.
Noch größer war der Frust bei Anlegern, die sich durch Robinhoods Beschränkungen auf ihrer Gewinnstrecke ausgebremst sahen. «Die nehmen das Geld von den Armen und geben es den Reichen», empörte sich beispielsweise Charlie Hancox von der Aktivisten-Plattform Inveez. Wie andere User warf er Robinhood-Chef Vlad Tenev vor, ihnen im Machtkampf mit den Hedgefonds in den Rücken gefallen zu sein.
Die professionellen Investoren hatten im Gegensatz zu dem Flashmob der Reddit-User auf fallende Kurse spekuliert. Diese «Shortseller» verkaufen die entsprechende Aktie zuerst, obwohl sie sie noch gar nicht besitzen. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der «perfekte», sinkende Kurs sich ergibt, wird dann das Papier eingekauft, um den Deal bedienen zu können. Solche Leerverkäufer setzen also darauf, sich bis zum Termin der Rückgabe billiger mit Papieren einzudecken und die Differenz dann als Gewinn einzustreichen.
Die Reddit-Community setzte aber auf steigende Kurse. So kam es zu einem regelrechten Kräftemessen mit den Hedgefonds, die dann durch den organisierten Massenkauf der Aktien und den damit verbundenen steigenden Kursen in große wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten und zum Teil Milliarden-Verluste abschreiben mussten.
Tenev bestritt in einem Interview mit Bloomberg TV, dass sein Unternehmen von den Playern an der Wall Street unter Druck gesetzt wurde. Robinhood habe selbst nicht genügend freies Kapital gehabt, um die Käufe der heiß gehandelten Aktien mit den notwendigen Einlagen abzusichern. Nach einem Bericht der «New York Times» musste Robinhood kurzfristig über eine Milliarde Dollar bei seinen Investoren auftreiben, um liquide zu bleiben. Der Kauf-Stopp war eine technische und betriebliche Entscheidung», beteuerte Tenev.
Geschäftsmodell von Robinhood in der Kritik
Mit dieser Antwort wollen sich die Betroffenen aber nicht zufrieden geben. Zwei frustrierte Robinhood-Kunden reichten Klagen gegen den Neo-Broker in New York und Chicago ein.
Nachdem die Berg-und Talfahrt der Gamestop-Aktie zu einer Erschütterung der Finanzmärkte beigetragen hat, werden sich die Regulierer aber ohnehin das Geschäftsmodell von Robinhood anschauen müssen, auch weil das Unternehmen aus Menlo Park in Kalifornien selbst an die Börse strebt. Über die App ist das Handeln mit Aktien aber auch deutlich risikoreicheren Papieren so einfach geworden wie die Online-Bestellung einer Pizza. Und es fallen noch nicht einmal Gebühren an. Verbraucherschützer werfen der Firma aber vor, auch komplizierte Finanzprodukte unerfahrenen Kunden zur Verfügung zu stellen, die dann nicht nur Gefahr laufen, ihr Erspartes zu verlieren, sondern sich auch kräftig zu verschulden.
Börsen-Experte Dirk Müller warnte bei ntv.de: «Was bei Gamestop passiert, offenbart, dass Börse kein Spielfeld mehr ist, sondern ein Schlachtfeld.»
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Kritik von Scott Galloway an OTP
Robinhood-CEO auf Bloomberg-TV