„Die Zahl von Unfällen, die von Senioren verursacht werden, wird zunehmen, und auch die Zahl der verletzten Senioren wird steigen“, prophezeit Matthias Knobloch vom Auto Club Europa ACE.
Nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) verursachen Senioren über 75 schon heute drei von vier Unfällen, in die sie verwickelt sind. „Die Quote liegt damit höher als in der Hochrisikogruppe der jungen Fahrer“, sagte GDV-Unfallforscher Siegfried Brockmann.
Weil freiwillige Maßnahmen zumeist an der mangelnden Selbstreflexion älterer Autofahrer scheiterten, schlägt der GDV eine verpflichtende Fahrt gemeinsam mit einem Fahrlehrer vor. „Deren Ergebnis sollte zwar unter vier Augen bleiben“, sagte Brockmann. Stellten sich Defizite heraus, sollte der Fahrlehrer aber darauf aufmerksam machen und im Zweifel zur Abgabe des Führerscheins raten.
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat setzt auf freiwillige Beratungs- und Trainingsangebote. Auch die Autoclubs halten wenig von gesetzlichen Vorschriften eigens für Ältere. Bei Fahreignungsprüfungen bestehe nämlich die Gefahr, dass die Ergebnisse nicht realistisch widerspiegelten, ob jemand noch fahren könne, sagte ADAC-Expertin Barbara Reeh.
Der ADAC bevorzuge regelmäßige und freiwillige ärztliche Untersuchungen. Denn im vertraulichen Arztgespräch könne am besten geklärt werden, ob aus etwaigen Alterserscheinungen Konsequenzen gezogen werden müssen, sagte Reeh.
Der Automobilclub von Deutschland (AvD) setzt ebenfalls auf freiwillige Hör-, Seh- und Reaktionstests. Senioren sollten alle zwei Jahre zum Arzt gehen und regelmäßig sogenannte Coaching-Fahrten absolvieren, fordert der ACE. Das könne helfen, altersbedingte Defizite beim Autofahren zu erkennen und zu beheben.
Verkehrsgerichtstags-Präsident Kay Nehm (75) appellierte an die Senioren, ihre Defizite zu erkennen und im Zweifel etwa auf Nachtfahrten zu verzichten oder nur noch vertraute Strecken zu nutzen. „Pflichtuntersuchungen für alle bringen dagegen erhebliche Einschränkungen ohne adäquaten Sicherheitsgewinn“, sagte Nehm. Weil „Eigenkontrolle und Einsicht in höherem Alter aber oft problematisch seien, bringt Nehm „eine vorsichtige Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht“ ins Spiel. Mediziner dürften dann die Behörden verständigen, „wenn absolut fahruntüchtige Patienten nicht zu überzeugen sind“, den Führerschein abzugeben, sagte der frühere Generalbundesanwalt.
Vielleicht ließe sich mach uneinsichtiger Senior leichter darauf ein, den Führerschein freiwillig abzugeben, wenn ein Vorschlag der Deutschen Polizeigewerkschaft umgesetzt würde: Sie fordert, dass alle Menschen über 75 den öffentlichen Personennahverkehrs kostenlos nutzen können.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnte bislang verpflichtende Eignungstests für ältere Autofahrer kategorisch ab. „Pflichttests für Senioren am Steuer wird es nicht geben.“ Auch nach dem tödlichen Unfall von Bad Säckingen bleibt es dabei.
dpa