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Autofahrer sollen für Bio-Sprit-Flop zahlen

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Essen - Schon wieder Ärger um unbeliebten Treibstoff. Denn: Die Autofahrer könnten angesichts der Probleme bei der Einführung des Biosprits E10 zur Kasse gebeten werden.

Die Einführung des Bio-Kraftstoffs E10 Anfang des Jahres war ein Riesenflop. Weil die Branche aber eine Mindestmenge Bio-Sprit pro Jahr verkaufen muss, drohen zum Jahresende saftige Strafzahlungen. Der Chef der Aral-Mutter BP Europa, Uwe Franke, nennt nun Zahlen.„Die Kosten für die Nichterfüllung der Quote dürften vermutlich für die Branche zwischen 300 bis 400 Millionen Euro liegen“, sagte Franke der WAZ-Gruppe. Gleichzeitig kündigte er Preiserhöhungen an, denn am Ende werde den Unternehmen nichts anderes übrig bleiben, als die Kosten an die Kunden weiterzugeben. Die tz hat bei Verbraucherschützern, dem ADAC und der Mineralölwirtschaft nachgefragt, was auf die Autofahrer jetzt zu kommt:

Warum soll die Mineralölindustrie jetzt Strafen zahlen? Der Branche drohen millionenschwere Strafzahlungen, weil sie hinter den Vorgaben der Bundesregierung hinterherhinkt. Die Ölbranche muss 6,25 Prozent des verkauften Kraftstoffes – gemessen am Energiegehalt – aus pflanzlicher Produktion gewinnen, sonst drohen hohe Strafen.

Wie hoch werden die Strafen ausfallen? Das kann momentan niemand sagen. BP-Europa-Chef Franke rechnet mit 300 bis 400 Millionen Euro, die am Jahresende fällig werden könnten.Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie schätzt, dass sogar 500 Millionen Euro drohen könnten – allerdings nur, wenn kein E10 verkauft würde.

Wie hoch ist die Quote? 6,25 Prozent des Kraftstoffes. Allerdings gilt der Energiegehalt. Bio-Ethanol, das dem Benzin beigemischt wird, hat einen niedrigeren Energiegehalt als Benzin – deshalb gehen Experten davon aus, dass mindestens zehn Prozent des verkauften Kraftstoffs pflanzlichen Ursprungs sein müssten, um die Quote zu erfüllen.

Kann das gelingen? Nein. „Es wird eine Fehlmenge geben“, sagt Karin Retzlaff vom Mineralölwirtschaftsverband zur tz. Wie groß die sein wird, kann sie zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht absehen. „Die Politik hat die Rechnung ohne den Verbraucher gemacht“, beklagt Retzlaff. Denn um die Quote zu erfüllen, hätten die Autos, die E10 vertragen auch tatsächlich den Bio-Kraftstoff tanken müssen.

Wie groß ist die Akzeptanz von E10? „Die Absatzquote liegt bundesweit bei neun bis zehn Prozent“, weiß Retzlaff. Allerdings: Im wichtigen Markt Nordrhein-Westfalen und in Norddeutschland wird E10 gar nicht angeboten. Dort wo es E10 gibt, tanken also etwa 20 bis 30 Prozent der Autofahrer E10 – selbst das ist zu wenig, um die Quote zu erfüllen.

Wie viel würde der E10-Soli die Autofahrer kosten? Ottmar Lell, Verkehrsexperte des Verbraucherzentralen Bundesverbandes, hat nachgerechnet: „Selbst bei Strafzahlungen von 500 Millionen Euro würde das pro Liter nur etwa 2,5 Cent ausmachen. Solche Schwankungen sind eigentlich an der Tagesordnung.“ Er resümiert im tz-Gespräch: „Eine massive Preiserhöhung wäre mit den Strafzahlungen gar nicht begründbar.“ Allerdings geht er, übereinstimmend mit dem ADAC, davon aus, dass die Autofahrer ohnehin schon für die Strafzahlungen zur Kasse gebeten werden.

In welcher Form zahlen die Autofahrer schon jetzt? Dadurch, dass die Konzerne das regulärer Super-Benzin verteuert haben. „Sie legen seit Beginn des E10-Einführungsprozesses im vergangenen Februar die fälligen Strafzahlungen auf den Benzinpreis um“, sagt ADAC-Präsident Peter Meyer. „Mit 3 Cent Aufschlag für E5 gegenüber E10 sind die Strafzahlungen bereits heute voll abgedeckt.“ ADAC-Sprecherin Maxi Hartung stellt gegenüber der tz klar: „Wir müssen für die Mineralölkonzerne nicht mit dem Klingelbeutel sammeln!“ Mineralölverbandssprecherin Retzlaff bestätigt, dass die Strafzahlungen in den Preisen für das reguläre Super bereits eingepreist sind.

Hat E10 überhaupt noch eine Zukunft? Daran scheiden sich die Geister. Der ADAC ist weiter vom Bio-Sprit überzeugt. „Das ist ein wichtiger Schritt, um uns vom Öl unabhängig zu machen“, verteidigt Hartung die Einführung von E10. Verbraucherschützer Lell ist weniger optimistisch: „Die Einführung von E10 ist faktisch gescheitert“, erklärt er. „Die Leute wollen das nicht – das hat sich die Politik selbst zuzuschreiben.“ Mineralölverbandssprecherin Retzlaff hofft, dass sich E10 durchsetzt, wenn immer mehr Menschen problemlos ihre Autos damit betanken.

Wer ist verantwortlich für das E10-Desaster? Die Beteiligten schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Verbraucherschützer Lell sieht Fehler bei der Politik: „Wir hätten eine verbindliche Auskunft vom Kraftfahrtbundesamt gebraucht, in der steht ob das Auto E10 verträgt oder nicht. Die gab es nicht.“ ADAC-Sprecherin Hartung sieht dagegen die Mineralölkonzerne am Pranger. Sie hätten ihre Kunden direkt an der Zapfsäule über die Verträglichkeit des neuen Kraftstoffs informieren müssen – mit gleichem Engagement wie bei der Einführung neuer Premium-Spritsorten. „E10 war nie unsere Idee“, erklärt hingegen Retzlaff. Schließlich produzierten die Mineralölkonzerne gar keinen Biokraftstoff. „Die Biokraftstoffproduzenten wollen ihre Produkte natürlich gerne verkaufen.“ Dennoch habe sich die Branche zu der Einführung bekannt und erhebliche Investitionen getätigt. „Als Wirtschaftsunternehmen hören wir aber auf unsere Kunden“, erklärt Retzlaff. Solange die das alte Super tanken wollten, werde es auch angeboten.

Mk.

Die wichtigsten Infos zum E10-Benzin

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