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Elektroauto im Praxistest: Wie weit kommt der VW ID.4 tatsächlich?

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VW ID.4 gelb
Donnervogel ohne Donner. Der ID4 ist ein Elektroauto mit viel Kraft, das wenig Lärm macht. © VW

Mit dem ID.4 schickt VW sein zweites reines Elektro-Modell auf die Straße. Reicht die Reichweite, die mit bis zu 520 Kilometern angegeben wird? Der ID4 im Alltagstest.

Das Kürzel ID hat viele Bedeutungen. Mit zwei kleinen Punkten versehen, also I.D., bedeutet es: Ihre Durchlaucht. ID ist das Kürzel des US-Bundesstaats Idaho, und in Bagdad zahlt man mit irakischen Dinar, ID eben. Und bei Volkswagen hat man das Kürzel für den Aufbruch in die Zukunft ausgewählt. Die VW-Pressestelle erklärt: „Der Name ID. steht für intelligentes Design, Identität und visionäre Technologien.“ Aha!

VW ID.4 gelb Cockpit
Ein Mini-Bildschirm hinter dem Lenkrad bietet nur die nötigsten Informationen. Der 12-Zöller in der Mitte steuert das ganze Auto. © ULI_SONNTAG / VW

VW ID.4: Lang wie ein Variant, bequemer wie ein Tiguan

Nach dem ID.3*, quasi dem Golf unter den VW-Elektroautos, rollt jetzt der ID.4 zu den Kunden. Ein 4,58-Meter-SUV – und damit so lang wie der Golf Variant. Beim Radstand erreicht er mit 2,77 Metern fast die Maße des Tiguan (2,79 Meter). Womit wir beim ersten Pluspunkt des ID.4 sind. Platz gibt es für die Passagiere ohne Ende. Der E-SUV ist sogar noch bequemer als der Tiguan. Der Grund: Etliche Verbrenner-Bauteile fallen weg – davon profitiert der Mensch. So dürften sich sogar Riesen mit bis zu zwei Metern Größe wohl fühlen auf den Vordersitzen, hinten wird es ein wenig enger, weil die Dachlinie des ID.4 ganz nach der derzeitigen Mode steil abfällt wie bei einem Coupe.

Stummel-Display und 12-Zöller: Die zwei von der VW ID.4-Bildstelle

Zum Raumgefühl kommt das Gefühl wie in einem Raumschiff zu sitzen. Ähnlich wie beim ID.3 wurde das Cockpit komplett umgestrickt im Vergleich zu einem herkömmlichen Verbrenner. Das heißt: Hinter dem Lenkrad gibt es nur noch ein Mini-Display mit den wichtigsten Fahrinformationen wie Geschwindigkeit oder Abstand, Reichweite, Verkehrszeichen – außerdem werden die Fahrstufen angezeigt. Das ist auch gut so, weil sich der Wählhebel dafür direkt neben dem Stummel-Bildschirm befindet und nicht wie üblich irgendwo in der Mittelkonsole. Der Drehregler jedenfalls ist gewöhnungsbedürftig. Mitten auf dem Armaturenbrett und ziemlich zentral residiert der bis zu 12 Zoll große Infotainment-Bildschirm, über den sich alles regeln lässt.

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Aufgetankt ist der ID4 an einer 115-kW-Säule in 35 Minuten. Dann hat er wieder 80 Prozent Kapazität. © ULI_SONNTAG / VW

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Tippen und Wischen – der VW ID.4 ist ziemlich knopflos

Hört sich gut an, in manchen Fällen nervt das Getippe auf dem Bildschirm aber schon. Wenn man zum Beispiel schnell die Klimaanlage einstellen will, dann muss fast immer mühselig ins Menü gehen. Nur nicht bei der Temperatur, da gibt es einen so genannten Slider unterhalb des Bildschirms. Das sind berührungsempfindliche Flächen, die man mit einem Fingerwischen bedient. Bis man das gewöhnt ist, dauert es seine Zeit. Nämliches gilt für die Lautstärkeregelung. Auch hier wischt man wild herum. Bis der Finger das endlich drauf hat, ist ein Besuch beim Ohrenarzt notwendig, weil man oft zu laut aufdreht. Ansonsten ist die Menüführung aber logisch und klar. Man findet sich schnell zurecht, und auch das Handy ist ruckzuck via Bluetooth verbunden. Aufladen kann man unkompliziert und kontaktlos in der Mittelkonsole. Apple Car Play und Android Auto sind selbstverständlich. Neben den zwei Bildschirmen gibt es noch ein Head-up-Display mit den wesentlichen Informationen auf der Scheibe. Neuerdings wird das auch noch mit Augmented Reality angereichert. Das heißt: Virtuell schweben Informationen wie eine Drohne vor dem Auto. So zum Beispiel blaue Abbiegepfeile, die dem Fahrer den richtigen Weg weisen sollen. Prinzipiell praktisch, aber nicht immer sind sie, vermutlich aufgrund der Lichtverhältnisse, klar sichtbar.

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Ordentlich Platz bietet der ID.4 im Innenraum. Der kann mit Leder und Klavierlack modern aufgehübscht werden. © ULI_SONNTAG / VW

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Vorsicht beim Konfigurieren – der Preis steigt schnell auf 58.000 Euro

Weil wir gerade beim Motzen sind: Viele bemängeln ja die viele Hartplastikflächen im Auto, die einem gewissen Sparzwang zu verdanken sind. Das ist aber alles verkraftbar: Schließlich sitzt man nicht in einer chilligen Lounge, auch ein E-Auto ist nur ein Fortbewegungsmittel. Dafür kann man sich mit Klavierlack-Teilen und Leder einen gemütlichen Rahmen schaffen, wenn man das will und dafür Geld auf den Tisch legen will. Apropos Zusatzausstattungen. Wer „einmal mit allem“ haben will, der schraubt den Endpreis im VW-Konfigurator im Handumdrehen auf 58.000 Euro.

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Intelligentes, digitales Licht. Der ID.4 hat Matrix-Scheinwerfer der neuesten Generation. © www.martinmeiners.de / VW

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Nur zwei Fensterheber? Da spart VW „am falschen Ende“

Abgesehen vom Plastik gibt es noch ein Detail, beim dem sich die Konstrukteure etwas gespart haben. Es gibt nämlich nur zwei elektrische Fensterheber-Hebel. Einen für links und einen für rechts. Wer hinten die Scheiben senken will, muss erst umständlich umschalten. Die Fläche dazu befindet sich ebenso wie die Fensterheber in der Armauflage der Tür. Und das ist fatal. Aus Versehen schaltet man gerne mal von vorne auf hinten und wundert sich, dass dann das Fahrerfenster nicht heruntergleitet, stattdessen zieht es von hinten. Also erst wieder Fenster hinten hoch, umschalten, dann Fenster vorne runter. Da verplempert man im Zweifelsfall jede Menge Zeit an der Parkhaus-Schranke oder beim Bezahlen der Autobahngebühr.

VW ID.4 gelb Detail Heckleuchte
Als ob er zwinkern würde. Die LEDs in den Heckleuchten geben dem ID.4 auch von hinten einen eigenen Charakter. © WWW.MARTINMEINERS.DE / VW

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Und was ist mit der Reichweite?

Ja, fahren kann der ID.4 natürlich auch. Der Elektromotor auf der Hinterachse leistet dabei wahlweise 109, 125 oder 150 kW. Damit beschleunigt ID.4 in ordentlichen 8,5 Sekunden von 0 auf 100. Wie immer bei Elektroautos fühlt sich das besser an, weil die Kraft sich sofort und direkt entwickelt. Bei der Top-Version sind es 204 PS. Eigentlich ziemlich sportlich, aber die 2,1 Tonnen Hüftspeck müssen erst einmal von der Stelle bewegt werden. Und so ist der ID.4 nicht unbedingt ein agiles Sportgerät, sondern eher ein gemütlicher Cruiser mit viel (Raum-)Gefühl. Die Reichweite ist ja des Deutschen liebstes Diskussionskind, unabhängig, was üblicherweise täglich an Kilometern abgespult wird.

Der ID.4 will hier für mehr Sicherheit bei den Kunden sorgen. Bis zu 520 Kilometer (beim großen Akku mit 77 kWh) verspricht VW, natürlich immer abhängig von den Temperaturen und den fahrerischen Ambitionen seines Besitzers. In unserem (Test-)Fall hat uns das Auto bei voller Ladung 438 Kilometer Reichweite angeboten. Und sein Versprechen auch gehalten. Trotz einiger Autobahnfahrten mit der abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 160 Sachen kamen wir tatsächlich so weit. Der Verbrauch lag bei knapp 22 kWh und damit um rund 20 Prozent höher als angegeben. Mit den 438 Kilometern Reichweite lässt sich im Alltag üblicherweise eine ganze Woche bestreiten. Das heißt also: Einmal aufladen am Wochenende genügt. Wie groß die Spreizung beim Thema Reichweite ist, zeigt die Tatsache, dass es bei VW eine kundennahe Reichweiten-Angabe gibt. Und die liegt im Fall des ID.4 zwischen 360 und 520 Kilometern – immerhin ein Unterschied von 160 Kilometern

VW ID.4 gelb Heckklappe geöffnet kofferraum
Wenn die Rücksitzbank umgeklappt ist, dann passen in den ID.4 bis zu 1575 Liter rein. Ziehen kann er bis zu 1000 kg. © ULI_SONNTAG / VW

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Wieviel ID steckt nun im ID.4?

Intelligentes Design? Wir würden sagen für Wolfsburger Verhältnisse ist der Elektro-SUV zumindest innen fast schon Avantgarde. Ob der ID.4 was mit Identität zu tun hat? Wenn Identität etwas mit Nachhaltigkeit zu tun hat, ja! Denn der ID.4 wird zumindest von der Bilanz her CO2 neutral ausgeliefert. Wenn man nur mit Naturstrom auflädt, dann bleibt das Auto auch im Betrieb nachhaltig. Die dritte Definition heißt laut VW „visionäre Technologien“. Die visionäre Exotik aus den Pionierzeiten hat der E-Antrieb mittlerweile verloren. Aber das, was Volkswagen sich beim Thema Elektromobilität als Ziel gesagt hat, ist ambitioniert. Nach ID.3 und ID.4 wollen die Wolfburger bis zum Jahr 2029 insgesamt 75 reine E-Modell auf den Markt bringen. Eine echte Ansage.

Technische Daten VW ID.4 Pro

Rudolf Bögel *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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