Eine optimale Gewichtsverteilung durch die im Boden flach eingebaut Batterie, zwei Motoren, kein störendes Getriebe und Allradantrieb dazu – das sind die vier Faktoren, die das Fahren mit dem EQC so souverän machen. Dazu noch eine Heerschar von elektronischen Helfern: Und schon wird aus dem schweren Elektro-Elefanten eine schlanke Gazelle, die leichtfüßig durch die Kurven jagt.
Das merkt man natürlich auch ganz schnell beim Verbrauch. Auch beim Stromer gilt: Power kostet Geld. Normalerweise "schluckt" der EQC zwischen 20,8 und 19,7 kw/H pro 100 Kilometer, 0 Emission. Fast so spektakulär wie bei der Beschleunigung bremst der EQC auch. Warum wir das betonen? Weil der Elektro-SUV dank der 652 Kilogramm schweren Batterie ein Gewicht von rund 2,5 Tonnen mit sich herumschleppt. Dabei bremst das Auto nicht allein mit Scheiben und Klötzen sondern auch mit den beiden E-Motoren. Sie fangen beim Entschleunigen die Energie ab und produzieren wie Generatoren Strom.
Rekuperieren nennt man das im Fachjargon. Diese Technik ist wichtig, um die 80 kWh-Batterie auch während der Fahrt aufzuladen. Nur so lässt sich einerseits die versprochene Reichweite von 445 bis 471 Kilometer (NEFZ-Norm) erreichen. Andererseits kann man damit auch das grundsätzliche Dilemma der Elektromobilität zumindest ein wenig abfedern. Nämlich, dass man erst zusätzliches Gewicht (Batterie) mitnehmen muss, um umweltfreundlich zu fahren.
Aber zurück zum Rekuperieren. Hier hat man sich bei Daimler ein paar technische Leckerbissen einfallen. lassen. Wer will, kann die Stärke der Energierückgewinnung sogar über zwei Lenkradpaddel selbst einstellen. Und wer schon mal auf einem Aufsitzrasenmäher gefahren ist oder im Autoscooter unterwegs war, kennt dieses komische Gefühl. Das Auto bremst, wenn man vom Gas geht. Ganz, ohne dass man bremst.
Man kann das Rekuperieren auch dem Auto überlassen und stellt auf den Eco-Assistenten um. Unter Einbeziehung von Routenverlauf, Navigationsdaten, Tempolimits und Abstand zum Vordermann wird die Bremsenergierückgewinnung digital gesteuert und so optimiert.
Die – übrigens von Mercedes Benz selbst hergestellt Batterie – muss natürlich auch im Stand geladen werden, allein die Rekuperation reicht nicht. Mit einer extra installieren Wallbox geht das daheim in 11 Stunden. An einem öffentlichen Schnelllader sind in 40 Minuten zumindest wieder 80 Prozent der Kapazität erreicht.
Unterstützt wird der Fahrer dabei auf vielerlei Art und Weise. Das fängt schon mal bei der Erfassung der Ladestationen an. Über die App Me Mercedes Charge sind weltweit 300.000 öffentliche Ladepunkte erfasst wie Parkplätze, Autobahnen und Einkaufszentren. Damit deckt Mercedes rund 90 Prozent ab.
Ebenfalls praktisch: Mit einer eigenen Ladekarte kann man überall zahlen. Die Abrechnung kommt dann monatlich von Mercedes. Bordcomputer und App helfen nicht nur bei der Suche nach einer geeigneten Ladestation, sondern lotsen das Auto auch über die jeweils beste Route zum nächsten Ladepunkt. Das System weiß nämlich, ob die elektrischen Zapfsäulen belegt sind. Nachgedacht wird auch über eine zeitgenaue Reservierung, aber die steckt noch in der Entwicklung.
Bei der der Planung der Reise hilft ebenfalls die App. Bequem von zu Hause aus kann man die Route eingeben, der Computer prüft den Energie-Zustand der Batterie, lädt gegebenenfalls nach, heizt das Auto auf oder kühlt es ab. Und dann wird die Strecke berechnet.
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Auch hier im ganzheitlichen Ansatz: Wetterdaten fließen genauso ein wie die die Topografie der gewählten Strecke und das Verkehrsaufkommen. Alle Informationen werden permanent und in Echtzeit aktualisiert, Ladepunkte empfohlen. So kann man eigentlich nie ohne "Saft" stehen bleiben.
Aber bei einer Reichweite jenseits der versprochenen 400 Kilometer, auch wenn es tatsächlich dann aufgrund Fahrweise und Wetter nur 300 sein sollten, ist die Alltagstauglichkeit ohnehin garantiert. Und entlang der Hauptverkehrsachsen will der Schnellader IONITY – ein Gemeinschaftsunternehmen von Daimler, BMW, Ford, Volkswagen, Audi und Porsche – bis 2020 rund 400 Stationen errichtet haben.
Wer noch mehr Sicherheit haben will für die Urlaubsfahrt mit der Familie, der kann bei Daimler ein Mobilitäts-Paket dazu buchen. Für einen Preis, der um zehn Prozent unter den sonst von Mercedes erhobenen Leihgebühren liegt, kann man seinen EQC im Sommer dann gegen einen Diesel oder Benziner tauschen. Wer will, kann sich auch die V-Klasse mieten oder mal ein Cabrio übers Wochenende ausprobieren.
Für den EQC gibt es darüber hinaus einen spezifischen Wartungsservice, der vor allem die Elektro-Komponenten im Auge behält. Er kann ebenfalls dazu gebucht werden und gilt bis zu 150.000 Kilometer oder sechs Jahre. Apropos: Für die Batterie gibt Mercedes eine Garantie von 160.000 Kilometern oder acht Jahre. Fällt die Leistung des Aggregats in dieser Zeit unter 70 Prozent wird sie von Daimler ausgetauscht.
Das Einstiegsmodell des EQC kostet exakt 71.281 Euro. Eine mehr als krumme Zahl, in der aber ein tieferer Sinn steckt. Ohne Mehrwertsteuer ergibt sich nämlich eine Summe unter der 60.000er-Marke. Dis ist auch nötig, denn nur dann bekommt man in Deutschland die staatliche Förderprämie für Elektromobilität in Höhe von 4.000 Euro. Ganz unabhängig davon, welche Sonderausstattungen man hier noch dazu bucht. Und da kann man bei Mercedes, so wie auch bei allen anderen Herstellern wie BMW oder Audi, ganz ohne Extravaganzen schon mal locker 10 bis 20.000 Euro draufpacken.
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Noch ein Wort zu den Mitbewerbern: Wenn man so will, ist dieser EQC konkurrenzlos. Denn sowohl der Jaguar iPace als auch der Audi-e-tron sind ausverkauft und haben lange Lieferzeiten. Auch hier setzt man auf die SUV-Karte beim Start in die Elektromobilität. Was sich zunächst widersinnig anhört hat ein paar handfeste Gründe: Erstens sind die hochgebockten Fahrzeuge ideal für den Einbau von Batterien, die ja enorm Platz brauchen. In einem SUV können sie leichter untergebracht werden als in einem Pkw, ohne den Komfort zu beeinflussen. Und abgesehen davon, dass in dieser Marktnische auch weiterhin hohe Wachstumsraten erwartet werden, haben die Kunden in der Premium-Klasse auch das nötige Kleingeld, um sich ein von der Technologie her schon grundsätzlich teureres Auto zu leisten.
Aber auch Mercedes-Kunden müssen sich noch ein wenig gedulden. Erst 2020 soll die angepeilte Jahresproduktion von 50.000 Fahrzeugen erreicht werden. Und wie man hört liegt schon eine Welle von Bestellungen vor. Ob sie schon die Größe eines Tsunamis erreicht hat, wollte man nicht kommentieren.
Der EQC von Mercedes Benz stößt das Tor zur Elektromobilität weit auf. Dem selbst formulierten Anspruch einen echten Mercedes zu bauen, sind die Entwickler gerecht geworden. Bequem, sicher und komfortabel ist der Sternen-Stromer allemal. Mit der Reichweite von über 400 Kilometern ist das Auto auch alltagstauglich und dank der digitalen Verknüpfung zwischen Batterie, Autodaten und Lade-Infrastruktur muss auch niemand Angst haben liegenzubleiben. Bleibt am Ende nur die Frage: Ist die E-Mobilität, wie wir sie jetzt kennen, wirklich die Lösung oder werden wir erst mit Wasserstoffautos klimaneutral unterwegs sein? Dafür hätte Mercedes ja schon das geeignete Fahrzeug, den F-Cell.
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Rudolf Bögel