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Todesfalle Lkw: Abbiegeunfälle wären vermeidbar

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Todesfalle Lkw: Viele Abbiegeunfälle mit Lastwagen wären vermeidbar, sagt Unfallforscher Wolfram Hell. © dpa

München - In Haar wird ein Bub von einem Lkw überfahren, in Vilsbiburg stirbt eine Rentnerin, in Ingolstadt eine junge Frau. Viele Unglücke ließen sich vermeiden, sagt Unfallforscher Wolfram Hell – wenn Lkw mit entsprechender Technik ausgestattet würden.

Neben einem Lastwagen gerät ein Radler schnell in Lebensgefahr: „Der Radweg rechts neben einem Sattelschlepper ist immer im toten Winkel“, sagt Unfallforscher Wolfram Hell. „Der Fahrer kann den Radler nicht sehen. Keine Chance.“ Der Wissenschaftler der LMU kämpft seit Jahren dafür, Unfällen mit rechtsabbiegenden Lkw besser vorzubeugen.

Ende Januar starb in Ingolstadt eine 29-jährige Radlerin, nachdem sie von einem abbiegenden Lkw überrollt worden war, im November 2014 erwischte es einen 13-Jährigen in Haar (Kreis München). In Bayern kommen jedes Jahr etwa 45 Menschen bei Abbiegeunfällen zu Tode, wie die Polizei-Statistik für die vergangenen fünf Jahre zeigt. Oft sind Lkw beteiligt. Es sei ein „Unding“, dass Sattelschlepper in Städten fahren dürfen, sagt Hell. „Die sind im Blindflug unterwegs.“

"Wer schlau ist, steigt ab und lässt den Lkw vorbei"

Lastwagenfahrer gingen davon aus, dass sie mit den Außenspiegeln ausreichend sähen und Radfahrer wähnten sich auf dem Radweg und bei grüner Ampel in Sicherheit. Beides sei falsch, sagt Hell. „Wer schlau ist, steigt ab und lässt den Lkw vorbei.“

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Wolfram Hell © dpa

Seit zehn Jahren kämpft Hell für mehr Sicherheit. Politiker, Spediteure und Lkw-Hersteller seien gefordert. „Es funktioniert aber immer noch nicht. Da krieg ich einen Hals!“ Dabei, schätzt er, ließen sich mit Totwinkel-Erkennungssystemen bis zu 70 Prozent der tödlichen Unfälle verhindern.

Dennoch sind Techniken wie elektronische Abbiegeassistenten, die Fresnell-Linse oder die gläserne Beifahrertüre nur in den wenigsten Fahrzeugen zu finden. Warum? „Kostengründe und Ignoranz. Das System kostet einen Spediteur pro Lkw vielleicht 1000 Euro. Ein toter Radfahrer kostet den Spediteur nichts. Da zahlt die Versicherung“, sagt Hell, der sich ein Gesetz wünschen würde, das Sicherheitssysteme vorschreibt.

Der 55-jährige Familienvater kann nicht verstehen, wie gleichgültig hierzulande mit einem Menschenleben im Straßenverkehr umgegangen werde. „Wir jubeln über rückläufige Verkehrstotenzahlen. Aber vom Ziel - null Verkehrstote - sind wir weit entfernt.“ 2013 waren 3339 Menschen auf Deutschlands Straßen tödlich verunglückt. „Jeden Tag sterben durchschnittlich zehn Menschen. Das ist, als würde alle vier Wochen ein Jumbojet abstürzen“, sagt Hell. „Wären 400 VIPs in einem Jumbojet gefährdet, dann wäre schnell eine Lösung da. Und wenn acht Leute an Vogelgrippe sterben, dann werden Millionen in die Impfforschung gepumpt. Aber Unfalltote gehören hier offenbar zum Alltag dazu.“

MAN und Mercedes arbeiten an Abbiegeassistenten

MAN habe schon 2007 einen Abbiegeassistenten entwickelt, sagt der Forscher: „Der ist zwar nie in Serie gegangen – aber MAN hat dafür einen Gelben Engel bekommen.“ Gläserne Beifahrertüren lehnten die Lkw-Fahrer selber ab, sagt der Fachmann. Eine weitere Möglichkeit wäre der „Trixi-Spiegel“. Den hat ein Betroffener entwickelt, dessen Tochter 1994 im Alter von zwölf Jahren von einem abbiegenden Betonmischer überrollt wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt. Ihr Vater entwickelte daraufhin einen gewölbten Spiegel, der an Ampeln angebracht werden kann. Der Fahrer habe so eine Rundumsicht, sagt Hell. Dennoch fänden sich Trixie-Spiegel nur an wenigen Kreuzungen.

Mercedes und MAN arbeiten nach eigenen Angaben daran, das Risiko zu minimieren. Der MAN-Abbiegeassistent mit Kamera warne den Fahrer bei Kollisionsgefahr mit schwächeren Verkehrsteilnehmern, sagt ein Sprecher. Allerdings: „Auf dem Weg von einem Prototypen zum serienreifen Assistenzsystem müssen Alltagstauglichkeit und Zuverlässigkeit erreicht werden. Daher muss das System noch umfassend getestet werden.“ Zudem müsse es „wirtschaftlich attraktiv“ sein. Einen Termin für die Serieneinführung gibt es noch nicht.

Mercedes hat den Blind Spot Assist entwickelt, der den Fahrer warnen soll, wenn er mit seinem Lkw einem Radfahrer oder Fußgänger gefährlich nahe kommt, wie Sprecherin Kathrin Fritz sagt. Doch auch bei Mercedes wird es noch dauern, bis die Technik in der Praxis genutzt werden kann. Unfallforscher Hell stellt sich dabei nur eine Frage: „Wie viele Unfälle müssen noch passieren?!“

dpa

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