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Unterwegs im teilautonomen Lkw: Auf die Hersteller kommt noch viel Arbeit zu

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Wir sind im teilautonomen Lkw von Daimler auf der CES in Las Vegas mitgefahren.
Wir sind im teilautonomen Lkw von Daimler auf der CES in Las Vegas mitgefahren. © fkn

Mit 35 Meilen in der Stunde prescht der Lkw über den Asphalt. 30 Tonnen in gnadenloser Vorwärtsbewegung. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein gelber Schulbus auf. Er steht. Oh Gott, was macht der Fahrer?

Statt zu bremsen, nimmt er den Fuß vom Pedal. Noch während der Mensch zögert, handelt die Maschine. In Sekundenbruchteilen schießt die Druckluft in die Bremsleitungen, der Freightliner geht mehrmals schwer in die Knie, ein letztes leichtes Wippen der Fahrerkabine und er steht. Allgemeines Aufatmen der Passanten am Straßenrand – auch wenn es sich bei diesem Hindernis nur um einen Attrappe handelt.

Ein langer Weg bis zum autonomen Lkw

Was Daimler Trucks hier auf dem Las Vegas Motor Speedway so spektakulär inszeniert, das können Autos schon lange. Die automatische Notfallbremsung ist ein wesentlicher Bestandteil des teilautonomen Fahrens. Level 2 wie der Experte sagt. Was nichts anderes heißt, als dass das Auto prinzipiell schon viel alleine kann, aber immer noch vom Fahrer überwacht werden muss. Erst bei Level 4 muss der Mensch nur noch im Notfall eingreifen, bei Stufe 5 erledigt das Fahrzeug alles von selbst.

Doch soweit ist es noch lange nicht. Schon gar nicht bei den Trucks. Daimler bringt jetzt als erster Hersteller weltweit einen teilautonomes Fahrzeug auf den Markt. Notfallbremsung, Spurhalteassistent, automatisches Anfahren und Bremsen im Stau, dazu ein intelligenter Totwinkelwarner, der den Truck fast in seiner ganzen Länge überwacht – das sind Features, die vor allem Unfälle verhindern sollen. Meistens vom Fahrer verursachte, wie die Statistik weiß. Rund 90 Prozent gehen auf das Konto der Trucker. Oft mit verheerenden Folgen. "A car accident costs money, a truck accident lives!", sagt Martin Daum, Chef der Lkw-Sparte von Daimler.

Video: Autonomer Lieferwagen Nuro

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Platooning von Lkw hat nicht den gewünschten Effekt

Sein Ziel und das seiner Techniker ist deshalb an erster Stelle die Sicherheit. Und deshalb investiert Daimler Trucks in den nächsten Jahren auch rund 500 Millionen Euro in Techniken, die selbst fahrende Lkw möglich machen sollen. Vom Geister-Truck der alles erledigt ist man aber mindestens noch eine Dekade entfernt. Zu komplex ist ein Lkw im Vergleich zum Auto. Da ist zum einen die schiere Größe eines Trucks, noch verzwickter wird es durch die unzähligen und in Gewicht, Größe und Bauart doch recht unterschiedlichen Anhänger.

Bis autonome auf deutschen Straßen unterwegs sind, werden noch viele Jahre ins Land streichen.
Bis autonome auf deutschen Straßen unterwegs sind, werden noch viele Jahre ins Land streichen. © Daimler

Wie komplex das Thema ist, zeigt sich an folgendem Beispiel. Noch vor kurzer Zeit haben Lkw-Hersteller dem sogenannten Platooning, also der Verkettung mehrerer Trucks zu einem Verband und deren autonome Steuerung durch die Fahrzeug-Computer, große Chancen eingeräumt, um die Effizienz zu steigern. Versuche haben jedoch gezeigt, dass der Verbrauch eher steigt, weil die Lkw auf der Fahrt immer wieder bremsen und Gas geben müssen, um das Platoon aufrechtzuerhalten.

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Erste Etappe ist der elektrische Lkw

Truck-Chef Martin Daum bremst deshalb all zu große Erwartungen ein. "Autonomes Fahren kann ich mir in der nächsten Zeit nur von Hub zu Hub vorstellen." Also von Umschlagplatz zu Umschlagplatz. Alles andere wie das Rangieren oder das Fahren durch Wohngebiete und über ländliche Straßennetze wird auch auf unbestimmte Zeit weiterhin der Mensch übernehmen müssen.

Viel realistischer ist das schon das elektrische Fahren. Daimler hat erst vor Weihnachten die ersten rein mit Strom betriebenen Trucks an Kunden zu Testzwecken ausgeliefert, die Serienfertigung soll 2021 stehen. Wer in so einem Lkw mitfährt, spürt in der Tat einen Hauch der Zukunft. Aus dem Brummi wird ein flüsternder Riese. Allerdings, und auch da zügelt Truck-Boss Daum die Erwartungen, das alles hat seinen Preis. In der Anschaffung kostet so ein Truck (700 PS, 400 Kilometer Reichweite) rund 50 Prozent mehr als ein herkömmlicher Lkw, und auch die Betriebskosten liegen um das Doppelte höher.

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Rudolf Bögel

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