Schritt für Schritt gewinnt Konrad B. nun die Oberhand über seine Ängste. Er kann wieder ohne Panik ins Auto steigen, beginnt, sich wieder mit Freunden zu treffen, kann endlich wieder arbeiten. In der Therapie lernt er, auf erneute Gefühle von Stress zu achten und sich rechtzeitig Entlastung zu schaffen.
Ja, Konrad B. fasst wieder mehr Selbstvertrauen. Nach einem halben Jahr kann er die Psychotherapie abschließen. Mit ihr hat er auch mehr Sicherheit gewonnen. Er weiß: Sollte die Angst erneut beginnen, sein Leben zu beherrschen, gibt es einen Weg heraus. Und: Er ist dabei nicht allein.
Von Sonja Gibis
Die Experten des Beitrags sind der Psychologe und Privatdozent Dr. Martin Fegg, Leiter der Münchner Gemeinschaftspraxis für Psychotherapie am Marienplatz, und die Psychotherapeutin Dr. Lina Marie Knechtl, Psychologin in der Gemeinschaftspraxis. Sie zeigen, wie eine Psychotherapie bei krankhaften Ängsten helfen kann, aus dem Teufelskreis der Panik auszubrechen – langfristig. Denn Schritt für Schritt lernen die Patienten dabei, ihre Angst auf Dauer auszuhalten.
Das Herz rast, die Beine zittern, kalter Schweiß bricht aus. Angst ist ein scheußliches Gefühl. Doch ist sie zugleich ein Schutz, der lebensrettend sein kann. Und: „Angst ist auch eine Kraft“, sagt der Münchner Psychologe Dr. Martin Fegg. Der Körper schüttet dabei Hormone aus, die den Blutdruck in die Höhe treiben. Das Herz schlägt schneller, die Lungen flattern, die Muskeln spannen sich an. Auch die Verdauung setzt aus. Der Körper mobilisiert so all seine Energie. „Wenn man vor einem Säbelzahntiger davonrennen muss, kann das lebensrettend sein“, sagt Fegg. Doch Angst hat noch andere
Gesichter: Sie kann aggressiv machen – und so bereit zum Angriff. Manchmal lässt sie einen auch erstarren. Selbst das war ursprünglich wohl ein Schutz, ähnlich dem Todstellreflex von Tieren. Doch nicht immer helfen diese uralten Reflexe: Steht eine Prüfung bevor, eine öffentliche Rede oder ein unangenehmes Gespräch mit dem Chef, hilft es nicht zu er starren oder davonzurennen. Angst kann dann lähmend wirken. Im Übermaß kann sie sogar krank machen. Kommt es etwa zu großer Furcht oder gar Panikattacken vor an sich harmlosen Situationen oder gerät man sogar ohne erkennbaren Grund in Panik, sprechen Experten von einer Angststörung.
Phobien lassen sich dabei meist gut behandeln. Dabei haben die Betroffenen etwa übermäßige Angst oder Panik vor gewissen Situationen, Tieren oder Orten. Manche versetzt der Anblick einer Spinne in Panik, anderen zittern auf einem Balkon die Knie – oder ihnen wird schon beim Gedanken, einen fremden Menschen anzusprechen, übel. Eine der häufigsten Ängste ist dabei die Agoraphobie, auch Platzangst genannt. Darunter versteht man nicht nur eine Angst vor öffentlichen Plätzen, sondern auch vor langen Reisen oder Orten wie Flugzeugen oder Aufzügen. Als sehr wirksam gilt bei Phobien die Verhaltenstherapie: Die Betroffenen lernen Schritt für Schritt, den Angstauslöser auszuhalten. Bei sozialen Phobien, unter denen heute besonders viele Menschen leiden, bietet Fegg in seiner Praxis auch Trainings an. Denn das vertraute Gespräch mit dem Therapeuten reicht in der Regel nicht aus, um die Ängste zu überwinden. „Dazu muss man nach draußen gehen“, sagt Fegg. Gemeinsam wird geübt: Die Patienten erhalten Aufgaben, müssen etwa nach dem Weg fragen oder einen Fremden um Hilfe bitten. Doch auch Angsterkrankungen haben viele Gesichter: Panikattacken überfallen ihre Opfer nicht selten ohne erkennbaren Grund und in völliger Ruhe. Manche beginnen dann zu hyperventilieren, atmen so hektisch und schnell, dass sie sogar ohnmächtig werden. Den Betroffenen ist teils nicht einmal bewusst, dass es sich um eine Angstattacke handelt. Sie vermuten etwa Herzprobleme und gehen deswegen zum Arzt. „Manchmal kommen sie sogar in die Notaufnahme“, sagt Fegg. Betroffene entwickeln zudem nicht selten Panik, eine erneute Attacke zu erleiden.
Sie haben Angst vor der Angst – ein Teufelskreis beginnt. Experten sprechen auch von Erwartungsangst. Die kann am Ende das ganze Leben beeinträchtigen. Bei anderen Betroffenen schleicht sich die Angst eher ins Leben und durchzieht dieses am Ende völlig. Experten sprechen von einer generalisierten Angststörung. Sorgen führen zu ständiger Anspannung und Unruhe. „Schließlich macht man sich Sorgen, dass man sich ständig Sorgen macht“, sagt Fegg. Schlaf und Verdauung sind oft gestört. Nicht selten kommen Depressionen und Suchterkrankungen dazu wie Alkoholismus. Denn Alkohol lindert die Angst, aber nur kurzfristig. Langfristig kann dagegen eine Psychotherapie helfen – bei jeder Art von Angsterkrankung. Zusätzlich erhalten die Patienten anfangs teils auch Medikamente. Sind die Beschwerden stark, kann dies nötig sein, damit der Patient von einer Psychotherapie überhaupt profitieren kann. Eingesetzt werden in nie Antidepressiva. Angstlösende Medikamente wie Benzodiazepine sollten nur kurzfristig eingenommen werden, da sonst die Gefahr besteht, abhängig zu werden. „Medikamente allein sind aber nie die Therapie“, sagt Fegg.
Als wirksam haben sich bei Angststörungen vor allem verhaltenstherapeutische Ansätze erwiesen. Diese zielen weniger auf die tieferen Ursachen als den Zusammenhang von Situationen mit bestimmten Angst- und Panikgedanken. Mit Hilfe des Therapeuten suchen die Patienten nach Strategien, um diese zu entkoppeln und die Angst zu kontrollieren. Ergänzend helfen Entspannungstechniken. „Sie sind das Aspirin der Psychotherapie“, sagt Fegg. In manchen Fällen ist es allerdings sinnvoll, die tiefer liegenden Ursachen mit Methoden der Psychoanalyse aufzudecken, etwa wenn ein Trauma hinter den Ängsten steckt.
S.G.