- In allen Aspekten waren Privatpatienten im Vorteil.
WIP-Projektleiterin Finkenstädt schaute, ob sich Wartezeiten für gesetzlich Versicherte verkürzen würden, wenn es keine privat Versicherten gäbe. Ihr Fazit: Die Wartezeit auf einen Facharzttermin würde sich um nicht einmal einen Tag verkürzen, die Wartezeit auf einen Hausarzttermin um 0,1 Tage. In der Praxis würde sich die Wartezeit um 1,1 Minute beim Hausarzt und weniger als 1 Minute beim Facharzt verringern, berichtet die Sozialwissenschaftlerin, die für die Private Krankenversicherung arbeitet.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagt: «Studien sind das eine, die alltäglichen Erfahrungen vieler Patienten zeigen etwas anderes.» Manche gesetzlich Versicherte müssten monatelang auf einen Termin warten. «Auch, weil Privatpatienten für den Arzt schlicht lukrativer sind.» Besonders schwierig sei die Situation für Alte und Pflegebedürftige. «Deshalb ist wichtig, dass die Terminservicestellen ausgeweitet werden, Ärzte mehr Sprechstunden anbieten und Hausbesuche machen sollen.»
Warum Warten nervt, beschreibt Mathematik-Professor Christian Hesse im Buch «Leben²»: «Warten lassen ist ein Machtmittel. Wer uns warten lassen kann, hat die Oberhand. Er ist der Herr über unsere Zeit.» 374 Tage unseres Lebens verbrächten wir mit Warten. «Öfter noch als Homo sapiens sind wir Homo expectans, der wartende Mensch.»
Laut Finkenstädt überschätzen Patienten oft die Wartezeit. Auch die KBV-Befragung ergab: «Lediglich jedem zehnten Befragten hat es bei seinem letzten Arztbesuch zu lange gedauert, bis dafür ein Termin zu bekommen war.»
Doch Unzufriedenheit wächst auch dann, wenn Patienten lange in der Praxis warten müssen. «Ab 30 Minuten werden sie ungehalten», sagt Pflegeexperte German Quernheim, der Kliniken berät und das Buch «Warten, aber richtig!» geschrieben hat. «Warten ist immer der Punkt neben Unfreundlichkeit und fehlenden Informationen, der die Unzufriedenheit von Patienten ansteigen lässt.» Ein Patient werde mit «Einen Moment noch» ins Wartezimmer geschickt. «Dann ist es aber kein Moment, denn ein solcher beträgt maximal 90 Sekunden.»
Wichtig sei etwa in der Klinik-Notaufnahme zu wissen: «Nicht wer zuerst kommt, mahlt zuerst, sondern wer schlimmer dran ist.» Das müssten Krankenhäuser und Praxen klarmachen - am besten mehrsprachig. Es gehe um Transparenz: «Wenn der Patient den Grund gut nachvollziehen kann, hat er eher Verständnis», sagt Quernheim.
Besser sei, offen zu sagen, wenn es länger dauert. Und Patienten zum Beispiel anzubieten, dass sie in die Stadt gehen können und angerufen werden, wenn sie an der Reihe sind. Oder im Wartezimmer für Ablenkung zu sorgen, etwa durch Lektüre oder WLAN. Quernheim: «Wenn ich mich auf etwas anderes fokussiere, dann ist das Warten nicht mehr so drückend.»
Versichertenbefragung 2017 der KBV
Stiftung Patienteschutz über Patientenrecht