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Masern-Alarm! Ausbrüche häufen sich

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Köln - Fieber, Schnupfen, Hautausschlag: Masern greifen seit Jahresbeginn in mehreren Bundesländern um sich. Nun hat eine ganze Schule bei Köln geschlossen. Forderungen nach einer Impfpflicht werden laut.

Keine Impfung, keine Schule: In vielen Ländern der Welt müssen Kinder gegen eine Reihe von Infektionskrankheiten immunisiert sein, wenn sie zum Unterricht wollen. In Deutschland gibt es keine Impfpflicht, manchmal mit ungewöhnlichen Folgen: Noch bis mindestens Montag bleibt eine Waldorfschule bei Köln geschlossen, weil sich bisher elf Jugendliche mit Masern ansteckten. Es könnten noch mehr werden. Denn nur ein Viertel der Schüler hat bisher eine Impfung nachgewiesen - und die typischen roten Pusteln zeigen sich oft erst 14 Tage nach der Infektion. Auch in Berlin und Bayern gab es in diesem Jahr bereits auffällige Masern-Ausbrüche. Experten warnen davor, die Krankheit auf die leichte Schulter zu nehmen. Und auch aus der Politik sind Überlegungen zu einer Impfpflicht laut geworden.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das feste Ziel, die Masern bald auszurotten. Doch dabei steht Deutschland nicht perfekt da. Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden dem Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 1070 Fälle gemeldet, der Großteil davon in Bayern (478) und Berlin (400). Ganze Kontinente sind da weiter. „Nord- und Südamerika gelten heute laut WHO als masernfrei“, sagt Anette Siedler vom RKI-Fachgebiet Impfprävention. Häufig werde das Motto „Keine Impfung - keine Schule“ dort mit dem Rückgang von Masernerkrankungen in Verbindung gebracht.

Dass Masern-Zahlen stark schwankten, sei aber normal, erläutert Siedler. 2011 habe es in Deutschland zum Beispiel rund 1600 Fälle gegeben, 2012 nur 170. Die Zahlen hingen immer mit der Menge an Menschen zusammen, die eine Infektion bekommen könnten. „Nach regionalen Ausbrüchen sind viele Menschen immun“, ergänzt Siedler. Wenn aber zu wenig geimpft werde und Masern eine Weile nicht aufträten, sei die Bevölkerung wieder anfälliger.

Masern gelten als eine der ansteckendsten Krankheiten überhaupt. „Von 100 Menschen, die sich in einem Raum mit einer infizierten Person befinden, stecken sich 99 an“, sagte Martin Terhardt, Mitglied der Ständigen Impfkommission. Das geschehe vor allem über Tröpfcheninfektion - einmal husten oder schniefen reicht schon. Dass Masern häufig verharmlosend als Kinderkrankheit bezeichnet werden, hält Terhardt für irreführend: Rund die Hälfte der Erkrankten in diesem Jahr ist laut RKI älter als 20 Jahre.

In dieser Altersgruppe sieht Terhardt große Impflücken: „Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Impfempfehlungen über die Jahre verändert haben.“ Menschen, die vor 1970 geboren wurden, hätten die Masern oft noch selbst gehabt und seien meist immun. Danach öffnet sich eine Ost-West-Schere: Die DRR erließ 1970 eine Impfpflicht für Kinder. Die Bundesrepublik sprach 1974 lediglich eine Impfempfehlung aus. Der an die Pflicht gewöhnte Osten ließ auch nach der Wende weiterimpfen. Bis heute zeigen sich Unterschiede in den Immunisierungsraten der Bundesländer.

Bundesweit wird zudem seit 1991 auch zu einer zweiten Impfdosis geraten: „Bei etwa 5 bis 10 Prozent der Geimpften tritt nach der ersten Dosis nämlich noch kein ausreichender Schutz ein“, sagt Anette Siedler vom RKI. Die zweite Impfung sei keine Auffrischung, sondern fülle diese Lücke.

Ganz so übel steht die Bundesrepublik aber auch nicht da. „Bei den aktuellen Schulanfängern erreicht Deutschland heute fast das Ziel der WHO“, sagte Terhardt. Mehr als 90 Prozent der Kinder verfügen nach RKI-Angaben in diesem Alter über einen Impfschutz. Nach dem Schulalter stehe das Impfen aber nicht mehr Fokus. „Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich wenig für ihren Impfpass verantwortlich.“ Daher müsse auch das Bewusstsein für Impfungen bei Haus- und Frauenärzten steigen.

Terhardt sprach sich für eine Impfpflicht aus, die kürzlich auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) erwogen hatte. Man müsse allerdings differenzieren: „Die Pflicht sollte für Kinder sowie Mitarbeiter im Gesundheitswesen, in der Kinderbetreuung und Lehrer gelten“, sagt er. Das müsse auch die Konsequenz aus einem Fall an der Berliner Charité sein. Dort soll ein an Masern erkrankter Arzt einen Säugling angesteckt haben. „Dabei sind gerade Säuglinge besonders anfällig für die Spätfolgen von Masern“, sagte Terhardt. Da sie erst ab einem Alter von elf Monaten geimpft werden und auch immer weniger Mütter immun seien, gelte besondere Vorsicht - gerade wenn schon die Kleinsten in Kitas betreut würden.

Als Impfskeptiker gelten zum Beispiel gut gebildete Eltern, die auf Bio und Öko setzen. Der Masern-Ausbruch an einer Waldorfschule bei Köln zeige, dass Skeptiker sich aber auch ihrer Verantwortung für Dritte bewusst sein müssten, sagte Terhardt. Zwar sind schwere Komplikationen bei Masern selten, aber es gibt sie.

Im Juni starb ein 14-Jähriger an den Spätfolgen einer Infektion. Er hatte sich als Säugling in einem Wartezimmer mit Masern angesteckt, weil ein nicht geimpftes Kleinkind die Krankheit weitertrug. Auch ein Mädchen starb Jahre später durch diese Wartezimmer-Infektion. Auch beim RKI sagt Anette Siedler: „Die Impfung dient nicht nur dem Selbstschutz.“

Die Behauptung eines britischen Wissenschaftlers von 1998, der Impfstoff könne Autismus auslösen, gilt heute als widerlegt. Doch in sozialen Netzwerken spiegelt sich immer noch wieder, dass manche Nutzer Impfungen für krankmachend halten: In Anspielung auf die jüngste Impf-Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Deutschland sucht den Impfpass“ haben sich mehr als 2500 Menschen der Gruppe „Deutschland verbrennt den Impfpass“ angeschlossen.

dpa

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