Bei einem PSA-Wert zwischen 4 und 10 ng/ml wird etwa bei einem Drittel der Patienten Prostatakrebs festgestellt. Doch ist die Krebsgefahr bereits bei einem niedrigeren Wert erhöht. Bei einem PSA-Wert zwischen 2,5 und 4 ng/ml lässt sich etwa bei einem Viertel der Biopsierten ein Karzinom feststellen. Hinzu kommt, dass gerade die Tumore bei Patienten mit niedrigen Werten allein mit der Tastuntersuchung nur selten erkannt werden. Doch gerade dann ist der Krebs noch in 80 Prozent der Fälle auf das Organ begrenzt und gut heilbar. Ohne den PSA-Wert würde der Urologe den Tumor übersehen. Manche Spezialisten empfehlen daher, bei begründetem Verdacht und unter speziellen Voraussetzungen bereits ab dem Wert von 2,5 ng/ml eine Gewebeentnahme (Biopsie) vorzunehmen.
An dem ersten gemessenen PSA-Wert kann der Arzt auch das Risiko abschätzen, in den kommenden Jahren an Prostatakrebs zu erkranken. Generell gilt: Der PSA-Wert sollte bei einem unter 50-Jährigen unter 1 und bei einem unter 60-Jährigen unter 2 liegen. Urologen empfehlen daher, den PSA-Wert schon früh bestimmen zu lassen. Ist kein Prostatakrebs in der Familie bekannt, sollte er mit 45 erstmals bestimmt werden, ansonsten spätestens mit 40. So kann der Arzt nicht nur allein anhand eines Wertes, sondern auch aufgrund von Veränderungen entscheiden, ob eine Gewebeprobe nötig wird.
Mit Ultraschall kann der Urologe Größe, Form und die Umgebung der Prostata untersuchen. Zusätzliche Ultraschall-Verfahren, wie die Elastographie (Nachweis von Verhärtungen durch Ultraschall) verbessern die Diagnostik. Wichtig ist Ultraschall zudem, wenn eine Gewebeprobe aus der Prostata entnommen wird. Diese Prostata-Stanzbiopsie muss heute Ultraschall-gesteuert durchgeführt werden. Dabei sollten mindestens zehn bis zwölf Proben entnommen werden.
Mit modernen Verfahren, wie der Positronen-Emissions-Tomografie (PET/CT oder PET/MRT) und der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) lassen sich ebenfalls Veränderungen der Prostata sichtbar machen. Dabei können inzwischen erstaunlich gute Bilder von Gewebs- und Stoffwechselveränderungen erzeugt werden. Sie können bei der Diagnose helfen.
Derzeit laufen Studien, um zu zeigen, wie gut sich mit diesen Verfahren Diagnosen stellen lassen. Klar ist: Diese Verfahren ersetzen die Biopsie nicht, auch wenn dies im Internet oder anderen Medien manchmal zu lesen ist. Selbst in den allerbesten Händen und mit den besten Apparaten ist der Kernspin nur in etwa 72 Prozent genaue Ergebnisse. Andere Verfahren, wie etwa das „HistoScanning“ oder MRT-gesteuerte Biopsien sind bei der Suche nach Tumoren noch in Erprobung. Daher sollten diese Methoden den Betroffenen nur im Rahmen von Studien angeboten werden.
Ob ein Patient Prostatakrebs hat, lässt sich derzeit nur mit einer Methode mit Sicherheit feststellen: der Biopsie. Dies geschieht heute meist ambulant. Der Patient wird mit Schmerzzäpfchen oder einer Spritze lokal betäubt. Die Behandlung ist beinahe schmerzfrei und wird mit Ultraschall kontrolliert. Dabei werden mindestens zehn bis zwölf Proben entnommen. Der Pathologe untersucht dann das Gewebe und stellt die Diagnose. Die Gefahr, dass durch die Biopsie Krebszellen in gesunde Bereiche des Körpers verschleppt werden, ist dabei minimal. Sie liegt unter 0,07 Prozent.
Die Operation gilt oft nur dann als sinnvoll, wenn der Patient eine Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren vermuten lässt. Doch wird heute auch bei lokal fortgeschrittenen und sehr aggressiven Tumoren operiert. Das kann die Aussichten des Patienten verbessern. Nach dem Eingriff kann man zudem noch kleinste Krebsherde nachbestrahlen. Anders ist es, wenn der Tumor auf die Prostata begrenzt ist. Dann können bei der Operation die Gefäße und Nerven erhalten werden. 60 bis 70 Prozent der Männer, die in spezialisierten Zentren operiert werden, sind nach der Radikaloperation nicht impotent. Das Ergebnis ist dabei erheblich von der Erfahrung des Operateurs (es sollte mindestens 50 dieser Operationen pro Jahr selbst durchführen) und vom Zustand und Alter des Patienten abhängig. Auch den Urin zu halten, ist selten ein Problem. In Zentren sind drei bis sechs Monate nach der OP nur noch fünf Prozent der Patienten inkontinent. Auch eine Bluttransfusion ist heute nur noch selten nötig. In nicht-spezialisierten Kliniken sind die Ergebnisse deutlich schlechter. Bei den OP-Techniken gelten offene Verfahren und Eingriffe mit einem Operations-Roboter, etwa mit dem daVinci-System, als gleichwertig. Entscheidend für die Qualität des Eingriffes ist aber nicht das Verfahren, sondern das Können des Operateurs.
Die Bestrahlung gilt als eine erfolgreiche Therapie von Prostatakrebs. Doch verbessert sie die Lebenserwartung auf lange Sicht nicht so deutlich wie eine Operation. Bestrahlt werden vor allem ältere Patienten, die sich nicht mehr operieren lassen wollen.
Auch von innen kann heute bestrahlt werden. Bei der sogenannten Brachytherapie (LDR-Brachytherapie) werden kleine radioaktive Kapseln direkt in die Prostata und den Tumor eingesetzt. Diese zeitsparende Therapie wird auch jüngeren Patienten angeboten, die Nebenwirkungen wie Impotenz vermeiden wollen. Doch eignet sich diese Therapie nicht für jeden. Große Studien zu Überlebensraten von mehr als 15 Jahren liegen bisher nicht vor. Der Anteil der Patienten, die fünf Jahre nach der Therapie impotent sind, liegt bei 40 bis 85 Prozent. Die Bestrahlung wird oft als Therapie gewählt, da sie scheinbar weniger Nebenwirkungen hat als die Operation. Doch sind Schäden nicht so selten wie oft angenommen. So kann es zu Strahlenschäden am Darm oder Beschwerden beim Wasserlassen kommen. Auch Impotenz und Inkontinenz als Komplikationen sind nicht selten.
Statt sofort zu behandeln, gibt es heute auch die Möglichkeit des aktiven Überwachens (active surveillance): Dabei wird der Patient in kurzen Abständen regelmäßig untersucht. Dabei wird der PSA-Wert bestimmt, die Prostata über den Enddarm abgetastet und Kontroll-Prostata-Stanzbiopsien durchgeführt. So kann bei kleinsten Veränderungen sofort eine Therapie, etwa eine Operation oder eine Bestrahlung, durchgeführt werden. Diese aktive Überwachung sollte aber nur von einem absoluten Spezialisten durchgeführt werden. Sie eignet sich zudem nur für Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom mit sehr geringer Tumorlast. Voraussetzung ist außerdem, dass die Aggressivität des Tumors gering und der PSA-Wert niedrig ist.
Entscheiden sich Patient und Arzt gegen eine Operation oder Bestrahlung, oder sind bereits Metastasen vorhanden, kann eine Hormontherapie erfolgen. Eine Behandlung mit Hormonen verlängert in den meisten Fällen das Leben nicht, kann aber Beschwerden lindern, hat aber Nebenwirkungen.
Der Autor Priv.-Doz. Dr. Michael Seitz war lange Zeit Oberarzt in der Urologischen Klinik des Uniklinikums Großhadern und leitet heute die Praxis „UroClinic Bogenhausen“ in München.
Michael Seitz
Prostata: Kleines Organ mit vielen Aufgaben