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Prostatakrebs: Wie Vorsorge Leben rettet

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Urologe Dr. Michael Seitz
Im Ultraschallbild kann Dr. Michael Seitz Veränderungen in der Prostata gut erkennen. © Marcus Schlaf

Es ist die wohl gefürchtetste Krankheit des Mannes: Prostatakrebs. Vor wenigen Tagen erlag der Kabarettist Dieter Hildebrandt dem tückischen Tumor. Doch Vorsorge kann vielen das Leben retten.

Prostatakrebs ist durchaus heilbar– doch nur, wenn er früh erkannt wird. Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 60.000 Männer an Prostatakrebs. Im Jahr 2011 stand der bösartige Tumor an sechster Stelle der häufigsten Todesursachen beim Mann. Doch ist die Krankheit keineswegs immer tödlich. Früh erkannt, lässt sie sich gut behandeln. Ohne Vorsorge-Untersuchungen ist dies allerdings nur selten der Fall: Denn der Patient spürt meist lange nichts von seiner Erkrankung.

Warum ist Vorsorge so wichtig?

In einem frühen, lokal begrenzten Stadium sind Tumore der Prostata in den meisten Fällen heilbar. Doch bemerkt der Betroffene die Erkrankung dann noch nicht. Bei einer Vorsorge-Untersuchung kann der Krebs allerdings frühzeitig entdeckt werden. Hat der Tumor indes bereits Metastasen, also Absiedelungen außerhalb der Vorsteherdrüse, gebildet, ist Heilung kaum mehr möglich. Doch typischerweise treten erst dann Beschwerden auf: Der Urinstrahl wird dünn, vor allem nachts muss man oft Wasser lassen. Erektionsstörungen können auftreten und es kann Blut im Urin sein. Oft treten Knochenschmerzen an Wirbelsäule und Becken auf.

Die Kasse zahlt nur die Tastuntersuchung

Seit mehr als 30 Jahren ist das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen bei der Prostatakrebs-Vorsorge nicht erweitert worden: Ab einem Alter von 45 Jahren kann sich demnach jeder Mann auf Kosten der Krankenkasse die Prostata untersuchen lassen. Dazu gehört, dass der Arzt die Krankengeschichte des Patienten erfragt und Veränderungen und Beschwerden ermittelt. Schließlich tastet er die Prostata über den Enddarm ab. Zusätzliche wichtige Untersuchungen zahlt die Kasse indes nicht. Dabei können ein PSA-Test und eine Untersuchung mit Ultraschall (TRUS) über den Enddarm die Vorsorge deutlich verbessern.

PSA-Test sollte Teil der Vorsorge sein

Über den Enddarm lässt sich die Prostata einfach und kostengünstig untersuchen. Leider ist die Methode nicht sicher. Wird die Prostata bei der Vorsorge nur abgetastet, entdeckt der Arzt nur 37 Prozent der Krebs-Erkrankungen. Es ist daher unbedingt empfehlenswert, zusätzlich den PSA-Wert bestimmen zu lassen. Dazu nimmt der Arzt dem Patienten Blut ab. Dann wird ermittelt, wie viel PSA (prostataspezifisches Antigen) es enthält. Dieses Eiweiß wird bei verschiedenen Erkrankungen der Prostata ins Blut abgegeben. Die Kassen übernehmen die Kosten für diesen Test allerdings nur, wenn bereits ein Krebsverdacht besteht, der Arzt bereits einen Knoten oder andere Veränderungen ertastet hat.

Ein erhöhter PSA-Wert bedeutet aber nicht zwingend, dass der Patient Krebs hat. Er kann auch bei gutartigen Erkrankungen erhöhte Werte zeigen. Trotzdem lässt sich Prostatakrebs so zuverlässiger feststellen als durch das Abtasten über den Enddarm.

Wann ist der PSA-Wert bedenklich?

Wenngleich der PSA-Wert immer wieder in der Kritik geraten ist, hat er die Prostatakrebs-Früherkennung erheblich verbessert. Generell gilt ein PSA-Wert von mehr als 4 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter) als ein mögliches Anzeichen für Krebs. Doch erscheint dieser Grenzwert recht willkürlich und ist auch vom gewählten Laborverfahren abhängig.

Bei Krebs-Operationen unterstützt den Chirurgen ein Roboter.
Bei Krebs-Operationen unterstützt den Chirurgen ein Roboter. © Schlaf Marcus

Bei einem PSA-Wert zwischen 4 und 10 ng/ml wird etwa bei einem Drittel der Patienten Prostatakrebs festgestellt. Doch ist die Krebsgefahr bereits bei einem niedrigeren Wert erhöht. Bei einem PSA-Wert zwischen 2,5 und 4 ng/ml lässt sich etwa bei einem Viertel der Biopsierten ein Karzinom feststellen. Hinzu kommt, dass gerade die Tumore bei Patienten mit niedrigen Werten allein mit der Tastuntersuchung nur selten erkannt werden. Doch gerade dann ist der Krebs noch in 80 Prozent der Fälle auf das Organ begrenzt und gut heilbar. Ohne den PSA-Wert würde der Urologe den Tumor übersehen. Manche Spezialisten empfehlen daher, bei begründetem Verdacht und unter speziellen Voraussetzungen bereits ab dem Wert von 2,5 ng/ml eine Gewebeentnahme (Biopsie) vorzunehmen.

An dem ersten gemessenen PSA-Wert kann der Arzt auch das Risiko abschätzen, in den kommenden Jahren an Prostatakrebs zu erkranken. Generell gilt: Der PSA-Wert sollte bei einem unter 50-Jährigen unter 1 und bei einem unter 60-Jährigen unter 2 liegen. Urologen empfehlen daher, den PSA-Wert schon früh bestimmen zu lassen. Ist kein Prostatakrebs in der Familie bekannt, sollte er mit 45 erstmals bestimmt werden, ansonsten spätestens mit 40. So kann der Arzt nicht nur allein anhand eines Wertes, sondern auch aufgrund von Veränderungen entscheiden, ob eine Gewebeprobe nötig wird.

Ultraschall der Prostata

Mit Ultraschall kann der Urologe Größe, Form und die Umgebung der Prostata untersuchen. Zusätzliche Ultraschall-Verfahren, wie die Elastographie (Nachweis von Verhärtungen durch Ultraschall) verbessern die Diagnostik. Wichtig ist Ultraschall zudem, wenn eine Gewebeprobe aus der Prostata entnommen wird. Diese Prostata-Stanzbiopsie muss heute Ultraschall-gesteuert durchgeführt werden. Dabei sollten mindestens zehn bis zwölf Proben entnommen werden.

Diagnose durch PET und Kernspin

Mit modernen Verfahren, wie der Positronen-Emissions-Tomografie (PET/CT oder PET/MRT) und der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) lassen sich ebenfalls Veränderungen der Prostata sichtbar machen. Dabei können inzwischen erstaunlich gute Bilder von Gewebs- und Stoffwechselveränderungen erzeugt werden. Sie können bei der Diagnose helfen.

Derzeit laufen Studien, um zu zeigen, wie gut sich mit diesen Verfahren Diagnosen stellen lassen. Klar ist: Diese Verfahren ersetzen die Biopsie nicht, auch wenn dies im Internet oder anderen Medien manchmal zu lesen ist. Selbst in den allerbesten Händen und mit den besten Apparaten ist der Kernspin nur in etwa 72 Prozent genaue Ergebnisse. Andere Verfahren, wie etwa das „HistoScanning“ oder MRT-gesteuerte Biopsien sind bei der Suche nach Tumoren noch in Erprobung. Daher sollten diese Methoden den Betroffenen nur im Rahmen von Studien angeboten werden.

Sichere Diagnose nur durch Biopsie

Ob ein Patient Prostatakrebs hat, lässt sich derzeit nur mit einer Methode mit Sicherheit feststellen: der Biopsie. Dies geschieht heute meist ambulant. Der Patient wird mit Schmerzzäpfchen oder einer Spritze lokal betäubt. Die Behandlung ist beinahe schmerzfrei und wird mit Ultraschall kontrolliert. Dabei werden mindestens zehn bis zwölf Proben entnommen. Der Pathologe untersucht dann das Gewebe und stellt die Diagnose. Die Gefahr, dass durch die Biopsie Krebszellen in gesunde Bereiche des Körpers verschleppt werden, ist dabei minimal. Sie liegt unter 0,07 Prozent.

OP mit Entfernung der Prostata

Die Operation gilt oft nur dann als sinnvoll, wenn der Patient eine Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren vermuten lässt. Doch wird heute auch bei lokal fortgeschrittenen und sehr aggressiven Tumoren operiert. Das kann die Aussichten des Patienten verbessern. Nach dem Eingriff kann man zudem noch kleinste Krebsherde nachbestrahlen. Anders ist es, wenn der Tumor auf die Prostata begrenzt ist. Dann können bei der Operation die Gefäße und Nerven erhalten werden. 60 bis 70 Prozent der Männer, die in spezialisierten Zentren operiert werden, sind nach der Radikaloperation nicht impotent. Das Ergebnis ist dabei erheblich von der Erfahrung des Operateurs (es sollte mindestens 50 dieser Operationen pro Jahr selbst durchführen) und vom Zustand und Alter des Patienten abhängig. Auch den Urin zu halten, ist selten ein Problem. In Zentren sind drei bis sechs Monate nach der OP nur noch fünf Prozent der Patienten inkontinent. Auch eine Bluttransfusion ist heute nur noch selten nötig. In nicht-spezialisierten Kliniken sind die Ergebnisse deutlich schlechter. Bei den OP-Techniken gelten offene Verfahren und Eingriffe mit einem Operations-Roboter, etwa mit dem daVinci-System, als gleichwertig. Entscheidend für die Qualität des Eingriffes ist aber nicht das Verfahren, sondern das Können des Operateurs.

Bestrahlung von außen und innen

Die Bestrahlung gilt als eine erfolgreiche Therapie von Prostatakrebs. Doch verbessert sie die Lebenserwartung auf lange Sicht nicht so deutlich wie eine Operation. Bestrahlt werden vor allem ältere Patienten, die sich nicht mehr operieren lassen wollen.

Auch von innen kann heute bestrahlt werden. Bei der sogenannten Brachytherapie (LDR-Brachytherapie) werden kleine radioaktive Kapseln direkt in die Prostata und den Tumor eingesetzt. Diese zeitsparende Therapie wird auch jüngeren Patienten angeboten, die Nebenwirkungen wie Impotenz vermeiden wollen. Doch eignet sich diese Therapie nicht für jeden. Große Studien zu Überlebensraten von mehr als 15 Jahren liegen bisher nicht vor. Der Anteil der Patienten, die fünf Jahre nach der Therapie impotent sind, liegt bei 40 bis 85 Prozent. Die Bestrahlung wird oft als Therapie gewählt, da sie scheinbar weniger Nebenwirkungen hat als die Operation. Doch sind Schäden nicht so selten wie oft angenommen. So kann es zu Strahlenschäden am Darm oder Beschwerden beim Wasserlassen kommen. Auch Impotenz und Inkontinenz als Komplikationen sind nicht selten.

Was bedeutet aktives Überwachen?

Statt sofort zu behandeln, gibt es heute auch die Möglichkeit des aktiven Überwachens (active surveillance): Dabei wird der Patient in kurzen Abständen regelmäßig untersucht. Dabei wird der PSA-Wert bestimmt, die Prostata über den Enddarm abgetastet und Kontroll-Prostata-Stanzbiopsien durchgeführt. So kann bei kleinsten Veränderungen sofort eine Therapie, etwa eine Operation oder eine Bestrahlung, durchgeführt werden. Diese aktive Überwachung sollte aber nur von einem absoluten Spezialisten durchgeführt werden. Sie eignet sich zudem nur für Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom mit sehr geringer Tumorlast. Voraussetzung ist außerdem, dass die Aggressivität des Tumors gering und der PSA-Wert niedrig ist.

Therapie mit Hormonen

Entscheiden sich Patient und Arzt gegen eine Operation oder Bestrahlung, oder sind bereits Metastasen vorhanden, kann eine Hormontherapie erfolgen. Eine Behandlung mit Hormonen verlängert in den meisten Fällen das Leben nicht, kann aber Beschwerden lindern, hat aber Nebenwirkungen.

Der Autor Priv.-Doz. Dr. Michael Seitz war lange Zeit Oberarzt in der Urologischen Klinik des Uniklinikums Großhadern und leitet heute die Praxis „UroClinic Bogenhausen“ in München.

Michael Seitz

Prostata: Kleines Organ mit vielen Aufgaben

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