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Wieder schmerzfrei zupacken dank OP

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Endlich schmerzfrei: Dr. Kai Megerle zeigt Sam E., an welcher Stelle der Hand die Ursache für seine Beschwerden saß.
Endlich schmerzfrei: Dr. Kai Megerle zeigt Sam E., an welcher Stelle der Hand die Ursache für seine Beschwerden saß. © Schlaf Marcus

Der Daumen macht die menschliche Hand zum hochpräzisen Werkzeug. Doch Arthrose im Sattelgelenk führt oft zu starken Beschwerden. Eine Operation kann Betroffene wieder schmerzfrei machen.

Der Handschlag von Sam E. ist kräftig. Noch vor einem Jahr hätte er seine Hand nur zögerlich gereicht. Zu groß waren die Schmerzen, die jede Bewegung verursachen konnte. Die Ursache saß im Daumen. Hier hatte starker Gelenkverschleiß den Knorpel zerstört. Seitlich an den Händen sieht man noch die Narben der Operation Die Wunden sind verheilt, die Schmerzen Vergangenheit. „Es ist wie ein Traum“, sagt der 61-Jährige – und küsst seine Hände.

Arthrose im Sattelgelenk des Daumens

 „Meine Hände sind mein Kapital“, sagt Sam E. Als Physiotherapeut waren sie viele Jahre lang seine Arbeitsgrundlage. Doch vor zwei Jahren begannen die Probleme: Schmerzen bei fast jeder Bewegung. Sam E. versuchte, sich selbst zu helfen. Schließlich ist er Experte, was Probleme mit Gelenken angeht. Er probierte es mit Kälteanwendungen, Handmassage, Krankengymnastik. Doch nichts half. Als Physiotherapeut zu arbeiten – daran war bald nicht mehr zu denken. Doch auch der Alltag war kaum mehr zu bewältigen. „Ich konnte keine Kartoffel mehr schälen, keinen Teller mehr waschen“, erzählt er. Um überhaupt noch Zähne putzen zu können, musste er sich eine elektrische Bürste kaufen. Jede Bewegung, bei der er zugreifen musste, war fast unmöglich. Ständig schoss der Schmerz ein. „Ich hatte mehrere Rücken-OPs“, erzählt Sam E. Doch das sei nicht so schlimm gewesen. Schließlich fühlte er sich wie ein Invalide. „Ich haben geweint vor Schmerzen“, sagt er.

Großes Vertrauen hat Sam E. zu seiner Hausärztin Dr. Elisabeth Horowitz. Sie nahm seine Beschwerden ernst und schickte ihn schließlich zu dem Orthopäden Dr. Ulrich Sonnekalb. „Beide Ärzte waren toll“, sagt Sam E. und bittet darum, sie zu nennen. Im Röntgenbild zeigte sich eine starke Rizarthrose, eine Arthrose im Daumensattelgelenk. Das sitzt unten am Daumenballen. Gebildet wird es von dem sogenannten großen Vieleckbein, das zu den Handwurzelknochen gehört, und der Basis des ersten Mittelhandknochens. Akupunktur linderte Sam E.s Schmerzen ein wenig und gab ihm wieder Hoffnung. Doch bald war klar: Nur mit einer Operation konnte man die starken Beschwerden langfristig in den Griff bekommen.

Sein Arzt schickte ihn in die Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie des Klinikums rechts der Isar München. Hier empfahl Dr. Kai Megerle Sam E. eine bewährte Methode: „Viele Hausärzte wissen nicht, dass es diese Operation überhaupt gibt“, sagt Megerle. Dabei ist Arthrose im Sattelgelenk des Daumens durchaus häufig, nicht nur bei Menschen, die ihre Hände stark belasten. „Da reicht schon normale Hausarbeit“, sagt Megerle.

Mitschuld an der Anfälligkeit ist die Entwicklungsgeschichte des Menschen. „Das Daumensattelgelenk ist noch recht jung“, erklärt Megerle. Erst spät im Laufe der Evolution veränderte sich der Daumen so, dass er sich den anderen Fingern der Hand gegenüberstellen ließ. Das ermöglichte es dem Menschen nicht nur, kraftvoll zuzupacken. Es machte die Hand auch zu einem hochpräzisen Werkzeug. Das Sattelgelenk, verantwortlich für die große Beweglichkeit des Daumens, wurde so aber auch stärker belastet. Der Preis ist häufiger Verschleiß.

Sam E. bekam das schmerzhaft zu spüren. Doch war er der OP gegenüber dennoch skeptisch. Er fühlte sich unsicher, hatte Angst davor, vielleicht nie wieder zugreifen zu können. „Doch der Doktor war geduldig mit mir“, sagt er und lacht. Vier Mal habe er mit ihm über die Methode gesprochen, ihm alles erklärt.

„Der Eingriff ist heute Standard“, sagt Megerle. Von der Seite des Daumenballens gelangt der Chirurg über drei bis vier Zentimeter lange Schnitte zum Gelenk. Dort entfernt er das große Vieleckbein. So reibt Knochen nicht mehr auf Knochen. Der Körper füllt die entstandene Lücke langsam mit Narbengewebe, das eine Art Ersatzknorpel bildet. Damit der Daumen nicht zu weit nach hinten rutscht, wird bei der OP ein Sehnenstreifen um den Knochen geschlungen, der ihn stabilisiert. Mediziner sprechen von Resektions-Suspensionsarthroplastik.

Sam E. wollte all dies genau wissen. Er druckte sich sogar eine Doktorarbeit über die Operation aus. „Mir ist das lieber, als wenn sich jemand gar nicht damit beschäftigt“, sagt Megerle und lacht. Schließlich war sein Patient überzeugt. Im August ließ er zunächst seine rechte Hand operieren. „Bis es richtig gut ist, braucht man etwas Geduld“, sagt Megerle. Etwa ein halbes, manchmal auch ein ganzes Jahr dauert es, bis man wieder fest und schmerzfrei zugreifen kann. „Aber dann ist die OP fast immer ein Erfolg.“

Sam E. war von dem Ergebnis sofort begeistert: „Die Schmerzen waren weg“, erzählt er. Etwas Wundschmerz habe er gespürt. Aber kein Vergleich zu den Qualen zuvor. Sam E. bekam eine Plastikschiene. Die erste reichte bis zum Unterarm, wurde aber bald durch eine kleinere ersetzt. Sechs Wochen blieb der Daumen ruhiggestellt. Dann begann die Krankengymnastik. Ein halbes Jahr musste Sam E. warten, bis er den zweiten OP-Termin vereinbaren konnte. „Ich habe keinen Tag länger gewartet“, sagt er.

Heute kann er wieder nach einer Flasche greifen, Freunden die Hand schütteln. Als Physiotherapeut wird Sam E. nicht mehr arbeiten. Doch er hat sein Leben zurück. „Und das ist so viel schöner ohne Schmerzen“, sagt er.

Von Sonja Gibis

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