Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim weiß die größere Flexibilität, das Mehr an Eigenverantwortung und die größere Familienfreundlichkeit von mobilem Arbeiten zu schätzen, sagt aber auch: «Die gesteigerte Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort fordert gleichzeitig Selbstmanagement, Fingerspitzengefühl und insbesondere Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem.»
Deutschland hat einiges aufzuholen
Rinne vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit sieht Deutschland im internationalen Vergleich im «unteren Mittelfeld». Skandinavien, die Niederlande, Großbritannien, Österreich und Frankreich seien weiter. Das liege vermutlich daran, dass Deutschland bei der Digitalisierung und dem Wertewandel nicht gerade Vorreiter sei. «Und in Deutschland ist die Präsenzkultur eher ausgeprägt», erklärt Rinne.
Auch Sabine Wolter vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg verortet Deutschland im «unteren Mittelfeld» und führt als Grund die Wirtschaftsstruktur an. Hierzulande gebe es einen großen Industriesektor, anders als in Skandinavien oder den Niederlanden. Führungskräfte arbeiteten noch immer häufiger zumindest zeitweise im Homeoffice. «Es sind vor allem Nicht-Führungskräfte, die in den letzten Jahren aufgeholt haben.»
Umdenken bei mittelständischen Unternehmen nötig
Drastischere Worte wählt der Münchener Headhunter Peter-Alexander Rapp. «Deutschland ist weit abgeschlagen, was das Thema Smart Work angeht.» Das liege etwa an der vielerorts mittelständisch geprägten Firmenlandschaft. Speziell in mittelständischen Unternehmen abseits der Metropolen sei ein deutliches Umdenken nötig, Jobkandidaten verlangten heutzutage einfach solche Dinge. Es brauche ein ganzes Sammelsurium an Anreizen, um an begehrte Fachkräfte zu kommen. In manchen Unternehmen gebe es Streit zwischen Personalern und eher traditionell denkenden Firmenchefs. Letzterer denke oft noch, dass Arbeitnehmer zuhause weniger arbeiteten und andere Dinge erledigten.
Dass es auch in vergleichsweise kleinen Unternehmen funktionieren kann, zeige etwa der Arzneimittelhersteller Hevert in Nussbaum im Kreis Bad Kreuznach, lobt Sabine Mesletzky, Teamleiterin Fachkräftesicherung bei der Koblenzer IHK. Hier ist in allen Vollzeit-Arbeitszeitmodellen eine Kombination mit Homeoffice-Tagen denkbar, solange es die Stelle und Organisation zulässt, wie Personalleiter Thomas Buss erklärt. Auch Hevert berichtet, dass Arbeitnehmer verstärkt eine flexible Gestaltung der Arbeit fordern.
Headhunter Rapp sieht bei auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen eine «neue Bedürfnisskala». «Da steht der Job nicht mehr an oberster Stelle.» Für «Smart Work» - vom Homeoffice, über mobiles Arbeiten bis hin zu anderen Formen der Flexibilisierung, brauche es klare Regeln und Grenzen - sonst werde es kontraproduktiv. «Sie können als Unternehmen nicht jeden Wunsch erfüllen.»