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Auschwitz und der Ort Oswiecim: Todeslager und Stadtleben

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Oswiecim (dpa/tmn) - Vor 70 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee die letzten Häftlinge von Auschwitz. Heute zieht das einstige Todeslager viele Touristen an - und das Städtchen Oswiecim sucht nach Normalität und Erinnerung.

«Arbeit macht frei» steht über dem Eingang zum Lager - eine zynische Parole: In Auschwitz wurden mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet. Foto: Eva Krafczyk
1 / 7«Arbeit macht frei» steht über dem Eingang zum Lager - eine zynische Parole: In Auschwitz wurden mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet. Foto: Eva Krafczyk © Eva Krafczyk
Entlang des Stacheldrahtes: Der touristische Rundgang durch Auschwitz ist bei Besuchern in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Foto: Eva Krafczyk
2 / 7Entlang des Stacheldrahtes: Der touristische Rundgang durch Auschwitz ist bei Besuchern in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Foto: Eva Krafczyk © Eva Krafczyk
Einiges ist zerstört, aber viele Baracken stehen noch - Auschwitz-Birkenau war das größte Vernichtungslager im Nationalsozialismus. Foto: Auschwitz-Birkenau State Museum/Pawel Sawicki
3 / 7Einiges ist zerstört, aber viele Baracken stehen noch - Auschwitz-Birkenau war das größte Vernichtungslager im Nationalsozialismus. Foto: Auschwitz-Birkenau State Museum/Pawel Sawicki © Pawel Sawicki
Hier wurden die Gefangenen entladen, im Hintergrund sieht man den Eingang zum Lager. Foto: Auschwitz-Birkenau State Museum/Pawel Sawicki
4 / 7Hier wurden die Gefangenen entladen, im Hintergrund sieht man den Eingang zum Lager. Foto: Auschwitz-Birkenau State Museum/Pawel Sawicki © Pawel Sawicki
Mahnmal: Wachtürme und Zaunsystem des ehemaligen Vernichtungslagers sind noch erhalten. Foto: Polnisches Fremdenverkehrsamt
5 / 7Mahnmal: Wachtürme und Zaunsystem des ehemaligen Vernichtungslagers sind noch erhalten. Foto: Polnisches Fremdenverkehrsamt © Polnisches Fremdenverkehrsamt
Blick in die Baracken des ehemaligen Vernichtungslagers: Die Menschen wurden hier unter elenden Bedingungen eingepfercht. Foto: Auschwitz-Birkenau State Museum/Pawel Sawicki
6 / 7Blick in die Baracken des ehemaligen Vernichtungslagers: Die Menschen wurden hier unter elenden Bedingungen eingepfercht. Foto: Auschwitz-Birkenau State Museum/Pawel Sawicki © Pawel Sawicki
«Never again» - niemals wieder: In Auschwitz wird der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur gedacht. Foto: Eva Krafczyk
7 / 7«Never again» - niemals wieder: In Auschwitz wird der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur gedacht. Foto: Eva Krafczyk © Eva Krafczyk

Es ist ruhig und beschaulich auf dem Marktplatz von Oswiecim. Die Busse der Tourveranstalter in Krakau, 60 Kilometer entfernt, machen einen Bogen um die südpolnische Kleinstadtidylle. Sie steuern jenen Ort an, der Oswiecim seit mehr als 70 Jahren überschattet: Auschwitz. Mehr als 1,5 Millionen Menschen haben Auschwitz-Birkenau, das größte der deutschen Vernichtungslager, im vergangenen Jahr besucht - ein neuer Rekord. Das Lager steht auf der To-do-Liste vieler Krakau-Besucher.

Als Mahnmal verfehlt es seine Wirkung nicht. «Es war ein bisschen gruselig», sagt der 17-jährige Finn aus Geesthacht bei Hamburg, der mit seiner Klasse zu einer mehrtägigen Gedenkstättenfahrt in Auschwitz ist. «Da kriegt man schon weiche Knie, wenn man plötzlich vor all den Brillen oder Schuhen steht und weiß, die gehörten den Toten. Das ist ein ganz anderes Gefühl, als davon im Geschichtsunterricht zu hören.»

Finn und seine Mitschüler sind für ein paar Tage in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim zu Gast. Maria Pedrak, stellvertretende Stadtpräsidentin, kennt den Schatten, den das Lager Auschwitz lange Jahre auf das Städtchen Oswiecim geworfen hat: «Wer gerade erst vor den Haaren der Ermordeten oder den Ruinen der Gaskammern gestanden hat, der hat keine Lust, in Oswiecim ein Café oder eine Kneipe zu besuchen. Das verstehe ich.»

Noch vor 10 oder 15 Jahren schien Oswiecim in der Erinnerung gefangen. Wenn es um die Ansiedlung neuer Investoren ging, war der Name Auschwitz mitunter ein Stigma. Doch mittlerweile erinnert die Stadt zunehmend selbstbewusst daran, dass ihre Geschichte nicht allein aus den Jahren besteht, in denen unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg mehr als 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz ermordet wurden. «Oswiecim ist älter als Krakau», sagt Pedrak.

Im Schlossmuseum am Rande der Altstadt wird die Erinnerung an das alte Oswiecim der Vorkriegszeit wach gerufen, das galizische Städtchen, in dem ein großer Teil der Einwohner Juden waren. Eine Wandtafel am Marktplatz erinnert an die jüdischen Familien, die hier Handel trieben.

Im Umgang mit Antisemitismus gebe es in Oswiecim deutlich höhere Sensibilität als in manch anderer polnischer Stadt, meint Tomasz Kuncewicz, Leiter des Jüdischen Zentrums in Oswiecim. «Es gibt hier nicht die Art von Graffiti, die anderswo nur allzu häufig sind.» Ein Teil des Zentrums ist die wiederhergestellte Synagoge. «Der letzte jüdische Einwohner von Oswiecim ist kurz vor der Eröffnung des Zentrums gestorben», erzählt Kuncewicz. «Aber wenn jüdische Besuchergruppen hierherkommen, haben sie eine Synagoge, um zu beten.»

Doch einige alte Verbindungen wurden wieder aufgenommen, berichtet Kuncewicz. Eine jüdische Familie, die noch in letzter Minute den Nazis entkommen konnte, habe mittlerweile eine Wohnung erworben und verbringe mehrere Wochen im Jahr in der Stadt. «Und der Enkel hat ein Jahr lang bei uns als Freiwilliger gearbeitet.»

Als Freiwillige der Aktion Sühnezeichen arbeitet auch die 18-jährige Gesine aus dem brandenburgischen Havel seit September in dem Zentrum in Oswiecim. «Das ist eine ganz normale Kleinstadt», sagt sie über ihr Leben in Oswiecim. Wie viele ihrer polnischen Freunde aus dem Ort ist sie mitunter genervt, wenn sie gefragt wird, ob es nicht furchtbar sei, hier zu leben, mit dem einstigen Todeslager vor der Haustür. Vor ihrer Ankunft habe sie sich das allerdings auch gefragt. «Aber ich habe festgestellt, dass man hier lebt und nicht jeden Tag an Auschwitz denkt.» 

Infos zur Gedenkstätte Auschwitz (engl./poln.)

Webseite der Stadt Oswiecim (engl./poln.)

Jüdisches Zentrum (engl./poln.)

Internationale Jugendbegegnungsstätte

Mehr zum Schlossmuseum (poln.)

Am einfachsten ist es, einen Besuch in der Gedenkstätte bei einem der zahlreichen Tourveranstalter in Krakau zu buchen, die ganztägige Besuche in mehreren Sprachen anbieten. Wer das Lager alleine besichtigen will, kann mit Bus oder Bahn anreisen. Das dauert 1,5 bis 2,5 Stunden. Zwischen dem Stammlager Auschwitz und Birkenau verkehren Pendelbusse.

Der Eintritt in die Gedenkstätte ist kostenlos, die Teilnahme an einer Führung kostet in der Regel umgerechnet etwa 10 Euro. Das Stadtzentrum von Oswiecim ist leicht zu Fuß zu erkunden. Synagoge, Marktplatz und Schloss sind nur wenige hundert Meter voneinander entfernt.

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