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Kreidesee lockt Taucher aus der ganzen Welt an

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Der Kreidesee nahe Cuxhaven gilt unter Tauchern als legendär: Die Sicht liegt bei bis zu 40 Metern. Zu entdecken gibt es ein versenktes Flugzeug, einen Plastikhai, einen Lkw. Immer wieder verunglücken dort aber auch Taucher, die aus der ganzen Welt kommen.

Der Kreidesee im Landkreis Cuxhaven ist auch überregional bei Tauchern beliebt. Foto: Sina Schuldt/dpa
1 / 7Der Kreidesee im Landkreis Cuxhaven ist auch überregional bei Tauchern beliebt. Foto: Sina Schuldt/dpa © Sina Schuldt
Ein Taucher nähert sich im Kreidesee einem zu Tauchzwecken versenkten Segelboot. Foto: Julian Mühlenhaus/dpa
2 / 7Ein Taucher nähert sich im Kreidesee einem zu Tauchzwecken versenkten Segelboot. Foto: Julian Mühlenhaus/dpa © Julian Mühlenhaus
Ein Taucher nähert sich im Kreidesee einem zu Tauchzwecken versenkten LKW, der auf einer Straße zu stehen scheint. Foto: Julian Mühlenhaus/dpa
3 / 7Ein Taucher nähert sich im Kreidesee einem zu Tauchzwecken versenkten LKW, der auf einer Straße zu stehen scheint. Foto: Julian Mühlenhaus/dpa © Julian Mühlenhaus
Oude Egbrink taucht im Kreidesee. Der See im Landkreis Cuxhaven ist auch überregional bei Tauchern beliebt. Foto: Sina Schuldt/dpa
4 / 7Oude Egbrink taucht im Kreidesee. Der See im Landkreis Cuxhaven ist auch überregional bei Tauchern beliebt. Foto: Sina Schuldt/dpa © Sina Schuldt
Der Kreidesee, aufgenommen mit einer Drohne. Foto: Sina Schuldt/dpa
5 / 7Der Kreidesee, aufgenommen mit einer Drohne. Foto: Sina Schuldt/dpa © Sina Schuldt
Der See im Landkreis Cuxhaven ist auch überregional bei Tauchern beliebt. Foto: Sina Schuldt/dpa
6 / 7Der See im Landkreis Cuxhaven ist auch überregional bei Tauchern beliebt. Foto: Sina Schuldt/dpa © Sina Schuldt
Die beiden Frauen aus Polen bereiten sich auf den Tauchgang im Kreidesee vor. Foto: Sina Schuldt/dpa
7 / 7Die beiden Frauen aus Polen bereiten sich auf den Tauchgang im Kreidesee vor. Foto: Sina Schuldt/dpa © Sina Schuldt

Hemmoor (dpa) - Mit schnellen, geübten Bewegungen streifen sich Anna Wisniowska und Agnieszka Hrywniak ihre Tauchjackets mit Druckluftflaschen und Atemregler über. Ans Handgelenk kommt der Tauchcomputer, an die Füße die Flossen.

Über 600 Kilometer haben die 45-jährigen Frauen vom polnischen Ostseebad Ustka zurückgelegt, um im Kreidesee in Hemmoor im Landkreis Cuxhaven eine Woche lang zu tauchen. Mit ihrem Club «Alpha Team» waren sie schon an vielen Tauchorten: in Indonesien, in Norwegen, zuletzt im März in Sansibar - und nun das erste Mal in Hemmoor. «Wir haben gehört, dass der Platz hier sehr gut ist», sagt Anna Wisniowska auf Englisch.

Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht. «Das Wasser ist klar und es gibt sehr interessante Sachen zu entdecken», sagt die Sporttaucherin, bevor sie mit ihrer Tauchpartnerin von einem Holzsteg in den klaren, türkis schimmernden, 33 Hektar großen und bis zu 60 Meter tiefen See springt.

Der Kreidesee ist einer der beliebtesten Tauchspots in Deutschland, jährlich kommen über 30.000 Menschen aus der ganzen Welt. Auf dem Gelände gibt es eine Tauchbasis, einen Campingplatz und mehrere Ferienhäuser. «Der See ist legendär», sagt Barbara Brost, die die Schule «Tauchteam Wasserfest Hannover» leitet, und regelmäßig nach Hemmoor fährt. «Die Sichtweite ist super, das sind schon fast tropische Verhältnisse.» Außerdem werde viel Unterhaltung unter Wasser geboten, darunter eine freischwebende Piper 28 sowie ein sieben Meter langer Plastikhai. «Wenn die Sonne durch das Wasser auf den Flieger fällt, ist das ein spektakuläres Fotomotiv», schwärmt Brost.

Mehrfach wurde der Kreidesee schon als beste «Tauchbasis Deutschland, Österreich und der Schweiz» mit dem «Tauchen Award» ausgezeichnet. Das Gewässer ist deshalb so klar, weil dort bis 1976 Kreide für die Zementproduktion abgebaut wurde. Nach der Stilllegung füllte sich die Grube mit Wasser. Weil dieses leicht basisch ist und wenig Plankton hat, schimmert es türkis. Industrierelikte unter Wasser wie Lkw-Rampen, Förderbänder sowie ein «Rüttler» - ein Betongebäude mit Brücke und unterirdischen Gängen - zeugen von der Tagebau-Vergangenheit.

Der Betreiber, der ehemalige Berufstaucher Holger Schmoldt, entdeckte den See Ende der 1980er Jahre. Er verliebte sich in das Gewässer und baute es zum Tauchspot aus. Im Laufe der Zeit versenkte er immer mehr Attraktionen: Autos, Wohnwagen, Lkw, ein Segelboot - und den Flieger. «Ein freischwebendes Flugzeug unter Wasser, das ist weltweit einmalig», sagt Schmoldt. Selbst aus Brasilien seien schon Taucher in Hemmoor gewesen.

Am Ufer liegt eine riesige Röhre, sie soll demnächst versenkt werden. «Das ist die Spitze eines Fernsehturmes. An Land sieht sie unspektakulär aus, aber unter Wasser macht es Spaß durchzutauchen», sagt der 54-Jährige. Fische schwimmen auch im See: Forellen, Barsche, Saiblinge und Zander.

Wer nicht taucht, kennt den See meist aus den Nachrichten. Medien bezeichneten das Gewässer bereits als «Todessee». Nach Polizeiangaben starben in den vergangenen fünf Jahren bei Unfällen vier Taucher, fünf weitere wurden schwer oder sogar lebensgefährlich verletzt. Bei der Menge an Tauchern jedes Jahr sei das jedoch nicht viel, findet Tauchlehrerin Brost.

«In den meisten Fällen handelte es sich um personenbezogene Ursachen, sprich eventuelle Vorerkrankungen, Selbstüberschätzung oder individuelle Tauchfehler», betont ein Polizeisprecher. «Die Leute trauen sich zu viel zu», sagt auch Betreiber Schmoldt. Trotz Vorerkrankungen würden manche von Arzt zu Arzt laufen, bis sie endlich ein Attest über ihre Tauglichkeit bekämen.

Zuletzt starb im September 2019 ein 39-Jähriger im See. Die Polizei vermutet, dass der Taucher die Druckluftflaschen verwechselte und die Sauerstoffsättigung nicht hoch genug war. «Die Todesfälle haben dazu geführt, dass wir einen schlechten Ruf bekommen haben», so Schmoldt. «Dabei haben wir eine Unfallrate von 0,01 Prozent.» Das sei unter dem, was beim Tauchen üblich sei. «Unsere Rettungskette funktioniert tadellos. Hier weiß jeder, was er machen muss, wenn ein Unfall passiert. Und trotzdem kann man tödliche Tauchunfälle nicht verhindern.» Natürlich dürfe aus Sicherheitsgründen niemand allein ins kalte Nass gehen.

Auch Oude Egbrink und Dirk Pedina gehen zu zweit ins Wasser. Die beiden Sporttaucher kommen aus dem Emsland sowie dem Ruhrgebiet und wollten eigentlich mit ihren Familien nach Kroatien. Wegen Corona wurde es nun der Kreidesee, wo sie schon mehrmals waren. «Die Sichtverhältnisse im Wasser sind fast gleichwertig», sagt Pedina. Mit seiner Frau war er schon vor dem Frühstück um sechs Uhr tauchen, nun ist der zweite Tauchgang dran. Zunächst soll es zum Plastikhai gehen. «Es hat was, wenn der vor einem plötzlich auftaucht», sagt Pedina. Er setzt die Maske auf, nimmt den Atemregler in den Mund, hebt den rechten Fuß und springt. Oude Egbrink folgt ihm.

Holger Schmoldt ging in diesem Jahr erst einmal seinem Sport nach. «Ich habe über 5000 Tauchgänge in meinem Leben gemacht, irgendwann ist der Reiz weg.» Er setzt sich inzwischen lieber in sein fünf Meter langes U-Boot. «Das ist viel einfacher, ich werde nicht nass und kann ein Käffchen dabei trinken», sagt er verschmitzt.

© dpa-infocom, dpa:200805-99-49280/2

Tauchplätze im Kreidesee

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