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Training zwischen Kühen und 3000ern

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Training vor Traumkulisse: Sportler auf der Skaterbahn im neuen Höhenleistungszentrum Kühtai.
Training vor Traumkulisse: Sportler auf der Skaterbahn im neuen Höhenleistungszentrum Kühtai. © TVB Kühtai

Trainieren und wohnen auf über 2000 Metern Höhe soll die Leistungsfähigkeit steigern. In Tirol am Olympiastützpunkt Innsbruck-Kühtai gibt's für Sportler ein eigenes Trainingszentrum.

Wo im Winter die Brettlfans die Berge runterwedeln, steht seit diesem Sommer ein Höhenleistungszentrum Sportlern offen. Unser Autor Chris Baumann hat sich einem Selbsttest unterzogen.

Vom Inntal führt die Straße ins Sellraintal, sie steigt immer weiter hinauf, die Bäume werden nach und nach abgelöst von saftigen grünen Weiden. Hier stehen Rindviecher auch gerne mal auf der Straße und das Ortsschild hat sinnigerweise die Form einer Kuh – der Name kommt schließlich von Chutay, einer Kuhalm, die bereits im 13. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. Im Kühtai treffen sich im Sommer Busreisende, Motorradfahrer, Wanderer und seit wenigen Wochen auch vermehrt Sportler.

Sport mit Kuh: Unser Autor beim Training im Kühtai.
Sport mit Kuh: Unser Autor beim Training im Kühtai. © Baumann

Ich bin einer von ihnen. Einer, der in der Höhenluft seine Leistung steigern will. Einer der Ersten, der das Höhenleistungszentrum Kühtai testet. Seit wenigen Wochen ist die Trainingsstätte in Betrieb, die offizielle Einweihung findet erst im kommenden Jahr statt. Dann werden die Vertreter des Tourismusverbandes Innsbruck, dessen Tochterunternehmen das Sportzentrum ist, bestimmt auch darauf hinweisen, dass es außer der Anlage in Tirol nur noch in Flagstaff im US-Staat Arizona und in der Sierra Nevada in Spanien vergleichbare Einrichtungen auf ähnlicher Höhe gibt.

Im Kühtai finden Profis und Amateure, für welche die Anlage gleichermaßen offen steht, einen Multifunktionsplatz mit einer 400-Meter-Laufbahn, ein Kunstrasenfußballfeld, eine Sprung- und Wurfanlage sowie eine Skaterbahn fürs Eisschnelllauftraining. Sehr witzig mutet beim Blick auf die 3000er der Sellrainer Berge die Tatsache an, dass hier oben auch auf einem Beachvolleyball- und Beachsoccerfeld gespielt werden kann. Strand gibt’s hier weit und breit keinen, allenfalls den kieselgesäumten Finstertaler Stausee, auf dem Ruderer trainieren.

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Für mich und all die anderen Sportler ist es jedoch gerade dieser Gegensatz zu den üblichen Übungen im Flachland, der das Training in der Höhe ausmacht. Die Anlage passt sich genauso wie mein persönlicher Favorit, die Skaterbahn, ideal in die Landschaft ein. Und sie muss natürlich getestet werden. Sofort habe ich meine Skikes, diese zweirädrigen geländetauglichen Inliner angeschnallt, die Stöcke ausgepackt und los geht es auf der 200 Meter langen Bahn.

Ich drehe eine Runde nach der anderen, das gigantische Gebirgspanorama stets im Blick, merke allerdings bald, was es bedeutet, plötzlich auf 2000 Metern Höhe zu laufen. Der Atem wird immer schneller und schneller. Mich selbst würde ich als durchschnittlichen Sportler bezeichnen, der im Winter durch das Skaten auf Langlaufskiern um einiges fitter ist als im Sommer. Hier oben komme ich schnell außer Atem.

Das Kühtai wurde zur Wettkampfvorbereitung schon vom österreichischen Radprofi Thomas Rohregger oder auch dem norwegischen Eisschnelllaufteam genutzt, die bereits ihre Runden drehten, kaum dass der Belag der Bahn befahrbar war. Als Laie darf man sich an den Leistungen dieser Größen nicht messen, die huschen wie ein Blitz an einem vorbei. Wer so wie ich nur kurz hier rauf kommt, kann ein Training im Höhenleistungszentrum nur als eine Erfahrung sehen und sinkt dennoch wie alle anderen Athleten abends platt, aber mit einem guten Gefühl, in die Federn.

Der Reiz der Umgebung

Höhentraining für Profis – das mag schön und effektiv sein. Aber was bringt es dem Hobbysportler? Wir sprachen darüber mit Höhenforscher Professor Martin Burtscher, dem Leiter des Institutes für Sportwissenschaften in Innsbruck.

Herr Professor Burtscher, wirkt das Höhentraining bei jedem Sportler?

Burtscher: Nein. Wir haben festgestellt, dass zwischen 70 und 80

Höhenexperte Professor Martin Burtscher
Höhenexperte Professor Martin Burtscher © Baumann

Prozent der Athleten auf die Höhe mit Blutneubildung und einer Steigerung der Sauerstofftransportkapazität und auch einer geringfügigen Steigerung der Dauerleistungsfähigkeit reagieren. Die Anderen kompensieren den Sauerstoffmangel durch eine deutliche Mehratmung, dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut relativ wenig ab und der Organismus sieht dann keinen Sinn, noch über eine Steigerung von Erythropoetin, auch bekannt als Epo, darauf zu reagieren.

Wie lange sollte das Höhentraining dauern?

In 2000 bis 2700 Meter für mindestens drei Wochen. Man sollte täglich 14 Stunden in der Höhe sein. Meistens wird ja das Modell live high and train low angewendet, also oben in der Höhe schlafen und unten im Tal trainieren.

Wann ist beim Höhentraining der ideale Zeitpunkt, wenn ich mich für einen Wettkampf vorbereiten will, wie zum Beispiel einen Volkslauf?

Der Wettkampf sollte möglichst rasch nach dem Höhenaufenthalt sein, idealerweise binnen einer Woche. Wenn ich mich wieder konstant im Tal aufhalte, reagiert der Organismus auf das genügende Sauerstoffangebot sofort und die neuen, jungen roten Blutkörperchen werden praktisch wieder vernichtet, weil sie nicht notwendig sind.

Welchen Sinn macht das Höhentraining dann für einen Laien?

Ein besonderer Wert des Höhenaufenthaltes ist die andere Umgebung, es kann Urlaub sein, es ist ein anderes Gelände, ich mache andere Belastungen, und es ist ein anderer Trainingsreiz. Um die Leistung beim Laien zu steigern, macht es allerdings mehr Sinn, das Training erstmal im Tal zu optimieren, weil er noch eine große Reserve hat. Wenn diese dann ausgeschöpft ist, würde es Sinn machen, das Höhentraining noch draufzusetzen.

Interview: Ch. Baumann

Die Infos zum Höhenleistungszentrum

REISEZIEL Kühtai in Tirol mit ungefähr 30 gemeldeten Einwohnern liegt auf 2020 Metern Höhe und ist damit der höchste Skiort Österreichs. Im Winter schneesicheres Skifahrer- und Langlaufparadies, im Sommer Wandergebiet oberhalb der Baumgrenze mit dem neuen Höhenleistungszentrum. Früher das Jagdgebiet von Kaiser Maximilian I. Zusammen mit Innsbruck ist das Kühtai zugleich österreichischer Olympiastützpunkt.

ANREISE Von München aus mit dem Auto (vignettenfrei) auf der A95 und B2 über Garmisch-Partenkirchen nach Mittenwald und über den Zirler Berg Richtung Sellrain, dann auf der L13 bis Kühtai. Entfernung: rund 160 Kilometer.

SPORTANLAGE Auf über 2000 Metern Höhe mit Fußballplatz, Sprung- und Wurfanlage, Beachvolleyball, Beachsoccer, Laufbahn, Finnenbahn, Skaterbahn, diversen Laufrouten und zwei Stauseen für Rudertraining (einer auf 2400 Metern Höhe). Geöffnet ist die Anlage von ­Juni bis September.

PAUSCHALEN Über das Tourismusbüro Kühtai (Adresse s. unten) können Pauschalpakete mit Übernachtung und zwei Trainingseinheiten (Vor- und Nachmittag) gebucht werden. Pro Person und Nacht kostet dies zwischen 52 Euro (im Apartment, ohne Verpflegung) und 99 Euro (Vier-Sterne-Hotel mit Vollpension). Weitere Informationen über Verfügbarkeit im Internet unter www.hoehen training-kuehtai.at.

PREISE An sportmedizinischen Untersuchungen und Trainingskontrollen werden angeboten: UKK-Test (45-minütige Einstiegsuntersuchung, auch für Untrainierte) 30 Euro, Lactat-Leistungstest (u.a. Blutbild, Ruhe-EKG, Trainingsplanung und -beratung) 100 Euro, Trainingsüberwachung (u.a. Harnstoffanalyse, Blutbildkonttrolle, Sauerstoffsättigungsüberwachung) 100 Euro, individueller Gesundheitscheck (u.a. EKG, Blutbild, Risikoprofil, BMI) 120 Euro.

SEHENSWERT Das Sperrenhaus auf dem Damm des Finstertaler Stausees ist täglich 9 bis 17 Uhr geöffnet. Zu sehen sind eine Dokumentation über die Energiegewinnung aus Wasserkraft sowie über den Bau der gesamten Kraftwerksanlage Sellrain-Silz.

AUSKUNFT Höhenleistungszentrum Kühtai, c/o Tourismusbüro Kühtai, A-6183 Kühtai, Tel. 00 43/52 39/52 22, www.schneegarantie.at.

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