Zwei Jahre später begann der Bau. Zwei massive Pfeiler aus über 70.000 Tonnen Beton wurden mit Hilfe von Tauchern ins Flussbett versenkt. Über 11.000 Tonnen Stahl bildeten die Struktur, die hinter Granit aus Cornwall und Braunsandstein versteckt wurde. Eine Meisterleistung: «Die Bauteile wurden in Schottland angefertigt, fast wie ein Ikea-Fertigbausatz», erklärt Dirk Bennett im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Spezialisierte Familienverbünde setzten sie vor Ort mit insgesamt zwei Millionen schweren Nieten zum Stahlgerüst zusammen. «Die Nieten wurden in Öfen erhitzt, mit der Zange herausgenommen und nach oben geschleudert, wo sie ein weiteres Mitglied des Teams auffing und ins vorgestanzte Loch hielt. Dann wurden sie von beiden Seiten mit großen Vorschlaghämmern hineingehämmert.» Einen Höllenlärm habe das gemacht.
Prestige und Vorführobjekt für Allerhand
Anfangs war die Tower Bridge schokoladenbraun; blau und weiß wurde sie erst 1982 gestrichen. Der Kronprinz und spätere britische König Edward VII. eröffnete das für damalige Zeiten hypermoderne Stahlbauwerk mit großem Pomp am 30. Juni 1894. Eine Flotte wartete auf der Themse für die erste offizielle feierliche Durchfahrt.
Aus statischen Gründen war der «viktorianische Zuckerbäckerstil» wie zeitgenössische Kritiker laut Bennett monierten, nicht notwendig. Aber die Brücke sollte nicht zu sehr im Kontrast zum benachbarten Tower of London stehen, daher sollte sie der «Zugbrücke einer Kreuzritterburg» ähneln, verteidigte sie Bauingenieur John Wolfe Barry.
Die Tower Bridge wurde in zeitgenössischen Berichten als «wonder bridge», als Wunderbrücke vermarktet und schaffte es schnell auf die Plakate der Tourismusindustrie. Außerdem eignete sie sich hervorragend für Selbstdarsteller und Draufgänger, wie den irischen Luftfahrtpionier Frank McClean, der 1912 mit einem wackeligen Wasserflugzeug zwischen den Türmen hindurchflog. Fünf Jahre später sprang der in Aachen geborene Erfinder und Entdecker Thomas Orde-Lees mit dem Prototyp eines Fallschirms von den Fußgängerstegen in den Fluss, um der Armee dessen Wirksamkeit zu beweisen - mit Erfolg.
Mit Dampf und Kohle
Anfangs versorgten drei riesige Dampfmaschinen am Südende der Brücke die Hydraulik mit dem notwendigen Wasserdruck, um die beiden Brückenteile innerhalb weniger Minuten hochklappen zu können. Der Maschinenraum roch nach dem «scharfen Geruch von Kohle und diesem leicht süßlichen Geruch von Öl und Metall», ergaben Dirk Bennetts Nachforschungen bei der Familie eines früheren Arbeiters.
Es sei nicht besonders laut gewesen, aber natürlich heiß. «Bis 1976 war die Tower Bridge praktisch eine riesige Dampfmaschine.» In dem Jahr wurde sie auf Ölhydraulik umgestellt, und die Pumpen werden seither elektrisch angetrieben.
Am 29. und 30. Juni wird das 125. Jubiläum auf der Tower Bridge mit einem prall gefülltem Programm gefeiert, unter anderem mit Darstellern in viktorianischen Kostümen.
Tower Bridge - offizielles Festprogramm