1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Nienburg
  4. Nienburg/Weser

Lesen mit Fingerspitzengefühl

KommentareDrucken

Mann sitzt vor dem Laptop.
Mit geübten Fingern tastet Sven Müller die Braillezeile ab, die Texte in Punktschrift wiedergibt. © Stosch

Langendamm - Von Janina Stosch. Wie lesen denn eigentlich Blinde? Eine Frage die Sven Müller aus Langendamm oft gestellt wird.

Um sechs Uhr morgens setzt sich Sven Müller an den Schreibtisch. Coronabedingt befindet sich der Langendammer im Home-Office. Zusätzlich zu seinem Arbeits-Laptop und der Tastatur steht auf dem Schreibtisch noch eine Braillezeile, ein Computerausgabegerät, das Zeichen in Blindenschrift übersetzt. 

Sven Müller ist seit seiner Kindheit blind. Lediglich Hell-Dunkel-Kontraste kann er noch wahrnehmen. Die Braillezeile macht E-Mails, Dokumente und andere Texte im Internet für ihn lesbar. Diese wird mit dem Computer verbunden und gibt Textzeilen in Punktschrift wieder, die der 30-Jährige dann erfühlen kann. Blindenschrift lesen und schreiben gelernt hat Müller am Landesbildungszentrum für Blinde in Hannover. „Ich bin keine Leseratte“, gibt er zu. „Ich lese nur das, was ich brauche.“

Ein brauner Hund liegt auf einem Kissen.
Sven Müllers Blindenführhund Luke ist auch zu Hause stets an seiner Seite. © Stosch

Die Arbeit von zu Hause hat für Müller auch einen positiven Aspekt. „Die Fahrerei nach Hannover fehlt mir eher weniger“, sagt er. Zusammen mit seinem Blindenführhund Luke, einem Flat-Coated Retriever, pendelt er normalerweise täglich mit dem Zug zu seinem Arbeitsplatz. Seit gut einem Jahr arbeitet Müller in Hannover beim Landesamt für Statistik. „Trotzdem fehlt es mir, meine Kollegen um mich zu haben und sich persönlich auszutauschen“, gibt er zu.

Texte auch für Blinde lesbar machen

Nun bespricht er sich morgens per Telefon mit seinen Arbeitskollegen. In seinem Job ist er hauptsächlich für die Barrierefreiheit zuständig. Nicht nur das firmeninterne Intranet, auch die Statistiken, die das Landesamt herausgibt, überprüft Müller. Er sorgt dafür, dass Dokumente oder Statistiken durch die Sprachausgabe auch für Blinde lesbar und verständlich sind.

Auch privat beschäftigt sich der Langendammer gerne mit Technik. Das Schrauben an Computern ist eins seiner liebsten Hobbys. „Computer sind einfach meine Welt. Was will man als Blinder auch anderes machen“, sagt er lachend.

 „Es macht mir einfach Spaß, Einzelteile zusammenzusetzen. Das ist wie puzzeln, nur eben technisch.“ Wenn er Hilfe braucht, um beispielsweise bestimmte Stecker zu erkennen, wendet er sich an „iTS Kehne“ am Burgmannshof. „Die Mitarbeiter unterstützen mich, wann immer ich Hilfe brauche.“ 

"Ich hab ein stinknormales iPhone" - Sven Müller

Zweifelnde Nachfragen seiner Mitmenschen, wie Blinde denn am PC arbeiten oder ein Handy bedienen können, belächelt er mittlerweile. „Ich hab ein stinknormales iPhone und die Sprachsteuerung aktiviert. Ganz einfach.“ 

Zum Tippen am Computer benutzt er eine reguläre Tastatur und beherrscht sogar das Zehn-Finger-Schreiben. Die spezielle Brailletastatur benötigt er lediglich zum Lesen. 

Schneller als das Lesen mit der Braillezeile sei jedoch die Sprachausgabe am Computer. Ein spezielles Programm liest dabei mit einer Computerstimme den Text vor. Eine Computer-Maus braucht er nicht. Zum Navigieren verwendet er eine ganze Reihe von Tastaturkombinationen, sogenannte Shortcuts.

Auch wenn er von zu Hause aus arbeiten muss, besonders eingeschränkt fühlt sich Müller durch die Corona-Pandemie nicht. „Also ich bleib da gelassen. Ich bin halt weniger unterwegs und muss ab und zu eine Maske tragen, na und?“

Auch interessant

Kommentare