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Ein Experiment,das nachdenklich stimmt

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Seminar gegen Diskriminierung
Die Schüler der Rahnschule Nienburg beschäftigten sich im Rahmen des eintägigen Seminars gegen Diskriminierung jeglicher Art mit den Empfindungen und Gefühlen der Menschen in solchen Situationen. © Rahnschule

Nienburg - Schüler der Schulen Rahn erlebten an einem Seminartag, wie und warum Rassismus, Sexismus und Homophobie nach wie vor Alltagserfahrungen in Deutschland sind.

Dass Zivilcourage in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist, gehört zur Alltagserfahrung vieler Menschen. „Wenn ich die Wahl habe zu diskriminieren oder diskriminiert zu werden – dann ist doch klar, wie ich mich entscheide“, so das erste Statement der 29 Rahnschüler im Alter von 16 bis 21 Jahren bei einem eintägigen Experiment. Eine Haltung, die bei der anschließenden Thematisierung zu starker Betroffenheit und Nachdenklichkeit führte.

Das Tagesexperiment begann mit einer Einteilung in zwei Gruppen, die angeblich aufgrund der Augenfarbe ausgesucht wurden. Während die privilegierte Gruppe der Braunäugigen bei Kaffee und Keksen in einem großen Gruppenraum vom Referenten Jürgen Schlicher (diversity works) erfuhren, warum und wieso sie die intelligenteren Menschen sind und welche Defizite Blauäugige haben, hatten die Letztgenannten keinerlei Möglichkeiten, nicht permanent kritisiert und zurechtgewiesen zu werden. Ohne Erklärung wurden sie mit einem Kragen ausgestattet, mussten in einem kleinen stickigen Raum lange warten und wurden dabei von Jutta Seiffert-Jameh und Fatos Atali-Timmer immer wieder mal anlasslos schikaniert. Als sie endlich in den Gemeinschaftsraum zu den Braunäugigen geführt wurden, sich auf die unbequemen Stühle oder den Fußboden in der Mitte zwischen den Braunäugigen niederließen, wurde ihre Situation noch bedrückender: Einschüchterung und widersprüchliche Aufgabenstellungen sorgten dafür, dass sie in ihrer unterlegenen Rolle blieben oder – bei Widerstand – den Raum verlassen mussten. So blieben Proteste gegenüber dem Verhalten des Referenten auch die rühmliche Ausnahme.

Nach der Auflösung der Gruppeneinteilung und einem gemeinsamen Mittagessen wurden im zweiten Teil des Seminars die unterschiedlichen Gefühls- und Wahrnehmungsebenen in beiden Rollen besprochen. Die eigene Verhaltensweise als überlegen agierender Braunäugiger oder als vermeintlich minderwertiger Blauäugiger wurden abschließend thematisiert und reale Alltagserfahrungen ausgetauscht.

Fazit der Beteiligten: Der Blick und das Bewusstsein für eine rassistische, sexistische und homophobe Realität in Deutschland wurde geschärft und Möglichkeiten der Zivilcourage aufgezeigt. „Ich bin heute fast ausgerastet“, war die Anmerkung eines aufgrund seiner Augenfarbe willkürlich diskriminierten Schülers, „aber ich wollte das schlechte Ansehen von Blauäugigen dadurch nicht noch bestätigen.“ „Was für eine Selbstbeherrschung der Betroffenen, bei diskriminierenden Situationen nicht auszurasten – zum Beispiel angesichts der Parolen gegen Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten oder Homosexuellen“, war das Fazit einer Schülerin. „Zivilcourage statt Mitleid zeigen und Diskriminierungen aktiv entgegen treten“, erklärt Claudia Eckhardt, Organisatorin und betreuende Lehrkraft der Schulen Rahn, „diese Schlussfolgerung ziehen nach diesem Experiment alle Teilnehmenden.“

Der Seminartag wurde durch Vermittlung der WABE im Rahmen des Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Ein weiterer Seminartag findet zur Nachhaltigkeit und Vertiefung in vier Wochen statt.

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