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Keine Entwarnung: EHEC weiter auf Vormarsch

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Berlin - EHEC hält die Deutschen weiter in Atem. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die Infektionsquelle noch aktiv ist. In Spanien wurden inzwischen zwei Betriebe wegen EHEC-Verdachts geschlossen.

Bei dem gefährlichen Durchfall-Erreger EHEC ist keine Entwarnung in Sicht. Im Gegenteil: Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts

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steigt die Zahl der Neuerkrankungen vor allem in Norddeutschland weiter an. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Infektionsquelle noch aktiv ist, berichtete das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin. Bisher sind in Deutschland mindestens 6 Menschen gestorben. Mehrere Menschen schwebten weiter in Lebensgefahr, zudem erkrankten binnen eines Tages bundesweit weitere 60 Patienten an der schweren Komplikation HUS - so viele wie sonst binnen eines Jahres. Unterdessen schlossen spanische Behörden nach Auskunft der EU-Kommission vorübergehend zwei Betriebe in Almería und Málaga. Sie sollen für die Verbreitung der mit den gefährlichen EHEC-Keimen befallenen Gurken in Deutschland verantwortlich sein, teilte die Kommission am Freitagabend in Brüssel mit. Die Namen der Betriebe nannte die Kommission nicht. Boden-, Wasser und Produktproben seien genommen worden. Die Untersuchungen dauerten an. Zudem werde eine weitere mögliche Quelle - Gurken aus den Niederlanden oder aus Dänemark - untersucht.

Die Suche nach dem Ursprung des schlimmsten bisher in Deutschland registrierten EHEC-Ausbruchs ging weiter. Für viele Landwirte im Norden Deutschlands wird das Ergebnis in jedem Fall zu spät kommen: Sie sind gezwungen, tonnenweise Gemüse wegzuwerfen - kaum jemand mag es noch kaufen. Von einer EHEC-Epidemie wollte man beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin noch nicht sprechen. Der Ausbruch sei noch zu regional und dauere nicht lange genug an, sagte eine Sprecherin. Bislang wurden - binnen etwa einer Woche - insgesamt rund 1000 bestätigte und EHEC-Verdachtsfälle registriert. Normalerweise werden in Deutschland im gesamten Jahr etwa 900 Infektionen mit den Bakterien gemeldet.

Erstmals beim aktuellen Ausbruch starb ein Mann an den EHEC-

Folgen. Bei dem tot in seiner Hamburger Wohnung gefundenen 38-Jährigen wurde eine erste Probe positiv auf EHEC getestet. Der Mann war leblos von der Feuerwehr entdeckt worden, nachdem sein Arbeitgeber ihn als vermisst gemeldet hatte. In einem Bremer Krankenhaus starb eine über 70 Jahre alte Frau aus Cuxhaven. Zudem ließ sich der Tod einer 41-Jährigen auf EHEC zurückführen; sie stammte ebenfalls aus Cuxhaven. Zuvor waren drei Todesfälle in Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen erfasst worden. Krankheitsfälle gibt es auch im Ausland: Schweden hat bisher 25 nachgewiesene EHEC-Erkrankungen, Dänemark sieben, Großbritannien drei, Österreich zwei und die Niederlande eine. Aus Spanien und den Niederlanden wurde unterdessen heftige Kritik an den Veröffentlichungen deutscher Behörden zu EHEC-Quellen laut. Man habe bei der Europäischen Union (EU) eine Beschwerde gegen die deutschen Berichte eingelegt, teilte das Madrider Agrarministerium mit.

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Deutschland habe gegen EU-Regeln verstoßen, sagte der Staatssekretär Josep Puxeu. Die Behörden hätten zuerst die Presse unterrichtet und nicht - wie vorgeschrieben - die Instanzen der EU. Dadurch drohten der spanischen Landwirtschaft große Verluste. Das Hamburger Hygiene-Institut hatte den Durchfall-Erreger bei vier Salatgurken vom Hamburger Großmarkt nachgewiesen. Drei seien spanischen, eine niederländischen Ursprungs, hieß es. Die Niederlande wiesen dies als unzutreffend zurück. “Wir haben bislang keinerlei derartigen Erkenntnisse“, sagte Marian Bestelink, Sprecherin der zuständigen Behörde für Warenprüfung (VWA). Die Angabe über die mit EHEC-Bakterien verunreinigte Gurke aus Holland beruhe “vermutlich auf einem Missverständnis“. Sie gehe wohl darauf zurück, dass einer der in Spanien betroffenen Gemüsebauern Niederländer sei.

Die Sorge vieler Menschen, sich über Rohkost mit EHEC anzustecken, macht den Gemüsebauern vor allem in Norddeutschland zu schaffen. Sie werfen mittlerweile tonnenweise Salatköpfe, Tomaten und Gurken auf den Müll. “Allein in Niedersachsen haben fünf Großabnehmer im Einzelhandel ihre Gemüsebestellungen storniert“, sagte Axel Boese von der Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland in Bremen. Auch andere Erzeugergemeinschaften meldeten Absatzeinbrüche. Die weitaus meisten EHEC-Fälle gibt es derzeit in Hamburg, dort erreichten die Kliniken die Kapazitätsgrenze bei der Versorgung der Patienten. “Es ist offensichtlich, dass wir auf Versorgungskapazitäten in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel in Hannover, zurückgreifen müssen, um die Versorgung von Neufällen auch am Wochenende zu gewährleisten“, erklärte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD).

EHEC-Keime sind eine besonders gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli. Der Erreger ist vor allem deshalb gefährlich, weil nach Expertenangaben rund 10 bis 100 der winzigen Bakterien ausreichen, um den Durchfall auszulösen. Bei anderen Infektionen sind um ein Vielfaches mehr Erreger nötig, damit es zur Erkrankung kommt. Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) ist eine schwere EHEC- Verlaufsform, bei der giftige Stoffwechselprodukte des Bakteriums zu Nierenschäden führen können.

dpa

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