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Sixt löst mit Mollath-Werbung Shitstorm aus

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Gustl Mollath wurde von Sixt ungefragt zur Werbefigur gemacht
Gustl Mollath wurde von Sixt ungefragt zur Werbefigur gemacht © dpa/Sixt rent a car

Nürnberg - Tabubruch oder Werbegag? Autovermieter Sixt wirbt mit Gustl Mollath. Der reagiert überrascht, sein Anwalt spricht vom „dreisten Rechtsbruch“. Im Internet sorgt die Anzeige für Empörung.

Die umstrittene Werbeanzeige des Autovermieters Sixt mit einem Porträt des aus der Psychiatrie entlassenen Gustl Mollath wird jetzt auch den Deutschen Werberat beschäftigen. Bei dem Selbstkontrollorgan seien bereits erste Beschwerden aus der Bevölkerung eingegangen, berichtete der Sprecher des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Volker Nickel, am Dienstag in Berlin. „Das sind zwar nicht sehr viele. Aber die Zahl spielt dabei keine Rolle“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Die Sixt-Anzeige in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) zeigt ein Porträt des 56 Jahre alten Nürnbergers mit dem Text: „Wenn hier jemand verrückt ist, dann Sixt mit seinen Preisen“. Mollaths Anwalt Gerhard Strate hatte sich am Vortag ebenso wie sein Mandant von der Anzeige überrascht gezeigt und presserechtliche Schritte gegen Sixt angekündigt. Sixt hatte in der Vergangenheit wiederholt Politiker unabgesprochen vor seinen Werbekarren gespannt.

Unabhängig von der moralischen Beurteilung der Anzeige stelle sich dem Zentralverband die Frage, ob das Unternehmen mit der

Mit dieser Werbung sorgt Sixt für Aufsehen
Mit dieser Werbung sorgt Sixt für Aufsehen © Facebook Sixt rent a car

Anzeige womöglich irreführende Werbung betrieben habe, sagte ZAW-Sprecher Nickel. „Denn wir haben den Eindruck, dass das in der Anzeige veröffentlichte Zitat gar nicht von Mollath stammt.“ In einem solchen Fall könnte das Unternehmen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen haben. Es habe möglicherweise versucht, sich mit einem falschen Zitat und der damit erreichten Aufmerksamkeit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.

Eine moralische Frage ist nach Einschätzung des Branchenvertreters, ob es redlich sei, einen „Rechtsverstoß in der Hoffnung zu unternehmen, das sich der Betroffene schon nicht dagegen wehren werde, weil er nicht als humorlos erscheinen möchte“, gab Nickel zu bedenken. Möglicherweise seien mit der Anzeige auch Persönlichkeitsrechte Mollaths verletzt worden. Dagegen müsse der 56 Jahre alte Nürnberger aber selbst vorgehen.

Im Internet hat die Werbung unterdessen einen Proteststurm losgetreten. Auf der Facebook-Seite des Autovermieters kritisierten zahlreiche Nutzer die Anzeige als geschmacklos. Bis zum Dienstagvormittag waren dort mehrere hundert Kommentare empörter Bürger eingegangen. Es sei unglaublich, mit einem potenziellen Justizopfer Werbung zu machen, schrieb einer. Bei Twitter gehörte die Anzeige zu den meistdiskutierten Themen des Tages. „Ekelhaft“ und „widerwärtig“, hieß es in Kommentaren.Gefallen fand kaum einer an der Anzeige mit Gustl Mollath. Der Cartoonist Bulo entwarf eine Anti-Sixt-Anzeige mit dem Text: „Bei Sixt gibt es jetzt: einen Kunden weniger“. 

Fall Gustl Mollath - Eine Chronologie

Von Sixt selbst war am Dienstag zunächst keine Stellungnahme zu dem Proteststurm zu erhalten. In einem Blog wies das Unternehmen lediglich daraufhin: „Sixt ist derzeit bemüht, Kontakt mit Herrn Mollath aufzunehmen, um diesem ein Honorar für Werbung anbieten zu können“. Das hatte das Unternehmen bereits am Vortag angekündigt.

Kritisch sieht auch die Medienethikerin Professor Johanna Haberer die Sixt-Anzeige. Sollte Mollaths Bild tatsächlich ohne dessen Einverständnis verwendet worden sein, läge eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte vor. „Das wäre ein satirisches Spiel mit seiner möglichen Erkrankung“, sagte die Hochschullehrerin, die an der Universität Erlangen christliche Publizistik lehrt. Mollath unterscheide sich in jedem Fall von Prominenten. „Im Unterschied zu Lafontaine und Bohlen ist Herr Mollath - unabhängig vom Ausgang eines weiteren Verfahrens - gerade bescheinigt worden, dass er Opfer eines Gerichtsverfahrens wurde, bei dem seine Grundrechte verletzt wurden.“

dpa

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