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Baumeister mit Pelz - Biber erobern Niedersachsen zurück

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Biber erobern Niedersachsen zurück
Biber erobern Niedersachsen zurück © dpa

Laatzen - von Heiko Lossie. Lange Zeit galt der imposante Biber in Niedersachsen als ausgerottet. Nun kehrt der pelzige Baumeister mit den kräftigen Nagezähnen zurück. Rund 500 Tiere sind es schon in Niedersachsen, Tendenz steigend. Doch so putzig der Biber ist - sein Vormarsch bringt auch Konflikte.

Auf den ersten Blick sieht alles gewöhnlich aus: In Laatzen an Hannovers Ortsrand ziehen sich Feldwege durch eine Landschaft aus Wiesen, vereinzelt schlängeln sich Zäune in die weite Fläche, Pappeln und Kopfweiden säumen einen Bach. Doch hier, nicht weit vom hektischen Messegelände der Landeshauptstadt, gibt es einen ungewöhnlichen Bewohner zu bestaunen. „Wundern Sie sich nicht, dass hier so wenig Strömung ist“, sagt Tonja Mannstedt und stapft weiter am Ufer entlang. „Das liegt daran, dass dort oben der Biber waltet.“

Es folgt ein erster, sehr kleiner Damm. Eine Kurve weiter ist die Staustufe schon erheblich größer. „Psssst, bevor man den Biber sieht, hört man ihn“, sagt die Biologin Mannstedt. Sie bildet im Auftrag des Naturschutzbundes Nabu Biberberater für ganz Niedersachsen aus. Und beim Lauschen an dem Laatzener Flüsslein lässt sich tatsächlich etwas hören: Es plätschert und rauscht. Hinter der nächsten Kurve liegt die Erklärung: Der eigentliche Biberdamm - ein imposantes Bauwerk.

Zu sehen ist aber keines der Tiere, auch wenn verräterische Spuren überall sind. Angenagte Bäume liegen teils schon gefällt am Boden und am Ufer sind Pfotenabdrücke und Pfade erkennbar. Die Biber, die hier als Familie leben, kommen erst in der Dämmerung hervor. Der Zugang zu ihrem Bau liegt stets unter Wasser, über die Dämme regulieren sie den Wasserstand. Das Aufstauen hat Folgen: Der pelzige Baumeister schafft neue Feuchtbiotope. Die mitunter weitläufigen Überflutungsflächen ziehen laut Mannstedt sogar Exoten wie den Eisvogel an und die neuen Dämme bieten Tieren Brücken zwischen einst getrennten Lebensräumen.

Was hier in Laatzen erst 2005 mit der ersten Bibersichtung begann, dürfte bald in Niedersachsen vermehrt Schule machen. Europas größte Nagetierart ist auf dem Vormarsch, nachdem sie seit den 30er Jahren deutschlandweit fast ausgerottet war. Nun kommt der Biber verstärkt zurück. „Der Biber gehört hierher, wir kennen das nur nicht mehr“, sagt Mannstedt und meint: „Irgendwann könnten wir die Dimensionen Bayerns haben.“ Dort leben 15 000 Biber.

Nach übereinstimmenden Schätzungen des Nabu und der Behörden sind es in Niedersachsen derzeit erst ungefähr 500 Biber in 110 Revieren. Der Schwerpunkt liegt im Emsland an Hase und Ems, dann an der Elbe, im Gebiet der Aller und im Weserraum. Während es an der Hase 1990 ein Wiederansiedlungsprojekt gab, beruht der Schwung im Osten auf natürlicher Zuwanderung aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt.

Die Experten im Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) berichten, Biber legten mitunter enorme Strecken zurück, wenn sie keine optimalen Gewässerabschnitte als Lebensraum vorfänden. „Voraussichtlich wird die Kapazitätsgrenze für den Bestand der Elbe-Population in absehbarer Zeit erreicht werden, so dass eine verstärkte Abwanderung der Biber in die Nebengewässer der Elbe erwartet wird“, sagt NLWKN-Sprecher Achim Stolz. Das gelte auch für die „Sättigung“ der Biberreviere an Hase und Ems. Auch von Laatzen aus schwärmt der Biber an der Leine weiter aus. Mannstedt hält allein für die Region Hannover etwa 15 Biberreviere mit bis zu 50 Tieren für realistisch, derzeit läuft eine Kartierung für mehr Gewissheit.

Anderswo hat der Biber schon Probleme bereitet. Dem NLWKN sind bisher aber nur fünf Biberschäden in zehn Jahren bekannt. Viermal sorgten die Dämme für überflutete landwirtschaftliche Flächen und in einem Fall machten sich Biber über eine Weihnachtsbaumkultur her. Mögliche Gefahren gehen auch von Bibergängen aus. Traktoren könnten darin einsacken, Weidevieh einbrechen oder Hochwasserdeiche leiden. Ein sogenanntes Bibermanagement sei angesichts der wenigen Fälle aber noch nicht zwingend nötig. Das sieht auch das Umweltministerium so.

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen berichtet, dass sie bisher von Schäden vor allem aus dem Emsland wisse, es gehe um Waldflächen. Der Landkreis begleiche das. Auch wenn sich Probleme wie diese noch in Grenzen halten: Der Nabu sorgt schon vor mit seinen ehrenamtlichen Biberberatern. Sie sollen zwischen Betroffenen vermitteln, Ängste und Vorbehalte ausräumen und bei Bedarf helfen, Kompromisse zu finden. „Wir haben bereits 60 Berater ausgebildet“, berichtet Mannstedt. Schon im Herbst solle die Marke der 100 Berater erreicht sein.

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