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Corona-Krise: Minister setzt auf neue Technologien und hat keine Ahnung von Urlaub-Apps

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In der Corona-Krise hat für Wirtschaftsminister Althusmann das Retten von Arbeitsplätzen Priorität. Gleichzeitig müssen Klimaschutz und Digitalisierung vorangetrieben werden. Und auch der Tourismus muss sich rüsten. Mit Kommentar.

Mit der Corona-Krise sind Industrie, Handel und andere Sektoren in Niedersachsen in schwieriges Fahrwasser geraten. Für einen Durchstart sind Investitionen in Zukunftstechnologien, Klimaschutz und Digitalisierung entscheidend, sagte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) im Interview. Qualität, Nachhaltigkeit und neue digitale Buchungsmöglichkeiten sollen den Tourismus voranbringen.

LandNiedersachsen
Bevölkerung7,982 Millionen
HauptstadtHauptstadt
MinisterpräsidentStephan Weil (SPD)

Insbesondere die Grünen fordern, Wirtschaftshilfen in der Corona-Krise an Schritte für mehr Klimaschutz zu koppeln. Müssen jetzt nicht die Rettung von Industrie und Arbeitsplätzen an erster Stelle stehen?

Antwort: Die Rettung unserer Arbeitsplätze in Industrie und Mittelstand hat höchste Priorität. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass ein innovativer Klimaschutz wirtschaftlichem Wachstum und der Sicherung von Arbeitsplätzen nicht entgegensteht. Wir sollten vielmehr den Klimaschutz als Chance für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in der mittelständischen Wirtschaft und der Industrie in Niedersachsen nutzen.

Dabei geht es zum Beispiel um Elektromobilität, Hightech, autonomes Fahren, das intelligente Verknüpfen von Logistikketten und klimaneutrale Antriebstechnologien. In Niedersachsen ist im Zusammenhang von Klimaschutz und der Energieversorgung der Zukunft ein schneller Ausbau der grünen Wasserstoffwirtschaft von besonderer Bedeutung, weil wir über den Jadeweserport einerseits Wasserstoff künftig importieren können, ihn aber als Windenergieland Nummer eins ebenso als grünen Wasserstoff werden erzeugen können.

Althusmann: Klimaschutz soll Wirtschaftsstandortes Niedersachsen stärken

Klimaschutz wird also auch ein Teil der Industriepolitik?

Antwort: Wir müssen wegkommen vom Gegensatz zwischen Klimaschutz und wirtschaftlichem Wohlstand und Wachstum. Klimaschutz durch den Einsatz modernster Technologien wird zukunftsweisend sein. Deshalb haben wir in Niedersachsen ein Klimagesetz auf den Weg gebracht und mit einer Förderung von rund einer Milliarde Euro in den kommenden Jahren unterlegt. Dies soll die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen nicht schädigen, sondern im Gegenteil befördern.

In der Corona-Krise sind wir in vielen Arbeits- und Lebensbereichen im Eiltempo auf digitale Lösungen umgestiegen, manchmal hakt es aber noch. Wie groß ist der Nachholbedarf bei der Digitalisierung?

Antwort: Viele von uns haben festgestellt, dass digitale Werkzeuge wie Videokonferenzen helfen, Reisezeiten und manchen Aufwand einzusparen. Übrigens auch zugunsten der Umwelt und zur Reduzierung von Terminstress im Arbeitsalltag. Corona hat uns schonungslos vor Augen geführt, dass Deutschland für die Umsetzung der Digitalstrategie bisher in Teilen zu lange benötigt hat. Da sind andere Länder ein Stück weit schneller gewesen. Aber wir sind in der Lage und zeigen das auch in Niedersachsen, jetzt schnell aufzuholen. Die Digitalisierung Niedersachsens auf Gigabit-Niveau ist die beste Gewähr für eine Pandemieresilienz in der Zukunft. Corona wird nicht die letzte Krise sein, die uns erfasst.

Minister Althusmann überbrachte die Förderbescheide im Kreishaus.
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann will den Tourismus in Niedersachsen nach vorne bringen. © Klee

Was sollte bei der Digitalisierung im Fokus stehen?

Antwort: Die Zukunftsfähigkeit Niedersachsens entscheidet sich digital. Es kommt darauf an, auf hohem Niveau digital zu arbeiten, künstliche Intelligenz sinnvoll zu nutzen und Produktionsprozesse besser miteinander zu vernetzen. Deshalb habe ich als Digitalminister darauf Wert gelegt, dass wir beim digitalen Ausbau Niedersachsens schleunigst vorankommen. Beim Anschluss von Haushalten, Schulen, Krankenhäusern und Gewerbegebieten machen wir große Schritte. Auch unsere Häfen werden jetzt digital aufgerüstet. Von daher ist Digitalisierung für uns, ob nun im Verkehrsbereich, in der ganz normalen Kommunikation, aber auch im Bereich der Produktion der Industrie- und Zulieferbetriebe sowie der öffentlichen Verwaltung von enormer Bedeutung. Und wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.

Der Tourismus ist von der Corona-Krise stark betroffen, Niedersachsen konnte im Sommer von einem Trend zum Urlaub im eigenen Land profitieren. Wie geht es weiter?

Antwort: Ich hoffe, dass der Tourismus im Laufe des Jahres mit angehender Überwindung der Corona-Pandemie wieder merklich zurückkommen wird. Wir wollen mit unseren sehr attraktiven Natur- und Aktivangeboten dem Nachfragetrend in diesem Bereich, der in den letzten ein, zwei Jahren deutlich gestiegen ist, Rechnung tragen. Das Thema Nachhaltigkeit im Tourismus hat in Niedersachsen inzwischen einen hohen Stellenwert. Und diesen Trend wollen wir auch herausarbeiten. Da schlummert noch eine Menge Potenzial für den niedersächsischen Tourismus.

Wo gibt es Nachholbedarf?

Antwort: Es kommt immer darauf an, dass wir die Qualitätsstrategie nicht aus dem Blick verlieren, dass wir unsere touristischen Angebote immer weiter verbessern. Die Zufriedenheit mit Blick auf Freundlichkeit, Professionalität, Lage - das wird von den Gästen in Niedersachsen immer positiver gesehen. Aber ich sehe auch Verbesserungspotenzial. Es braucht beispielsweise digitale Formate, die es potenziellen Urlaubern ganz einfach machen, in Niedersachsen ein Urlaubsangebot zu finden, zu buchen und dann zu realisieren. Es geht um die Verbesserung des digitalen Überblicks, des digitalen Rundgangs. Wie sieht mein Zimmer aus, wie sieht die Umgebung aus, ist das Hotelangebot nachhaltig, wie steht es um das WLAN-Angebot?

Althusmann plädiert für Niedersachsen-App

Wie könnte so ein digitales Format aussehen?

Antwort: Ich wünschte mir beispielsweise eine Niedersachsen-App, in der man einfach eingeben kann: Ich brauche ein besonders attraktives Angebot in einer bestimmten Sterne-Kategorie mit klaren Standards, dann sollten die Angebote sofort angezeigt werden. Der Kunde muss da durchgeführt werden, einen Eindruck der Landschaft bekommen und sich gleich willkommen und gut aufgehoben fühlen. Er sollte von Anfang an einen hohen Service im Urlaubsland Niedersachsen erleben. Teilweise haben wir das ja heute schon, da ist aber noch Potenzial.

Wo sehen Sie Niedersachsen inzwischen in touristischer Hinsicht im bundesweiten Ranking der Bundesländer?

Antwort: Als ich ins Ministerium kam, hatte ich den Eindruck, dass wir Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern ein Stück weit hinterherhinken. Inzwischen sind wir dabei, eine der wichtigsten Tourismusregionen Deutschlands zu werden. Niedersachsen hat einen guten Klang in der Tourismusbranche. Wir arbeiten einfach weiter daran.

Das Interview führte Michael Evers, dpa

Kommentar von Andree Wächter: Wirtschaftsminister Althusmann mit peinlichen Aussagen

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) schlägt eine Niedersachsen-App vor, damit man seinen Urlaub in Niedersachsen planen und buchen kann. Mit dieser Idee kommen sie zehn Jahre zu spät, Herr Minister! Damals hätte die CDU-FDP-Regierung mit einer solchen Idee einen Meilenstein in der Digitalisierung einschlagen können. Mit einer Niedersachsen-App wäre man 2011 ganz weit vorne gewesen - national wie international. Vermutlich wären auch die aktuellen Probleme wie Funklöcher oder der Glasfaserausbau längst Geschichte.

Stattdessen glaubt der Wirtschaftsminister mit einer schon realisierten Ideen innovativ zu sein. Die von Ihnen vorgeschlagene App zum Urlaub buchen gibt es schon mehrfach. Sie heißen: Hometogo.de, ab-in-den-urlaub.de, kurzurlaub.de, ich könnte diese Liste um viele Angebote erweitern. Auch die vom Minister geforderten Filter wie Sterne-Kategorie gibt es dort.

Es ist unbekannt, wann Bernd Althusmann das letzte Mal einen Urlaub selbstständig gebucht hat. Seine Vision von digitalen Rundgängen durch die Unterkunft und WLAN sind ebenfalls ein alter Hut. Ohne Bilder funktioniert heute keine Webseite und App, ganz zu schweigen von Social-Media-Kanäle wie Instagram oder Twitter. Selbst die landeseigene Tourismus Marketing Niedersachsen (TMN) hält entsprechende Informationen mit vielen Bildern bereit. Die TMN agiert im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung. Ergo ist Bernd Althusmann ihr Chef.

Ein Blick auf die Webseite, die Althusmanns Haus zu verantworten hat, wäre im Vorfeld hilfreich gewesen. Dann hätte man sich einige peinliche und überholte Aussagen erspart. Mit mutigen, klaren und innovativen Aussagen hätte die Old-School-Partei CDU es tatsächlich schaffen können, modern zu wirken. awt

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