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Gymnasiallehrer schließen Unterrichtslücken an Grundschulen

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Horst Audritz
Horst Audritz © dpa/Holger Hollemann

Hannover - Die Lehrer gehen zum Beginn des neuen Schuljahres kämpferisch an den Start. Sie wollen eine neue Arbeitszeitordnung und auch mehr Geld. Unmut bei Lehrern und Eltern gleichermaßen lösen Zwangsabordnungen aus. Damit sollen Engpässe an den Grundschulen behoben werden.

Niedersachsens Lehrer wollen im kommenden Landtagswahlkampf aktiv Stimmung machen für ihre Forderungen nach einer Senkung der Unterrichtsverpflichtung und besserer Bezahlung. Der GEW-Landesvorsitzende Eberhard Brandt und seine Stellvertreterin Laura Pooth kündigten in Hannover "massive Auseinandersetzungen in der Schulpolitik" an. Vor allem der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann wurde am Montag aufgefordert, missverständliche Äußerungen zur Arbeitsstundenzeit der Lehrer klarzustellen. Die Opposition von CDU und FDP kritisiert vor allem den Unterrichtsausfall an den Schulen des Landes und will dies im Falle eines Wahlsieges ändern.

Während die Einstellung von Lehrern bei Gymnasien und teilweise auch Gesamtschulen in diesem Schuljahr unproblematisch sei, so die GEW, werde die Versorgung an Grund-, Haupt- und Realschulen schwieriger. Auf Weisung des Landes müssten daher nun Gymnasiallehrer aushelfen. Schulleiter der Gymnasien seien angewiesen worden, eine bestimmte Anzahl von Lehrerstunden anderen Schulformen abzugeben, vor allem Grundschulen, sagte der Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Horst Audritz, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Montag). Einige Lehrer sollen nach der Rückkehr aus dem Urlaub via E-Mail von einer befristeten Versetzung erfahren haben. Viele seien daher sauer.

Rückgang der tatsächlichen Unterrichtsversorgung droht

Der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens reagierte ebenfalls kritisch. Schon Anfang 2016 habe die Landesregierung auf freiwilliger Basis versucht, Gymnasiallehrer an andere Schulformen abzuordnen, um dort Löcher in der Unterrichtsversorgung zu füllen. "Damit erklärt die Ministerin quasi das Scheitern von vier Jahren Bildungspolitik in ihrem Kerngeschäft, die Unterrichtsversorgung landesweit für alle Schulformen zu sichern", sagte der Vorsitzende Hartwig Jeschke. Im letzten Schuljahr seien an den Gymnasien im Schnitt maximal 97 Prozent der im Stundenplan ausgewiesenen Unterrichtsstunden erteilt worden. Nun drohe in weiterer Rückgang der tatsächlichen Unterrichtsversorgung auf 95 Prozent oder weniger.

Ein Sprecher des Kultusministeriums bestätigte die Abordnungen. "Eine auskömmliche Unterrichtsversorgung und die Sicherung des Pflichtunterrichts haben für die Landesregierung höchste Priorität", heißt es. Die Grundschule habe dabei Vorrang, denn hier gebe es den Anspruch auf eine verlässliche Betreuung bis 13.00 Uhr. Die GEW forderte in dem Zusammenhang, dass die Einstellung von Quereinsteigern nach wie vor nötig sei. Seit den vergangenen zehn Jahren habe sich bei Lehrerstellen ein Engpass abgezeichnet, ohne dass die Regierung reagiert habe. Die vor allem durch Pensionierungen entstandene Engpass dürfte noch die kommenden zwei Jahre anhalten.

Lehrerberuf muss attraktiver werden

Bei 40 Prozent der Einstellungen kämen die Kandidaten nicht aus Niedersachsen, sondern anderen Bundesländern. Die Kandidaten würden angesichts des Mangels zudem wählerischer, so dass der Lehrerberuf attraktiver werden müsse. Dazu gehöre eine generelle Einstufung in die Tarifklasse A13. Die GEW warnte eindringlich vor "statistischen Taschenspielertricks", mit denen schulintern Löcher beim Unterricht gestoppt würden und forderte auf der Grundlage einer Arbeitszeit- und Belastungsstudie der Universität Göttingen bis zum August 2018 eine neue Arbeitszeitverordnung. Sie soll neben der Regelstundenzahl der Schulformen auch Anrechnungsstunden für besondere Belastungen und Ermäßigungen für Teilzeitkräfte und Ältere regeln.

"Geräuschlos" läuft laut Kultusministerin Frauke Heiligenstadt dagegen die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren. Niedersachsen hatte als erstes Bundesland 2015 die komplette Abkehr vom 2004 erst eingeführten Turbo-Abitur beschlossen und die Jahrgänge 5 bis 8 umgestellt. 2021 werden die ersten Abiturienten wieder nach 13 Jahren ihre Prüfungen ablegen. "Wir haben Mathematik, Deutsch und die Fremdsprachen gestärkt und Berufsorientierung auch an Gymnasien ergänzt. Es gibt auch zusätzliche Förderstunden", so Heiligenstadt.

Zudem wurde die Zahl der Wochenstunden reduziert. Rund 30 Unterrichtsstunden sind es für Fünft- bis Zehntklässler, beim Turbo-Abitur waren es bis zu 34 Stunden. Im Land müssen wegen der Abkehr vom Turbo-Abi nach Ministeriumsangaben 230 zusätzliche Lehrer eingestellt werden - in ersten Angaben war von 150 Lehrern die Rede. Sie repräsentieren einen Gegenwert von rund 13 Millionen Euro.

dpa

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