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„Ich habe zu sehr geliebt“

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Niedersachsen - STADE · Thomas H. hat zwei junge Frauen getötet. Ein verlassener Liebhaber, dessen Lebensentwurf nicht zu dem von Nadine T. passte. Eifersucht, Wut oder doch grausamer Plan? Wie ihre Freundin Anne G. musste Nadine im August auf einem Cuxhavener Campingplatz sterben. „Ich bereue das zutiefst“, schluchzte der 30-Jährige gestern zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Stade.

Schon bei den ersten Vernehmungen durch die Polizei hatte Thomas H. die Tat gestanden. Am Morgen nach den tödlichen Messerstichen im Stadtteil Sahlenburg am 26. August war er in seiner Wohnung in Peine festgenommen worden. Vor Gericht nahm sich der Gabelstaplerfahrer gestern zwei Stunden Zeit, um das Geschehen aus seiner Sicht zu schildern. „Ich habe sie geliebt. Wahrscheinlich zu sehr“, gab er dabei zu Protokoll. Stockend, mit zittriger Stimme und langen Pausen suchte er nach Erklärungen. „Aber ich habe auf meine Fragen keine Antworten.“ Im Angesicht der Familien der Opfer, die als Nebenkläger auftreten, flossen viele Tränen – auf beiden Seiten.

Wenigstens der Ablauf der Ereignisse scheint klar: Nach einer mehr als acht Jahre dauernden Beziehung findet H. im August 2008 in der Internet-Bekanntschaft Nadine T. eine willkommene Abwechslung. „Sie hat mich fasziniert. Ich betrat mit ihr völliges Neuland.“ Doch was sich für den gebürtigen Dresdner wie der Beginn einer neuen Beziehung anfühlt, ist für Nadine T. aus Winsen (Kreis Celle) eher eine Affäre. Über Monate hinweg nagt das Spiel um Nähe und Distanz an H. Er will kontrollieren, „seine Nadine“, wie er auch gestern immer wieder sagt, auf seine Seite ziehen. Nächtliche Kontrollanrufe, H. löscht Nadines Partner-Profil im Internet, nach einem gemeinsamen Urlaub auf dem Cuxhavener Campingplatz wenige Tage vor der Tat löst er die Radmuttern an ihrem Wagen. „Ich wollte als ihr Beschützer auftreten“, sagt H. Dieses Mal klappt es.

Dennoch schafft es H. nicht, die 27-Jährige komplett für sich zu gewinnen. Bei einem Kontrollanruf meldet sich ein Mann. „Du bist nicht der einzige Mann auf der Welt“, donnert ihm Nadine danach entgegen. H: „Ich wollte aber ihr einziger Mann sein.“ Als sich Nadine eine Auszeit allein in Cuxhaven nimmt, will sich H. wieder als Beschützer aufspielen, sagt er. „Ich wollte ihre Reifen zerstechen.“ Also fährt er nachts nach Cuxhaven und schleicht sich in den Wohnwagen. Eine Stunde lang habe er neben ihr gehockt und ihrem Atem gelauscht. Als er dann wieder gehen wollte, sei sie aufgewacht – und habe ihn beleidigt: „Glaubst du blöder Ossi wirklich, dass ich dich zurücknehme?“ Da sei er durchgedreht. Habe am ganzen Körper gezittert. Und „wie im Rausch“ zum Messer gegriffen.

In der Anklage ist von 18 Stichen in den Oberkörper die Rede. Anne G., die Freundin von Nadine, sei H. zunächst nicht aufgefallen. Sie wird wach, flüchtet, schreit, er sticht weiter zu. 15 Stiche, H. verfolgt sie über den Campingplatz, weit kommt sie nicht.

Die Verteidigung, das wird am ersten Verhandlungstag in Stade deutlich, will die Tat als eine Affekthandlung verstanden sehen. Als den Blutrausch eines in Wut geratenen, gekränkten Liebhabers. „Er ist nicht hingefahren, um sie zu töten“, sagte Anwältin Susanne Tölke.H.: „Ich wollte sie nicht töten. Warum auch? Ich wollte sie doch zurück.“

Das sieht die Gegenseite etwas anders. Auf Nachfragen der Nebenklage muss H. drei weitere Affären neben der „Liebe seines Lebens“ eingestehen, seine Maskerade mit Mütze, dunkler Kleidung und Handschuhen – die er nach der Tat wegschmeißt – sei kaum nötig gewesen, um nur Reifen zu zerstechen. Zudem widersprächen seine jetzigen Aussagen denen bei der Polizei. Dort habe er angegeben, dass Messer mitgenommen zu haben, „falls die Situation eskaliert“. Die Anklage lautet auf Mord und Totschlag.

Lebenslänglich für einen Mord, oder doch ein geringeres Strafmaß für zweifachen Totschlag? Das muss das Gericht entscheiden. Und damit bewerten, ob es sich um die Tat eines wütenden Liebhabers oder die eines kaltblütigen Mörders handelte.

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