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Mit Häusern, Kita-Plätzen und Partner-Jobs: Niedersachsen lockt Ärzte aufs Land

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Hinweisschild auf eine Arztpraxis
Hinweisschild auf eine Arztpraxis © dpa

Hannover - Junge Ärzte sind gefragt. Sie können sich ihre Jobs aussuchen, dabei entscheiden sich zu wenige für eine eigene Praxis in der Provinz. Um dem Hausärztemangel entgegenzuwirken, haben das niedersächsische Gesundheitsministerium und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachen (KVN) vor einem Jahr eine gemeinsame Erklärung zur Sicherung der ärztlichen Versorgung auf dem Land unterzeichnet.

Die KVN fordert landesweit 200 bis 300 zusätzliche Medizinstudienplätze. „Die Politik muss handeln, und zwar jetzt“, sagte KVN-Sprecher Detlef Haffke. Denn es dauere rund zwölf Jahre, bis die heutigen Studienanfänger als Hausärzte arbeiten könnten.

Wie viele niedergelassene Mediziner fehlen in Niedersachsen?

Zurzeit sind laut KVN 364 der 5124 Hausarztsitze nicht besetzt. Die meisten offenen Stellen entfallen auf die Regionen Delmenhorst, Buxtehude, Nordhorn, Meppen und Cloppenburg. Bei den Fachärzten gibt es nur 78 offene Stellen, die meisten bei den ärztlichen Psychotherapeuten. Knapp ein Drittel der Regionen sind dagegen für neue Niederlassungen gesperrt, dort gibt es mehr als genügend Ärzte, etwa im Raum Bad Harzburg, Bad Pyrmont oder Emden.

Mit welchen Anreizen sollen mehr Landärzte gewonnen werden?

Zuständig für die ärztliche Versorgung ist allein die KVN, die gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium zahlreiche Programme aufgelegt hat. So werden 26 Studenten mit einem monatlichen Stipendium von 400 Euro gefördert, die sich verpflichten nach dem Studium als Hausarzt in einer ländlichen Region zu arbeiten. Praxisgründer in schlecht versorgten Regionen erhalten Investitionskostenzuschüsse. 2017 wurden diese 27 Mal in Anspruch genommen, 2018 bisher 12 Mal. Gefördert werden können laut KVN aber noch 22 weitere Sitze, etwa im Bereich Bremerhaven, Melle, Stolzenau und Sulingen.

Wie machen die betroffenen Gemeinden?

Der Niedersächsische Landkreistag berichtet, dass sich zahlreiche Kreise aus Sorge um die Entwicklung vor Ort freiwillig engagieren - etwa bei der Wohnungs- oder Haussuche. In der Initiative „Ärztlich Willkommen“ etwa haben sich 26 Kommunen aus den Landkreisen Diepholz, Nienburg und Verden zusammengeschlossen, um als „grünes Herz Niedersachsen“ gemeinsam zu werben. Die Nachwuchsmediziner erhalten auch Ansprechpartner für ihre Traum-Immobilie („Haus am See oder Fachwerk“), Starthilfe für die Jobsuche des Partners sowie Kita- und naturnahe Freizeit-Angebote. Bei dem Modell „Landpartie“ finanzieren Kommunen Praktika für Medizinstudenten in ihren Hausarztpraxen, um sie als potenzielle Nachfolger auf den Geschmack zu bringen.

Wird in Niedersachsen eine Landarztquote eingeführt?

Im Landtagswahlkampf hatte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Einführung einer Landarztquote angekündigt, sollten die bisherigen Anreizprogamme der KVN nicht greifen. Damit könnten wie in Bayern geplant zum Beispiel fünf Prozent der Medizinstudienplätze an Bewerber gehen, die sich verpflichten, als Hausarzt in schlecht versorgten Regionen zu arbeiten. Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) will in zwei Jahren über eine Quote entscheiden. „Wir brauchen auf jeden Fall eine Landarztquote“, sagt der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips. In den kommenden zehn Jahren würden 1000 der gegenwärtig rund 5100 Hausärztinnen und Hausärzte in den Ruhestand gehen. Bei www.landarztboerse.de sind bundesweit mehr als 900 Praxen ohne Nachfolger aufgeführt. Aber nur rund 170 Ärzte suchen auf der Internet-Seite eine Praxis.

Reicht der von der Landesregierung angekündigte Ausbau der Medizin-Studienplätze?

In der jungen Ärztegeneration hat sich der Frauenanteil stark erhöht. Viele wollen nur Teilzeit und angestellt arbeiten. „Wir rechnen mit einem Personalmehrbedarf von etwa 30 Prozent in der Zukunft“, sagt Haffke. Eine Landarztquote sei nur in Kombination mit 200 bis 300 Studienplätzen mehr sinnvoll, betont der KVN-Sprecher. Zudem müsse noch mehr Geld für Niederlassungsanreize und Existenzgründerprogramme ausgegeben werden. Die Landesregierung plant bis zu 200 zusätzliche Medizinstudienplätze, von denen laut Wissenschaftsministerium ein erheblicher Teil nach Oldenburg kommen soll. Zudem sollen mindestens 60 Studierende pro Jahr nach erfolgreichem Abschluss des ersten Studienabschnittes an der Universität Göttingen das klinische Studium am Standort Braunschweig abschließen.

dpa

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