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Niedersachsen gibt NS-Raubgut an Erben eines Opfers zurück

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Isabella Reynolds (von links), Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD), James Reynolds und Vernon Reynolds bei der Übergabe des Aquarells „Marschlandschaft mit rotem Windrad“.
Isabella Reynolds (von links), Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD), James Reynolds und Vernon Reynolds bei der Übergabe des Aquarells „Marschlandschaft mit rotem Windrad“. © dpa/Silas Stein

Hannover - Die Stadt Hannover hat ein expressionistisches Aquarell an die Erben eines jüdischen Fabrikanten zurückgegeben. Am Dienstag übergab Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) das Werk "Marschlandschaft mit rotem Windrad (Das Windrad)" von Karl Schmidt-Rottluff an Vernon Reynolds, dem Enkel des Unternehmers Max Rüdenberg.

Die Stadt folgte damit einer Empfehlung der sogenannten Limbach-Kommission. Sie gibt ihre Einschätzung zu Kulturgütern ab, die ihren Eigentümern von den Nazis geraubt oder abgepresst wurden. 

„Es ist Gerechtigkeit geschehen“

„Für uns ist das ein besonderes Ereignis und ein wichtiger Teil der hannoverschen Geschichte“, betonte Schostok im Neuen Rathaus in Hannover. Zwar sei die Provenienz des Werkes nur zu 99 Prozent geklärt, so Schostok. Doch die Übergabe sei ihm wichtig und die Stadt wolle ein Zeichen der Verständigung setzen. 

Auch Reynolds Sohn und seine Enkelin waren zur Übergabe von England nach Hannover gekommen. Die drei nahmen das Bild stellvertretend für die Erbengemeinschaft an. „Es ist Gerechtigkeit geschehen, weil etwas Gestohlenes zu seinem Besitzer zurückkommt“, sagte Vernon Reynolds. 

Das Sprengel Museum, in dessen Besitz das Aquarell mehr als vierzig Jahre war, teilte mit: „Auch wenn die Provenienz des Aquarells nicht lückenlos geklärt werden konnte, finden wir es richtig, dass der Empfehlung der Limbach-Kommission von Seiten der Stadt gefolgt wird.“ Das Museum hofft, dass das Bild weiterhin öffentlich sichtbar sein kann - diesen Wunsch äußerte auch Schostok gegenüber den Reynolds. Was mit dem Aquarell künftig geschieht, will die Familie nun beraten. 

Eine Doktorarbeit hatte den Stein ins Rollen gebracht

Die Erben Rüdenbergs hatten schon im April 2013 beantragt, dass das Aquarell als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zurückgegeben wird. Beide Seiten - die Stadt Hannover und Familie Reynolds - hätten vorher vereinbart, der Empfehlung der Kommission zu folgen, unabhängig davon, wie sie ausfallen würde, beschrieb Schostok. 

Den Stein ins Rollen gebracht hatte eine im Jahr 2007 veröffentlichte Doktorarbeit der Forscherin Vanessa-Maria Voigt über Raubkunst. Die Forscherin hatte damals Vernon Reynolds per Mail kontaktiert und ihn darauf hingewiesen, dass das Aquarell womöglich seiner Familie gehöre. Als stärkstes Indiz dafür gilt, dass auf der Rückseite der „Marschlandschaft“ eine handschriftliche Notiz zu finden ist: „Max Rüdenberg, Hannover.“ Margit Sprengel soll das geschrieben haben. 

Ihr Mann, Bernhard Sprengel, hatte das expressionistische Blatt nach Angaben des Sprengel Museums im Jahr 1939 in der Galerie Erich Pfeiffer in Hannover erstanden und es 1979 dem Museum geschenkt. 

Komplizierter Herkunfs-Nachweis

Der Nachweis über die Herkunft und den Weg des Werkes aus dem Jahr 1922 war dem Oberbürgermeister zufolge auch deshalb kompliziert, weil wichtige Dokumente aus dem Zeitraum 1922 bis Ende der 1930er Jahre fehlen. Dahinter stehe eine tragische Familiengeschichte. 

Das Schicksal des jüdischen Kunstsammlers Max Rüdenberg, der auch als Kommunalpolitiker aktiv war, steht für viele Opfer des NS-Regimes. Rüdenberg habe das Bild verkauft, „um Steuern und andere Forderungen der Nationalsozialisten zu begleichen“, erzählte sein Enkel Vernon Reynolds vor Journalisten bei der Übergabe. Der damals 79 Jahre alte Unternehmer wurde schließlich enteignet und zusammen mit seiner Ehefrau nach Theresienstadt deportiert. Dort starben beide 1942.

dpa

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