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Nach Wutrede bei Anti-Corona-Demo - Wohnung von Polizist in Hannover durchsucht

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Ein Polizist aus Hannover hat sich mit einer Rede bei einer Demonstration in Dortmund gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen gestellt und Vergleiche zur Nazi-Zeit gezogen. Nun wurde offenbar seine Wohnung durchsucht.

Update vom 28. August: Ermittler haben einem „Spiegel“-Bericht zufolge die Wohnung eines niedersächsischen Kriminalpolizisten durchsucht, der nach Reden bei zwei Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom Dienst suspendiert wurde. Die Maßnahme vom Montag sei im Rahmen des gegen den Beamten eingeleiteten Disziplinarverfahrens erfolgt, berichtete das Magazin am Freitag vorab. Um strafrechtliche Vorwürfe ging es laut „Spiegel“ nicht.

Der Fall des Polizisten aus Hannover hatte im August für Aufsehen gesorgt, nachdem ein Video seiner Ansprache auf einer Demonstration von Gegnern der Corona-Maßnahmen sich im Internet verbreitet hatte. Darin nahm der Mann laut Medien für sich bewusst in Anspruch, als ein Polizeibeamter und nicht als Privatmensch zu sprechen. Er zog dabei unter anderem Vergleiche mit der NS-Zeit. (afp)

Originalartikel vom 11. August: Ein aus Hannover stammender Kriminalhauptkommissar hat am Sonntag, dem 9. August, bei einer von der Organisation „Querdenken-231“ angemeldeten Demonstration in Dortmund eine Rede gehalten. In dieser richtete er sich gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen, stellte die Existenz der Gewaltenteilung infrage und zog Parallelen zur Nazizeit. Der Polizist wurde nun vorerst von seinem Dienst entbunden, während der Fall geprüft wird.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat sich in Reaktion auf die Rede erschüttert gezeigt. Patrick Seegers, der Landesvorsitzende aus Niedersachsen, sagte am Dienstag: „Ich muss gestehen, ich war entsetzt über die Art des Auftritts und die Wortwahl. Das darf so nicht stehenbleiben.“ Aus diesem Grund unterstütze er die eingeleiteten Schritte gegen den Polizisten aus Hannover. Einen solchen Auftritt habe er bei einem niedersächsischen Polizeibeamten noch nicht gesehen. „Diese Art und Weise, sich so zu äußern, geht für mich auf keinen Fall“, sagte Seegers.

Menschen demonstrieren in Dortmund gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen bei einer Kundgebung.
Menschen demonstrieren in Dortmund gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen bei einer Kundgebung, die von der Organisation „Querdenken-231“ angemeldet wurde und unter dem Motto „Festival für Frieden & Freiheit - Wahrung unserer Grundrechte“ stand. © Fabian Strauch / picture alliance / dpa

Die Organisation „Querdenken-231“ hatte zu einer Demonstration unter dem Motto „Festival für Frieden & Freiheit - Wahrung unserer Grundrechte“ aufgerufen. Der Polizist stellte sich zu Beginn seiner Ansprache als Kriminalhauptkommissar aus Hannover mit vollem Namen vor. In seiner Rede hinterfragte er die geltenden Corona-Schutzmaßnahmen. Die Pressestelle der Polizeidirektion Hannover teilte zwei Tage nach der Veranstaltung mit, dass geprüft werde, ob der Mann gegen die gebotene Neutralität und die sogenannte Wohlverhaltenspflicht verstoßen habe.

Bis geklärt sei, ob ein Verstoß vorliege, sei dem Beamten verboten, seine Dienstgeschäfte auszuüben, wie eine Sprecherin der Polizeidirektion erläuterte. „Das Verbot erlischt, wenn nach drei Monaten kein Disziplinarverfahren eingeleitet wird“, sagt sie. Bei der Demonstration am Sonntag in Dortmund hatten nach Polizeiangaben knapp 2.800 Menschen in der Innenstadt gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen demonstriert. Die Kundgebung verlief friedlich, die meisten Teilnehmer der Demo trugen keinen Mund-Nasen-Schutz, nach Appellen der Polizei wurden aber die Abstandsregeln eingehalten.

Polizist bezweifelt Existenz der Gewaltenteilung und Rechtmäßigkeit der Corona-Regeln

Der Polizist forderte seine Kollegen während der Rede auf, sich in der aktuellen Corona-Situation mehr ihrem Gewissen verpflichtet zu fühlen als dem Gehorsam. Wie dem auf YouTube veröffentlichten Video des Auftritts zu entnehmen ist, zog der Beamte dabei auch Parallelen zur Nazi-Zeit. „Im dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte haben Regierende ihre Sicherheitskräfte schon einmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan wurden.“ Der Polizist erklärte, er habe Angst, denn „mein Bauch sagt mir, dass sich gerade alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt“.

Der Polizist erklärte, er habe Anfang der 1980er Jahre einen Eid auf eine Verfassung in der damals geltenden Form geschworen und habe diese sowie „unsere Staatsform viele Jahre lang für die beste der Welt, denn sie enthielt gute Sicherung gegen Missbrauch“. Er erläutert, dass der Schutz gegen Missbrauch unter anderem in der Gewaltenteilung festgesetzt ist. „Es gibt aus meiner Sicht schon lange keine Gewaltenteilung mehr“, erklärt er den anwesenden Demonstranten.

Innenministerium: Kein Platz in der niedersächsischen Polizei

Er zitiert im Verlauf der Rede aus dem Infektionsschutzgesetz, darunter die Aufgaben des Robert-Koch-Instituts, und dem Amtsblatt der Europäischen Union, speziell den Leitlinien zur Definition einer potentiell schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und kommentiert die zitierten Inhalte. Die ausgeführten Regelungen bewertet er mit den Worten, es sei alles nur eine Frage der Interpretation und Begründung und stellt weiterhin die Rechtmäßigkeit der Regelungen infrage. Die anwesenden Demonstranten reagieren auf die Ausführungen des Redners mit Applaus oder Buhrufen. Rund einen Monat später demonstrieren Corona-Gegner auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete am Dienstag, der Kriminalhauptkommissar sei seit Jahren bei der Zentralstelle technische Prävention der Polizei Hannover tätig. Der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums, Philipp Wedelich, erklärte, Beamte, die nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stünden, hätten keinen Platz in der niedersächsischen Polizei. Dem Innenministerium sei aktuell kein vergleichbarer Fall eines Polizeibeamten aus der jüngsten Zeit bekannt.

Polizeidirektion: Private Meinung ist zwingend vom dienstlichen Handeln zu trennen

Die Sprecherin der Polizeidirektion stellt klar, dass selbstverständlich auch für Polizeibeamte das Recht auf freie Meinungsäußerung gelte. Der Behörde sei dabei bewusst, dass sich Beamte in einem gewissen Spannungsverhältnis befänden. Die private Meinung seit jedoch stets zwingend vom dienstlichen Handeln zu trennen. Polizisten müssten sich im Dienst und in ihrer Freizeit für die Einhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einsetzen. „In ihrem Auftreten und bei ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit sind sie dabei allerdings zur Mäßigung und Zurückhaltung aufgerufen.“ Dadurch seien dem Recht der freien Meinungsäußerung bestimmte Grenzen gesetzt.

Auch der niedersächsische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Dietmar Schilff, äußerte sich ähnlich. Das Verhalten von Beamten müsse „der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert“. Schilff sind nach eigener Aussage zwei Fälle bekannt, in denen sich Polizisten auf Anti-Corona-Protesten äußerten. So habe ein pensionierter Polizist auf einer Kundgebung in Passau gesprochen und ein aktiver Beamter in Augsburg.

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