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Es rieselt nicht, es nieselt: Viele Kinder wachsen ohne Schneemann und Rodelspaß auf

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Immer seltener schneit es in Norddeutschland. Geschlossene Schneedecken, große Schneemänner und Iglus zum Hineinklettern kennen viele Kinder nur noch aus dem Urlaub - oder aus Büchern und dem Fernsehen.

Hannover - Hat Rolf Zuckowski Kinder in ganz Deutschland an der Nase herumgeführt - unwissentlich natürlich? Der Kinderliedermacher dichtete einst: „Winterkinder können stundenlang am Fenster stehen, und voll Ungeduld hinauf zum Himmel sehen, Winterkinder in den Bergen oder an der See, alle warten auf den ersten Schnee.“

Allein: es gibt in weiten Teilen Deutschlands keinen Schnee, selbst in Höhenlagen wird er rar - und sogar die Alpen sind längst nicht überall „schneesicher“. Auch im Harz gibt der Winter nur ein kurzes Gastspiel.

Seit Jahren fällt im Winter immer weniger Schnee - viele Kinder nicht nur im Norden Deutschlands dürften ihn allenfalls aus Filmen oder Bilderbüchern kennen: Es rieselt nicht, es nieselt - und stürmt im Zweifel.

Winterlandschaften den Jüngsten oft nur aus Büchern bekannt

Ein heute Dreijähriger aus Hannover hat Winterlandschaften tatsächlich fast nur in Kinderbüchern gesehen. Seit seiner Geburt gab es in der Region kaum je eine geschlossene Schneedecke. In diesem Winter schneite es so gut wie gar nicht, im Frühjahr 2019 fielen einige Flocken. Das reichte für einen Mini-Schneemann. „Wir fahren bald mal in den Harz, damit er mal richtigen Schnee kennenlernt“, erzählt seine Mutter. Doch auch dort ist die weiße Pracht mittlerweile oft dünn gesät.

Kinder im Schnee
Selbst im Harz werden dichter Schneefall und eine geschlossene Schneedecke immer seltener. © dpa/Swen Pförtner

Schlittenfahren, Schneeballschlachten - oder sich einfach mal in den Schnee werfen - der zehnjährige Mikael aus Hannover vermisst das. „Ich würde mich riesig freuen, wenn es mal drei Zentimeter Schnee geben würde - das ist besser als gar nichts“, sagt er. Immerhin kann er sich vage an Schnee erinnern - richtig schön fand er es, als ihm dieser mal bis zum Knie ging. Nur war er da erst vier oder fünf Jahre alt.

Der achtjährige Lukas aus Münster wartet jedes Jahr auf Schnee - er hat auch schon im Schnee gespielt, war damals aber erst dreieinhalb. Er findet's ohne Schnee „doof, man kann keine Schneemänner und keine Iglus mehr bauen“. In Filmen seien immer Schneelandschaften zu sehen - „man will das auch mal erleben, kann man aber nicht“, bemängelt er. Einen Grund dafür liefert er - ganz fachmännisch - auch: „Es wird zu viel CO2 in den Himmel geschossen, daher wird es immer wärmer.“ Sein älter Bruder Nicolas (11) sagt, er vermisse den Schnee sehr. Die Mutter der beiden sagt zum Schneemangel: „Mir tut es wahnsinnig leid, ich finde es traurig für die Kinder.“

Tage mit geschlossener Schneedecke werden immer weniger

Und der Schnee fehlt nicht nur gefühlt: Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gab es in den Jahren 1961 bis 1990 im Durchschnitt und gemittelt über Deutschland etwa 47 Tage mit einer Schneedecke. In den vergangenen 30 Jahren sank die Zahl der Tage mit Schneedecke deutlich - teils auf nur noch etwa 20 Tage. Das schneereiche Jahr 2010 allerdings steche heraus.

Im Film immerhin ist die Winterwelt noch in Ordnung - Elsa und Anna aus dem Disney-Animationsfilm „Die Eiskönigin“ kennen eigentlich nur meterdicken Schnee. Aber: „Das spielt in einer anderen Welt“, sagt Mikael und winkt ab. Ohnehin seien die meisten in der Regel kleineren Kinder eher von Elsas rosafarbenen Kleidern beeindruckt - der Schnee gerate in den Hintergrund, sagt eine Sprecherin des Deutschen Kitaverbandes.

Für viele Familien sind Ausflüge in Schneegebiete ein besonderes Highlight - auch, weil es zu Hause im Norden kaum noch Schnee gibt.
Für viele Familien sind Ausflüge in Schneegebiete ein besonderes Highlight - auch, weil es zu Hause im Norden kaum noch Schnee gibt. © Swen Pförtner/dpa

Müssen Bilderbücher oder Schulbücher künftig anders aussehen, wenn es die abgebildeten Schneelandschaften in weiten Teilen des Landes nicht mehr gibt? Verlage stellen sich auf das Thema erst noch ein. Aber die Idee, ein Buch zu machen, in dem Weihnachten in einem schneefreien Winter stattfindet, gibt es, wie die Sprecherin des Carlsen-Verlages, Katrin Hogrebe, in Hamburg sagt. Wann das Realität wird, ist aber unklar.

Klimawandel nicht für Unterricht an Grundschulen vorgesehen

Nach Angaben des Cornelsen-Schulbuch-Verlags gilt Schnee in der Grundschule nur als eine Art des Niederschlags, nicht mehr. Verbindungen zum Klimawandel gebe es - noch - nicht. Der Klimawandel sei von den Ländern bisher nicht für den Sachunterricht an Grundschulen vorgegeben, die Thematik sei auch sehr komplex, sagt ein Sprecher in Berlin. Es gehe für Grundschüler um Grundwissen - was sind Wetter und Klima überhaupt? Laut Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin des Trägernetzwerks Konzept-e in Stuttgart, sind Kinder neugierig und wollen die Welt entdecken. Daher gebe es sicher Kinder mit Fragen zum Schnee.

In der Kindertagesstätte des Leibniz-Familienzentrums in Hannover gilt: „Was die Kinder beschäftigt, machen wir zum Thema“, erklärt Leiterin Andrea Weisz. Schnee sei in der Kita aber tatsächlich kein Thema, unter den Weihnachtswünschen der Kinder sei auch kein Schlitten gewesen. Möglicherweise hätten sich Stadtkinder „mehr oder weniger daran gewöhnt“, dass es keinen Schnee gebe, vermutet Weisz. Außerdem: Sie spricht von „interkulturellen Einflüssen“ - die 105 Kinder der Kita stammten immerhin aus 13 Nationen. Und Kinder aus südlichen Ländern fragten in der Regel nicht nach Schnee.

Mikael hat nicht nur Fragen, sondern sogar einen Rat für seine Eltern - mal in den Schnee fahren: „Das würde ich mir wünschen.“ Denn eine Menge Kinder dürften Schnee zumindest vom Winterurlaub kennen. Wie auch immer: Die zehnjährige Carla aus Hannover und ihre Freundin wissen sich zu helfen. Da reicht schon etwas Raureif auf dem Rasen - schon holen die beiden den Schlitten aus dem Keller und rutschen einen Erdwall hinab.

dpa

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