Wohnungslosigkeit sei die extremste Form von Armut, und das Armutsrisiko sei in den vergangenen Jahren gestiegen, sagt auch Mark Brockmann von der Zentralen Beratungsstelle Niedersachsen für Wohnungslose von Caritas und Diakonie. Die Sozialämter hätten keinen direkten Zugriff mehr auf Wohnraum, es gebe kaum noch Sozialwohnungen.
Ganz besonders betroffen sind nach Einschätzung von Kruse und Brockmann junge Menschen bis 25 Jahre, die aus problematischen Familien kommen und auf Sozialleistungen angewiesen sind. Der Gesetzgeber erwartet, dass sie bei ihren Eltern wohnen. Ziehen sie aus, halten sie sich nicht an die Auflagen des Jobcenters, wird ihre Unterstützung um 100 Prozent gekürzt. Eine Zeit lang kommen sie noch bei Freunden unter - und landen dann nach ein paar Jahren komplett auf der Straße. Eine Chance, aus dem Kreislauf rauszukommen, haben sie nach Auffassung von Kruse und Brockmann von Anfang an nicht.
Wie viele Menschen in Niedersachsen Platte machen, weiß keiner. Das wird statistisch nicht festgehalten. In den Betreuungseinrichtungen sind landesweit rund 6000 Menschen erfasst. "Das sind die, die versuchen, nicht mehr Platte zu machen", sagt Brockmann. Am 31. Oktober wurden in Westniedersachsen, also den Bereichen der Beratungsstellen Oldenburg und Osnabrück, die Kontakte in den Tageseinrichtungen und ambulanten Hilfseinrichtungen gezählt worden: Es waren 1033 Menschen. Wie hoch die Zahl im restlichen Niedersachsen ist, in den Ballungsräumen um Hannover und Braunschweig, weiß keiner.
Die Zahl der Obdachlosen dürfte steigen. Die Beratungsstellen registrieren erste Anfragen von Osteuropäern, die als Leih- oder Werkarbeiter nach Niedersachsen gekommen sind, ihren Job verloren haben und jetzt auf der Straße stehen. Auch so manchem Flüchtling drohe die Wohnungslosigkeit, fürchten Kruse und Brockmann.