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Chemiehändler versorgte "Sauerland"-Gruppe

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Die vier Islamisten der Sauerlandgruppe.
Die vier Islamisten der Sauerlandgruppe. © dpa

Verden - Ein Chemikalienhändler aus Hodenhagen (Kreis Soltau-Fallingbostel), der unter anderem die islamistischen Terroristen der „Sauerland-Gruppe“ mit Zutaten für die Sprengstoff-Herstellung beliefert haben soll, muss sich seit gestern vor dem Landgericht Verden verantworten.

Insgesamt listete die Anklageschrift rund 200 Fälle aus den Jahren 2007 bis 2009 auf, bei denen es um den Verkauf von Chemikalien geht, die zur Herstellung von Sprengstoff oder Amphetaminen geeignet sind. Mit Chemikalien kennt sich der aus Frankfurt (Oder) stammende Angeklagte bestens aus. Und so glich seine Einlassung schon fast einer Lehrstunde in Chemie.

Der Terrorprozess gegen die Sauerlandgruppe

Seit dem 13. Lebensjahr befasse er sich mit dem Thema, besuchte eine Spezialschule für Naturwissenschaften in der DDR und wollte vor fünf Jahren ein Lehramtsstudium Physik und Chemie beginnen, doch dann habe sich die Gelegenheit für den Chemikalienhandel übers Internet ergeben. Die Reaktion verschiedener Substanzen kann er offenbar besser beurteilen, als die Gesetze und Verordnungen, die er als Chemikalienhändler zu beachten hatte.

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft ihm vor, gefährliche Stoffe verkauft zu haben, ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis zu sein. 55 Mal habe er gegen das Sprengstoffgesetz verstoßen, in 27 Fällen soll er gewerbsmäßig Beihilfe zum Herstellen und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geleistet haben, und 123 Mal soll er gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben, indem er eine Substanz namens Gamma-Butyrolacton (GBL) verkauft habe. „Das Geschäft war lohnend und nicht gesetzeswidrig“, erwiderte er.

Bei manchen Bestellungen sei ihm klar gewesen, dass man daraus Amphetamine herstellen kann. „Aber die einzelnen Stoffe sind nicht illegal. Der Kunde wird schon wissen, was er tut und dass er sich damit eventuell strafbar macht“, so der 39-Jährige zu seiner damaligen Einstellung. Bei einigen Lieferungen sei die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dass man aus den bestellten Substanzen Drogen oder Sprengstoff herstellen könne, schlichtweg „Humbug“.

GBL würde für Farb- und Graffiti-Entfernungen verwendet, dass es auch konsumiert wird, habe er anfangs gar nicht gewusst. „Das ist ein Lösungsmittel“, für ihn sei es unvorstellbar gewesen, dass das jemand „säuft“.

Aus dem von den Terroristen gekauften Wasserstoffperoxid Sprengstoff herzustellen, sei „an Idiotie nicht zu überbieten“. Es würde für Schimmelpilzentfernungen oder der Reinigung von Schwimmbecken verwendet. An Terroristen habe er bei den Kunden nicht gedacht, sich nur über die Bestellung gefreut. Insgesamt lieferte er 585 Kilo.

Der 39-Jährige bestätigte, anders als seinerzeit in dem Terroristenprozess, dass der inzwischen zu zwölf Jahren Haft verurteilte Fritz Gelowicz drei Mal bei ihm war, um die telefonisch erfolgten Bestellungen abzuholen. Er habe ihm noch beim Verladen der schweren Kanister geholfen. Irgendwann sei dann das Bundeskriminalamt zu ihm gekommen und wollte wissen, was er dem Mann verkauft hat.

Bei weiteren Bestellungen informierte er das BKA, das vor der Abholung die Substanzen austauschte. Irgendwann seien die Fässer nicht mehr abgeholt worden. „Das BKA sagte mir: ‚Gehen sie mal davon aus, dass keiner mehr kommt‘“, so der Angeklagte. Die Gruppe wurde festgenommen. Das Gericht hatte dem Chemikalienhändler vor seiner Aussage eine Strafobergrenze von drei Jahren und neun Monaten im Falle eines umfassenden und glaubhaften Geständnisses zugesagt. Möglich, dass sich der Prozess so verkürzt. Eingeplant sind sechs Verhandlungstage bis zum 23. Juni.

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