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Wie Ärzte aufs Land locken?

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Hoya - Von Michael Wendt. Der oft zitierte Ärztemangel droht nicht mehr, er ist bereits Realität. Deshalb hat die Samtgemeinde auf Initiative von Bürgermeister Detlef Meyer ein Beratungsunternehmen engagiert, das zunächst mit allen „Akteuren der Gesundheit“ in der Region spricht und dann Handlungsempfehlungen gibt. Dabei greift die Beraterfirma aus Gießen auf ihre bundesweit gemachten Erfahrungen zurück. Es ist die mittlerweile dritte Initiative, die helfen soll, Ärzte aufs Land zu holen.

Zum einen gibt es die Imagekampagne „Ärztlich willkommen“, initiiert von Kommunen aus den Kreisen Nienburg, Diepholz und Verden. Dann haben Bücken, Eystrup und Hoya finanzielle Anreize für die Ansiedlung von Ärzten geschaffen. Und nun soll die Ideenwelt Gesundheitsmarkt GmbH die Situation analysieren. „Wir müssen als Samtgemeinde etwas tun. Und dafür müssen wir wissen: Wie ticken die ,Akteure der Gesundheit‘ in unserer Region“, sagt Detlef Meyer im Pressegespräch.

Zwar habe die kassenärztliche Vereinigung (KV) den Auftrag, die Arztversorgung sicherzustellen, aber darauf alleine verlässt sich die Samtgemeinde nun nicht mehr.

„Der Bürger vor Ort fragt nicht nach Zuständigkeiten. Er spricht die örtliche Politik an, und das kann ich auch verstehen“, sagt Wilhelm Schröder. Der Bücker Bürgermeister nahm diese Woche als Sprecher der CDU/UWG/FDP-Gruppe im Samtgemeinderat am Pressegespräch im Hoyaer Rathaus teil, ebenso Bernd Meyer (SPD) und Frank Lange (Grüne). Alle betonen, dass sich die Initiative nicht gegen die KV richte, die KV informiert sei und man den Schulterschluss suche.

Was die Firma Ideenwelt Gesundheitsmarkt macht, ist zunächst nur ein erster Schritt zur Sicherstellung der Arztversorgung. Noch im Sommer spricht sie mit Ärzten, Therapeuten, Apothekern, Zahntechnikern, Sanitätshäusern und weiteren Gesundheitsdienstleistern in der Samtgemeinde – persönlich und vertraulich. In dieser Bestandsanalyse ergründet sie, was die „Akteure im Gesundheitswesen“ wollen, wie ihre persönliche Situation ist und wie sie möglicherweise helfen können, die Arztversorgung auch für die Zukunft sicherzustellen.

Ein möglicher Weg: Anstellung von Ärzten

Wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht, scheint die Ideenwelt Gesundheitsmarkt an einem Punkt besonders ansetzen zu wollen: der Anstellung von Ärzten. In der Mitteilung heißt es: „Die entscheidenden Gründe für den fehlenden Nachwuchs an niederlassungswilligen Ärzten sind folgende: Die sogenannte Femisierung des Arztberufs – ein Großteil der Absolventen eines Medizinstudiums ist heutzutage weiblich, und damit geht ein Wunsch nach Teilzeitmodellen einher – sowie die zurückgehende Bereitschaft der jungen Mediziner, unternehmerische Risiken einzugehen. Viele bevorzugen die Arbeit im Team oder in Anstellung.“

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Mit der Aussicht, als allein wirtschaftender Hausarzt mit Zehn-Stunden-Tagen, Notdiensten und wenig Urlaub kann man keine Mediziner locken – erst recht nicht aufs platte Land.

„Ich setze viel Hoffnung in die Möglichkeit, dass Ärzte erst einmal junge Mediziner anstellen“, sagt Detlef Meyer. „Oder andersherum“, ergänzt Wilhelm Schröder: Niedergelassene Ärzte suchen einen Nachfolger und lassen sich von ihm anstellen. So entlasten sie den Nachfolger und können gleichzeitig selbst etwas kürzer treten. Einen solchen Weg hat der Hoyaer Hausarzt Heinz Arendt einschlagen und vergangenes Jahr eine mögliche Nachfolgerin eingestellt. Sie arbeitet derzeit halbtags. Nach der Übergabe der Praxis in einigen Jahren könnten beide die Arbeitsteilung umkehren.

Ideenwelt Gesundheit stellt sich im Ausschuss vor

Die Ideenwelt Gesundheit rühmt sich in ihrer Pressemitteilung, vielerorts in stark ländlichen Regionen eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung neu geschaffen zu haben. „Ich habe mit Bürgermeister-Kollegen in Hessen und Baden-Württemberg gesprochen, sie waren froh, die Firma engagiert zu haben“, sagt Detlef Meyer.

Im nicht öffentlich tagenden Samtgemeindeausschuss hat das Beratungsunternehmen sich und seine Ideen in diesem Jahr vorgestellt. „In unserer Gruppe waren wir, bestärkt durch diese Präsentation, gleich Feuer und Flamme für das Angebot“, sagt Wilhelm Schröder. Auch Bernd Meyer betont: „Wir haben einen guten Eindruck gewonnen und hoffen auf entsprechende Handlungsempfehlungen.“

Frank Lange setzt ebenfalls Hoffnungen in das Projekt: „Vielen Ärzten fehlen die Ideen und das Wissen, wie sie eine Praxis übergeben“, sagt er. Die Beratungsfirma könne dazu Ansätze liefern und aus Erfahrung berichten, wie man als Arzt in einer modernen Praxis arbeiten und Praxen vernetzen kann.

„Dafür braucht man Infrastruktur und Räume“, sagt Detlef Meyer. Er denkt schon seit Längerem über den Bau eines modernen Ärztehauses nach. Die Ideenwelt Gesundheitsmarkt scheint dabei der richtige Partner. Sie hat anderenorts bei der Gründung von Betreibergesellschaften für Gesundheitszentren beraten.

Zunächst aber wartet die Samtgemeinde auf die Bestandsanalyse und daraus folgende Handlungsempfehlungen. Das wird einige Monate dauern.

Und was kostet das Ganze? Netto rund 40.000 Euro. Die Kosten sind hoch, aber vertretbar, finden die Gruppensprecher des Samtgemeinderats. „Wenn wir nur einen Arzt dadurch gewinnen, rechnet sich die Ausgabe schon“, sagt Frank Lange.

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