Apropos historische Farbe. Gehen wir nach draußen, wo es am Chor der Kirche nach Leinöl riecht. Das liegt am neuen Anstrich, den die Fensterrahmen erhalten haben. Die verwendete Farbe ist wie früher auf Leinöl-Basis hergestellt.
Um wirklich historische Fenster handelt es sich in der Kirche aber nicht. Die ursprünglichen saßen etwas weiter innen als die jetzigen. Das machen Reste von abgeschlagenen glasierten Zierziegeln in der Fensterlaibung deutlich. Die beschädigten Steine sind längst überputzt worden. Renate Schumacher kann sich vorstellen, dass die Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg Fenster aus den bombardierten Fliegerhorst-Gebäuden erhalten hat. So genau weiß das aber keiner.
Zumindest sind die Bestehenden jetzt aufgearbeitet und neu verglast worden. Das nördliche Chorfenster war nicht mehr zu retten und ist komplett neu.
Auf überraschend viel historisches Baumaterial konnten die Restauratoren dagegen beim Kapellenanbau zurückgreifen. Der hatte einst eine Kuppel, die aber relativ bald nach dem Bau eingestürzt sein muss. Seitdem schmückt ein Spitzdach den Anbau, der wohl Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden ist und damit der älteste erhaltene Teil der Kirche sein dürfte. Deren Chor stammt aus dem 14. Jahrhundert, das Kirchenschiff von 1750, sagt Schumacher.
Und der Turm? Der ist der zweite oder dritte, den die Kirche besitzt. Er wurde 1828 aus Ziegeln gemauert und außen mit Sandstein verkleidet. Ob den Bauherren dabei das Geld oder die Sandsteine ausgegangen sind, lässt sich nicht mehr klären. Zumindest sind die obersten Meter des Turms durchgängig mit Ziegeln gemauert und später verputzt worden. Ein Stilbruch, wie es einige an der ehemaligen Kirche gibt. Der Turm zum Beispiel ist (größtenteils) Sandstein-verkleidet, der Chor gemauert, und das Schiff? Verputzt! Grau und grob. Und zementhaltig, folglich neueren Datums.
Aber zurück zum Choranbau. Dessen Ortgangsteine (also der Abschluss der Dachfläche am Giebel) waren größtenteils porös wenn nicht gar auseinandergebrochen. Einige Ersatzsteine schuf eine Steinmetzin aus neuen Ziegeln, andere fanden sich im Choranbau, der einst die Grabstätte der Grafen war (sie wurden später umgebettet). Der Anbau lag voll mit Schutt. „Einen Tag hab ich darin rumgewühlt und auch einige intakte alte Steine gefunden“, erzählt Renate Schumacher.
Man erlebt halt Überraschungen bei der Sanierung eines Altsbaus. Die meisten sind negativ. So waren die Grafenlogen vom Holzkäfer befallen. Sie wurden ausgebaut, in Lippstadt aufwendig wärmebehandelt und in Teilen in Schweringen neu getischlert. Nun sind sie wieder an Ort und Stelle in der Kirche – so eingebaut, dass die Luft dahinter und darunter zirkulieren kann. Das soll erneuten Feuchteschäden und einem Käferbefall vorbeugen. „Beim Ausbau haben wir festgestellt, dass die Logen direkt auf Lehmboden standen. Jetzt haben wir Sandsteinplatten darunter gelegt“, sagt Schumacher.
Feuchtigkeit war auch ein Problem im Choranbau, der die Sanierer wohl noch die meiste Arbeit kosten wird. Das Mauerwerk war von Schwamm befallen und ist entsprechend behandelt worden, um ihn abzutöten. Nun wird das Fundament des Anbaus außen noch freigelegt, um die Steine von dort aus reinigen zu können. Dann erhalten sie eine neue Verfugung und einen Sperrputz, der sie künftig vor der Feuchtigkeit aus dem Erdreich schützt.
Innen bekommt der Choranbau einen neuen Boden. Aufgrund seiner Vergangenheit als ehemalige Grabstätte der Grafenfamilie und weil seine Architektur Rückschlüsse auf verschiedene Bauepochen ermöglicht, dürfte er später einer der interessantesten Räume im Kulturzentrum sein.
Die Sanierung der ehemaligen Martinskirche kostet rund eine Million Euro. Formal ist die Stiftung Martinskirche Träger des Gebäudes. Weil sie aber längst nicht über ausreichende Mittel verfügt, zahlt de facto die Stadt Hoya die Kosten für die Arbeiten. Allerdings erhält sie aus einem Förderprogramm von Bund und Land zwei Drittel davon zurück.