1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Nienburg
  4. Nienburg/Weser

Hunde leiden im Stillen

KommentareDrucken

Das Buch war in etwa einem Jahr fertiggestellt. Ein weiteres zum Thema Gelenkerkrankungen, von denen viele Hunde betroffen sind, ist schon in Arbeit.
Das Buch war in etwa einem Jahr fertiggestellt. Ein weiteres zum Thema Gelenkerkrankungen, von denen viele Hunde betroffen sind, ist schon in Arbeit. © vik

Binnen - Von Vivian Krause. Der Wind weht Herrchen und Hundchen beim Spaziergang um die Nase. Der Vierbeiner an der Leine ist ganz aufgeregt, dass es eine Runde um den Block geht und springt auf und ab. Kaum losgemacht, rennt er über die Wiese, holt ein Stöckchen und tobt ausgelassen umher. Dann plötzlich heult er auf und bleibt winselnd liegen – der Vierbeiner hat sich einen Dorn in die Pfote gerammt. Doch was, wenn die Schmerzen beim Tier nicht so offensichtlich sind?

Hunde zeigen ihre chronischen Leiden nicht. Da sie nicht sprechen können, haben sie Taktiken entwickelt, um mit dem ungewohnten Gefühl umzugehen, wie beispielsweise ihre Gangart zu verändern. Daher der Appell an den Hundehalter: Genau hinschauen und den Hund „lesen lernen“. Hilfreich dabei kann das Buch „Schmerzen beim Hund – Erkennen, behandeln, lindern“ von Renate Albrecht und Michaela Ender sein. Seit Oktober diesen Jahres ist es erhältlich und soll ein Ratgeber und Leitfaden für alle Hundehalter sein. „Es ist kein medizinisches Fachbuch“, beteuert Albrecht, Physiotherapeutin in der Tierklinik Nienburg.

Das Buch soll dem Leser einen Überblick verschaffen, wann und wie er dem Vierbeiner helfen kann. Darin finden sich neben Tipps rund um die Schmerzerkennung auch Grundlagen dazu, wie der Schmerz überhaupt entsteht. In späteren Kapiteln kann ein Einblick in passende Therapien gewonnen werden, wie Akupunktur, Homöopathie, Taping oder Hydrotherapie. Schon hier wird die Ähnlichkeit zur Behandlung des Menschen deutlich.

Doch das war nicht immer so: „Erst in den späten Jahrzehnten kamen die Menschen zu der Erkenntnis, dass auch Tiere Schmerzen empfinden. Zuvor war man immer der Meinung, dass Tiere, die sich auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe als der Mensch befinden, kein vergleichbaren Schmerzempfinden besitzen“, so ein Auszug aus dem Buch. Doch auch Hunde werden vom seelischen und körperlichen Stress beeinflusst. Bei positivem Stress kann dadurch sogar ein Leiden unterbunden und vergessen werden, da die sogenannten Glückshormone ausgeschüttet werden. Angst, Langeweile oder Stress stehen als negative Gefühle der Entspannung, Zuwendung und sozialem Kontakt gegenüber.

Oft merken die Besitzer nicht, dass ihr Tier Schmerzen hat, denn „das macht er ja schon immer so“. Eine Fehlstellung prägt sich tatsächlich häufig schon beim Laufenlernen aus. „Da wird der Grundstein für den schleichenden Prozess in Sachen Gelenkerkrankung gelegt“, so die Hunde-Physiotherapeutin Albrecht.

Die rund 160 Seiten sollen die Hundehalter dazu animieren, genau hinzusehen und schon kleinste Veränderungen zu erkennen. Dazu gibt es einen Fragebogen. Mit diesem kann der Besitzer prüfen, welche Punkte auf seinen Vierbeiner zutreffen, welche nicht, und dadurch ein Urteil fällen. „Wenn man den Hund drei Tage lang mit dem Fragebogen im Hinterkopf beobachtet, sollte man feststellen können, wie es ihm geht“, sagt Albrecht.

So kann beispielsweise ein Hund, der unregelmäßig schläft oder übermäßig viel schläft nicht einfach nur alt sein, sondern viel mehr Schmerzen unterdrücken wollen. Mit 72 Fragen zum Verhalten und der körperlichen Veränderung (Gangbild und Lautäußerungen) soll der Leser sein Tier besser einschätzen können. „Alle mit ‚ja‘ beantworteten Fragen können ein Hinweis darauf sein, dass Ihr Hund unter Schmerzen leidet“, heißt es im Buch. Einige Beispiele: Zeigt ihr Hund plötzliche Schreckhaftigkeit? Läuft er hin und her und findet keine Entspannung? Zeigt er eine veränderte Futteraufnahme? Winselt er öfter ohne ersichtlichen Grund? Geht ihr Hund nicht mehr so gerne Gassi?

Dennoch sollten die Hundehalter nicht denken, dass sie schlechte Besitzer sind, nur weil sie bislang nichts bemerkt haben, beruhigt Albrecht. „Am eigenen Tier ist man immer total betriebsblind. Da schließe ich mich selber nicht aus“, ermutigt die 53-Jährige ihre Leser. Gerade chronische Schmerzen seien ein schleichender Prozess und Verhaltensänderungen lassen sich häufig nur minimal wahrnehmen.

Albrecht nennt ein Beispiel: „Da kommt ein Patient, weil der Hund lahm geht. Als Physiotherapeutin fasst man in den Rücken und stellt fest, dass er nicht nur diese eine Baustelle hat. Und dann sagt man dem Patienten-Besitzer: ‚Wissen Sie eigentlich, dass ihr Hund auch ganz schlimm Rücken hat und das nicht erst seit gestern?‘ Das sind Sachen, die die Tiere schon Wochen, Monate, Jahre haben, die aber nicht wahrgenommen wurden. Weil ein Tier nichts sagt.“

Albrecht konnte in ihrem Berufsalltag beobachten, dass sich Hundehalter oft schwer tun, Schmerzen zu erkennen. Auch betont sie, dass in keiner ihrer Ausbildungen – Tierheilpraktiker, Hundetrainer und Physiotherapeut – das Schmerzgeschehen thematisiert wird: „Wir arbeiten als Schmerztherapeuten und haben keine Ahnung, wie es funktioniert“. Antrieb genug für die ehemalige Sportlehrerin, sich an das Buch zu setzen.

Dieses ist erhältlich mit der ISBN 978-3-275-02034-8. Weitere Informationen gibt es im Internet.

www.dogs-in-motion-physio.de

Auch interessant

Kommentare