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„Conquest of Mythodea“ ist ein großes Spiel

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Fantastisch gewandet und keinesfalls darauf bedacht, möglichst schön zu sein – so zeigen sich viele der Charaktere auf „Mythodea“.
Fantastisch gewandet und keinesfalls darauf bedacht, möglichst schön zu sein – so zeigen sich viele der Charaktere auf „Mythodea“. © ade

Brokeloh - Martialisch erscheint das, was sich beim „Conquest of Mythodea“, dem weltweit größten Fantasy-Live-Rollenspiel, einmal jährlich auf Brokelohs Rittergut abspielt.

Kampfgebrüll schallt über den Platz, Trommeln feuern die Krieger rhythmisch an, Waffen klirren und allüberall wird lauthals nach Heilern für die Verwundeten gerufen. In diesem wilden Getümmel wird aber nach wie vor eines nicht vergessen: dass es ein Spiel ist, zu dem die Teilnehmer zusammengekommen sind. Und das zeigt sich nirgendwo so gut wie im Zusammentreffen der furchterregenden Gestalten mit Kindern.

Ein erster Versuch sollte es sein und seit einem Jahr haben mein kleiner Neffe Mika und ich darüber geredet. „Wohin wollen wir gehen, Mika?“, habe ich ihn manches Mal gefragt. „Zu den Rittern“, kam dann prompt und mit einer gewissen Ehrfurcht in der Stimme seine geflüsterte Antwort. Zum ersten Mal wollte er in diesem Sommer seine Tante ganz allein für einige Tage besuchen. Um diesen Besuch zu etwas ganz Besonderem zu machen, hatten wir verabredet, nach Mythodea zu gehen. Und das wollte gut vorbereitet sein. 

„Mythodea“: Vorbereitungen für Ausflug mit Kind

Fotos von all den Gestalten, die dort herumlaufen, haben wir uns angeschaut, haben in stillen Ecken gehockt und darüber geredet, was dort passiert. Zu seinem fünften Geburtstag bekam Mika dann allerhand geschenkt, was notwendig ist für solch ein Abenteuer: das erste mittelalterliche Hemd und eine Hose, in deren Gürtel drei Wurfdolche steckten. Vervollständigt haben wir seine Ausrüstung mit einem Signalhorn. 

Fantastisch gewandet und keinesfalls darauf bedacht, möglichst schön zu sein – so zeigen sich viele der Charaktere auf „Mythodea“.
Düstere Gestalten beobachten den Kampf, den der fünfjährige Mika ausficht. © ade

Und besonders lustig fand er die „Waffe“, die wir ihm in die Hand drückten: Eine Bratpfanne, mit der Scharmützel gewonnen werden sollten. Solche und Pfanne bestehen selbstverständlich aus Latex – haltbar genug, um damit in den Kampf ziehen zu können, aber doch so beschaffen, dass sie einen Gegner nicht wirklich verletzen. „Wir tun nur so, als ob wir zuhauen, Mika“, schärften wir ihm ein, „keiner tut dem anderen dort wirklich weh.“

So zogen wir also los in diese sagenhafte Welt und ich war höchst gespannt, wie Mika reagieren würde. Natürlich wollte er eine große Schlacht sehen und leichte Enttäuschung machte sich bei ihm doch breit, als ich mich mit ihm nicht mitten zwischen die Kämpfenden mischte, sondern ein Plätzchen am Rande, inmitten eines Heiler-Lagers wählte, um zuzuschauen. Leicht irritiert war er dann, als ringsum Männer und Frauen brüllten und schrien vor Schmerzen, während sie sich zusammenflicken ließen von diesen Heilern. Es brauchte aber nicht viele Worte, ihm zu erklären, dass das alles nur gespielt ist und keiner von diesen Verwundeten wirklich blutet. „Alles Kunstblut!“, sollte Mika später seinen Eltern freudestrahlend erzählen.

Der Streithammer ist länger als Mika – und fällt in Null Komma Nix den Krieger.
Der Streithammer ist länger als Mika – und fällt in Null Komma Nix den Krieger. © ade

Doch was sollte er nun mit Dolchen und Bratpfanne anfangen? „Gehen wir jetzt ins Getümmel?“, war seine dringendste Frage. So sicher es war, dass wir uns nicht in die Schlacht stürzen würden, so sicher war auch, dass würdige Gegner für den Kleinen gefunden werden mussten. Es zeigte sich, dass die Suche danach gar nicht schwer war.

Irgendwo auf dem Weg zwischen Heiler-Lager und Marktplatz sprach ich höflich einen Kämpen an: Ob er wohl gewillt sei, einen Kampf mit diesem jungen Krieger auszufechten? Mit wildem Bartwuchs, einem Bärenschädel auf dem Kopf, nacktem Oberkörper und langem Schwert machte jener Kämpe einiges her – und machte Mika doch nicht bange. Flugs zückte der seine Wurfdolche, die schließlich eine größere Reichweite hatten als das Schwert, das nun auf ihn gerichtet war, sah entzückt zu, wie der Bären-Mann erst in die Knie und dann auf den Boden ging, ließ sich seine Bratpfanne reichen und gab dem bereits ziemlich Niedergeschmetterten damit den Rest – alles mit gebührender Vorsicht und breitem Grinsen im Gesicht.

Dem Bären-Mann begegneten wir später, nachdem Mika auch noch einen Franzosen ehrlich besiegt hatte, erneut. Angstvoll zuckte der zurück und rief zur Freude der Umstehenden: „Vor dem da, vor dem habe ich Angst.“

Untote am Abend

Noch größeres Entzücken gab es lediglich am Abend, als wir eigentlich nur noch geruhsam auf dem Fantastica-Markt den Tag ausklingen lassen wollten. Aber wer konnte schon ahnen, dass genau dort das Heer der Untoten nach verlorener Schlacht in langer Reihe an uns vorüberziehen würde? Noch ein Kampf wäre toll, denn jetzt war Mika auch mit einer Axt gerüstet, die sein Cousin ihm geliehen hatte.

Der Untote, den ich um einen Kampf bat, winkte zunächst müde und mit hängenden Schultern ab – und straffte sich erst, als ich auf den jungen Mann an meiner Seite wies. Der suche einen Gegner, nicht etwa ich.

Sekunden später prallten Axt und Schwert aufeinander, doch ein nachfolgender Krieger gebot dem schnellstens Einhalt. So sei der Kampf unfair, meinte er – und reichte Mika seinen Streithammer, der bald die doppelte Länge des Kleinen hatte. Geschlagen von dieser riesigen Waffe lag Mikas Gegner bald auf dem Boden und unter den Jubelschreien der Umstehenden zog der Kleine vom Feld. Danach war er des Kämpfens müde, kuschelte sich an und wollte nichts mehr sehen außer den Feuertänzern in der Dämmerung.

Dass solch ein Live-Rollenspiel wirklich eine spannende Sache ist, hat er seinen Eltern und Schwestern zu Hause lang und breit erzählt. Und dass es ein Spiel ist, hat er auch verstanden – das haben ihm nicht zuletzt die martialischen Kämpfer, gegen die er angetreten ist, klar gemacht. Im nächsten Jahr möchte er wieder mit Dolchen und Bratpfanne dabei sein.

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