Die Bezeichnung „Ostern“ für ein Frühlingsfest ist vorchristlich, die Herkunft nach einer germanischen Göttin „Ostara“ (Jacob Grimm) wird jedoch heute von der Wissenschaft angezweifelt. Die Deutung geht dahin, Ostern mit Osten, der Richtung der aufgehenden Sonne (althochdeutsch „ostar“) gleichzusetzen. Deutschland und England behielten die alte Bezeichnung (Ostern / Easter) bei, während sich im übrigen Europa, insbesondere im romanischen Sprachraum, die biblisch-jüdische Bezeichnung durchsetzte (zum Beispiel französisch „Paques“, italienisch „la Pasqua“).
In Deutschland bürgerte sich auch durchaus der Begriff „jüdische Ostern“ für Passah ein und für Mazzen „Osterkuchen“ oder „Osterbrot“, wie aus der Nienburger Überlieferung ersichtlich ist. Die Familie Abraham gründete im Jahre 1860 – um diese Zeit starb Levi Isaac Abraham – unter der Firmenbezeichnung „L. I. Abraham Ww.“ eine Mehl- und Getreidegroßhandlung. Das Hauptgeschäft wurde später in das schräg gegenüberliegende Grundstück Lange Straße 61 verlegt.
Nach 75 Jahren des Bestehens kam dann der Geschäftsbetrieb dieser Firma im Zuge der fortschreitenden nationalsozialistischen Judengesetzgebung zum Erliegen. Mit tiefer Erschütterung verfolgte man beim Studium der im Nienburger Stadtarchiv bewahrten Akten, wie aus angesehenen Bürgern dieser Stadt in wenigen Jahren recht- und wehrlose, gehetzte Menschen wurden. Dem letzten Inhaber der Firma, Gustav Dessauer und seiner Frau Anna, geb. Löwenbach, gelang noch 1938 die Ausreise nach Johannisburg/ Südafrika. Eine originelle und humorvolle Darstellung der Mazzenbäckerei, wie sie in niedersächsischen Dörfern um die Mitte des vorigen Jahrhunderts getätigt wurde, liefert uns Georg Steinberg in seinem in plattdeutscher Sprache verfassten Büchlein „Nahharkels“ (Nachgeharktes). Hier hat der Verfasser Jugenderinnerungen aus seinem Heimatdorf Mackensen am Solling wiedergegeben. Steinberg hatte sich um 1865 als Kaufmann in Nienburg niedergelassen. Zunächst lediglich gerngesehener „Gelegenheitsdichter“, erlangte er mit den 1899 veröffentlichten „Nahharkels“ sowie dem bereits 1897 erschienenen Erinnerungsbuch „Wir lust’gen Hannoveraner! Kriegs und Friedenserlebnisse eines hannoverschen Jägers“ literarischen Rang.
Der erzählerische Teil von „Nahharkels“, mit dem Titel „Vör föwtig Jahr up’n Dörpe“, dem die kleine Episode „Schorse, giw us Mazzen“ entnommen ist, gibt wichtige Aufschlüsse über das Zusammenleben von Christen und Juden (Steinberg war Jude) und ist insbesondere durch seine lebensvolle Darstellung des Dorflebens im 19. Jahrhundert sozialgeschichtlich von hohem Wert.
Auch in kommenden Ausgaben sollen im BlickPunkt zum Sonntag wieder historische Stadtbilder zu sehen sein, verbunden natürlich mit der aktuellen Ansicht. Eine Aktion, die selbstverständlich für alle BlickPunkt-Leser geöffnet ist. Sie haben auch eines dieser schönen historischen Fotos? Und wissen möglicherweise eine nette Begebenheit zu dem jeweiligen Motiv zu berichten? Dann am besten mit der BlickPunkt-Redaktion unter Tel. 05021/960831 in Verbindung setzen oder gleich vorbeischauen beim BlickPunkt an der Langen Straße 3. Es wäre doch zu schade, wenn die vielen Eindrücke der Zeitzeugen aus der jüngeren Nienburger Vergangenheit verloren gingen.