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Die unglaubliche Reise des Nienburger Fußballers Jens Todt

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Jens Todt hat aktuell mehr Zeit für seine Kinder Lotta, Matti und Emma sowie für seine Frau Imke.
Jens Todt hat aktuell mehr Zeit für seine Kinder Lotta, Matti und Emma sowie für seine Frau Imke. © Privat

Der Nienburger spielte für den SC Freiburg, den SV Werder Bremen und den VFB Stuttgart. Maik Hoffmeyer stellt Jens Todt elf Fragen.

Potsdam. Enormer Ehrgeiz, ein gutes Stellungsspiel und Zweikampfstärke – besonders in der Luft – zeichneten den Fußballprofi Jens Todt aus. Vor allem aber war der ehemalige Nienburger in den 90ern einer der ersten Bundesligaspieler, die regelmäßig mehr als zwölf Kilometer pro Spiel liefen.

Nach erfolgreichen Jahren als Manager arbeitet Todt nun als Spielerberater. Er kennt hier quasi alle Seiten – die der Vereine, die des Spielers, die der Eltern. Ohne einen seriösen Spielerberater ist es heute schwierig im Fußballgeschäft Fuß zu fassen. Blickpunkt-Mitarbeiter Maik Hoffmeyer unterhielt sich mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi.

Elf Fragen an Jens Todt

Jens, Dein ehemaliger Sportlehrer, ein gewisser Volker Finke, soll Dich an der Nienburger Albert Schweizer Schule überredet haben, nicht Basketball zu spielen, sondern Fußball. Wahrheit oder Legende?

Das stimmt tatsächlich. Es hat eine Phase gegeben – ich glaube, ich war 16 oder 17 Jahre alt – in der ich vom Fußball ziemlich frustriert war. Wir haben mit dem ASC Nienburg an fast jedem Wochenende deutlich gegen die größeren Hannoveraner Vereine verloren. Gleichzeitig lief es im Basketball aber richtig gut. Ich war kurz davor, mich voll auf Basketball zu konzentrieren, als Volker Finke mich zur Seite nahm und mir sagte, dass er mich nach meinem Abitur zum TSV Havelse, damals immerhin 3. Liga, holen würde. Ich habe es mir dann zum Glück noch einmal überlegt, und der Spaß am Fußball kam dann auch schnell zurück.

Jener Volker Finke nahm Dich nach gut zehn Jahren ASC Nienburg als 19-Jähriger mit zum TSV Havelse. Dort bist Du mit ihm sensationell in die Zweite Bundesliga aufgestiegen. War Havelse zurückblickend Dein persönliches Sprungbrett?

Der TSV Havelse war sicher ein Sprungbrett, weil wir durch den Aufstieg zum ersten Mal auch bundesweit Aufmerksamkeit bekamen. Der wichtigste Schritt meiner Karriere war dann aber wahrscheinlich der Aufstieg in die Bundesliga mit dem SC Freiburg.

Dein Mitspieler beim ASC Nienburg und Rechtsanwalt Heiner Schwarck sowie Dein Trainer Volker Finke blieben in den Folgejahren stets an Deiner Seite. Wie wichtig waren beide für Deine Karriere?

Beide, Volker und Heiner, waren und sind im besten Sinne des Wortes Mentoren für mich. Sie haben mir Orientierung und Rat gegeben, wenn es nötig war. Sie hatten großen Einfluss auf mein Leben. Ich treffe bis heute keine wichtige Entscheidung ohne Heiner Schwarcks Meinung zu hören. Aber das ist längst keine Einbahnstraße mehr, sondern findet auf Augenhöhe und gegenseitig statt. Ich bin ja inzwischen auch schon ein gesetzter Herr....

Über 300 Bundesligaspiele absolviertest Du beim TSV Havelse, SC Freiburg, SV Werder Bremen und dem VFB Stuttgart. Wo hat es Dir am besten gefallen?

Ich habe mich überall wohl gefühlt, aber am unbeschwertesten war es sicher in Freiburg. Aufbruchstimmung, Erfolg, eine total euphorische Stadt, eine Art Studentenleben in Kombination mit Profifußball – ich habe die fünf Jahre in Freiburg geliebt.

Am 29. August 1994 erhieltest Du einen Anruf von „Bundesberti“ Voigts und Du durftest das Trikot der A-Nationalmannschaft tragen. Sind die Worte von Berti Voigts bei Dir noch präsent?

An das Telefonat vor meinem Debüt 1994 erinnere ich mich leider nicht mehr. Allerdings rief der Bundestrainer mich knapp zwei Jahre später noch einmal an, um mir mitzuteilen, dass ich für das EM-Finale 1996 in London nachnominiert wurde. Ich saß damals mit meiner Frau zum Abendessen bei einem Italiener in Bremen, als Berti Vogts mir mitteilte, dass mein Flug am nächsten Morgen um 8 ginge.

Neben Günter Herrmann bist Du der einzige Kreis-Nienburger, der jemals in der A-Nationalmannschaft spielte. Gemeinsam habt Ihr beide, dass Ihr nie Jugend-Nationalmannschaft gespielt habt. Ihr seid quasi Quereinsteiger. Hatten oder haben es junge Talente auf dem Land trotz DFB-Stützpunkt und Nachwuchsleistungszentren immer noch schwerer als Fußballer in den Ballungszentren?

Hm, die Logistik mag in Ballungszentren durch die höhere Vereinsdichte und die kürzeren Wege etwas einfacher sein. Aber wirklich unentdeckt bleibt heute kein Spieler mehr – auch nicht in ländlichen Regionen. Das Scoutingnetz der Nachwuchsleistungszentren ist so eng geknüpft, dass quasi jedes Talent gesehen wird.

Problematisch ist eher, den Zeitpunkt festzulegen, zu dem ein Spieler den kleineren Verein verlässt, um zu einem größeren zu wechseln. Ich habe ja in Hamburg und in Wolfsburg zwei Nachwuchsleistungszentren geleitet und bin generell kein großer Freund davon, Spieler zu früh aus ihrem gewohnten Umfeld zu holen. Ich halte es für wichtig, sich wohl zu fühlen, von seinen Freunden und der Familie umgeben zu sein und vielleicht schon sehr früh auf dem Platz Leistungsträger zu werden und Verantwortung zu tragen. Das kann dich als Mensch und Spieler reifen lassen. Allerdings ist ein gewisses Trainings- und Spielniveau in den Jugendmannschaften ebenfalls wichtig. Es gibt heute ja im Grunde keine Beispiele mehr dafür, dass es ein 18-Jähriger aus der Kreisliga noch in die Bundesliga schafft.

Internatsspieler in den Leistungszentren kommen auf acht bis neun Trainingseinheiten pro Woche. Das ist natürlich schwer aufzuholen, wenn ich in meinem kleinen Verein selbst in der U19 nur dreimal pro Woche trainiere. Kurz gesagt: auch die Talente im ländlichen Raum werden identifiziert. Knifflig ist dann eher, wie man anschließend weiter vorgeht.

Nach Deiner aktiven Laufbahn bist Du dem Sport als Funktionär verschrieben geblieben. Du warst unter anderem erfolgreicher Chef beim VFL Bochum, Manager beim Karlsruher SC und beim großen HSV. Auf dem Platz bekommt man was auf die Knochen, als Manager ist man auch mal gern der Sündenbock. War das der Grund, dass Du dich noch einmal umorientiert hast und nun Spielerberater bist?

Na ja, wenn man die sportliche Gesamtverantwortung trägt, ist man natürlich im Misserfolgsfall Zielscheibe. Wenn man dann über längere Zeit im Wind steht, tut das auf jeden Fall mehr weh als jedes Foul auf dem Platz. Ich zumindest empfinde das so. Aber ich wusste natürlich, worauf ich mich einlasse, als ich die jeweiligen Jobs angetreten habe.

Mein Seitenwechsel hat aber eher damit zu tun, dass ich erstens selbstbestimmter arbeiten und nicht mehr so abhängig von den Ergebnissen des Wochenendes sein wollte und zweitens aus dem Lebensrhythmus raus wollte, in dem ich eine eigene Wohnung in einer anderen Stadt habe, dort sechs Tage pro Woche verbringe und versuche, für einen Tag nach Hause zur Familie nach Potsdam zu kommen. Das habe ich ja etwa zwölf Jahre lang so gemacht. Ich habe mir Zeit genommen, diese Entscheidung zu treffen und in dieser Orientierungsphase Angebote von der Bundesliga bis zur 3. Liga abgelehnt. Es war einfach Zeit für etwas Neues. Obwohl ich überhaupt nicht ausschließe, noch einmal für einen Verein zu arbeiten, wenn alles passt.

Von Verletzungen bist Du naturgemäß nicht verschont geblieben, zum Beispiel gab es mal einen Ermüdungsbruch. Wenn Du mit deinen Kindern Lotta, Emma und Matti im Garten einem Ball nachjagst, spürst Du die 300 Bundesliga Spiele und zahlreichen Verletzungen noch?

Ach, es gab natürlich den einen oder anderen Kollateralschaden. Aber unter dem Strich bin ich ganz zufrieden damit, wie ich gesundheitlich aus der aktiven Karriere herausgekommen bin. Vor einigen Jahren allerdings musste ich mir mein Sprunggelenk operativ versteifen lassen; Fußballspielen ist also nicht mehr wirklich eine Option.

Deine Frau Imke (geb. Lukowsky)war eine erfolgreiche Tennisspielerin. Gibt Sie Dir auf dem Court eine Chance?

Gegen Imke war ich auf dem Tennisplatz leider zu jeder Zeit chancenlos – selbst bei bestem Fitnesszustand. Sie ist einfach zu stark. Der Zug ist für mich abgefahren, fürchte ich.

Sowohl Imke als auch Jens Todt haben Familie im Kreis Nienburg. Kommt Ihr irgendwann zurück oder ist Potsdam für Euch Heimat?

Wir kommen immer wieder gern nach Nienburg zurück und sind auch regelmäßig für ein, zwei Tage in der Heimat. Aber tatsächlich ist Potsdam unsere zweite Heimat geworden. Wir sind ja schon seit 2003 hier. Zwei unserer drei Kinder wurden hier geboren, alle wurden hier eingeschult. Aber wer weiß, was in zehn Jahren ist...?

Mit dem ASC Nienburg hast Du in deinem ersten Herrenjahr in der Relegation zur vierthöchsten Spielklasse, der Verbandsliga, vor 2500 Zuschauern in der Musriede gespielt. Heute spielt der ASC 1. Kreisklasse. Braucht die Stadt Nienburg dringend eine Spielgemeinschaft?

Es ist für mich nicht so leicht zu beurteilen, ob eine Spielgemeinschaft der einzige oder beste Weg ist, um eine sportlich positive Entwicklung hinzubekommen. Aus der Entfernung betrachtet, denke ich aber schon, dass die Größe der Stadt und des Umlands es möglich machen müssten, perspektivisch etliche Ligen nach oben zu klettern. Aber Ferndiagnosen sind immer schwierig, der Teufel steckt ja auch im Detail.

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