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Barfuß von Hamburg an den Bodensee

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Frank Jester will andere motivieren, sich mehr zu bewegen.
Frank Jester will andere motivieren, sich mehr zu bewegen. © Julia Kreykenbohm

Von Julia KreykenbohmPassend für den Fototermin wurden sie nochmal von einer Fachfrau gepflegt und hergerichtet: die Füße von Frank Jester aus Wechold. Man sieht ihnen nicht an, dass sie hunderte Kilometer auf Asphalt, Erde, Stein und Gras hinter sich haben.

Seit zwei Monaten wandern sie täglich ohne ihr übliches Gewand aus Socken und Schuhen durch die Umgebung, weil sie abgehärtet werden müssen für einen Marsch von Hamburg bis zum Bodensee. Am 1. September geht Frank Jester los.

„Inzwischen hat sich an meinen Füßen eine richtige Lederhaut gebildet“, berichtet der 47-Jährige und schmunzelt. Der Allgemeinmediziner und Zahnarzt (!), der vor einem Jahr aus Hamburg nach Wechold zog, freut sich sehr auf die Wanderung, das merkt man ihm an. Er startet sie am Dienstag auf dem Hamburger Rathausplatz.

Frank Jesters Arbeitszeug in den kommenden vier Wochen: Seine Füße, an denen sich durch das viele Barfußlaufen mittlerweile eine richtige Lederhaut gebildet hat, wie der Allgemeinmediziner und Zahnarzt sagt.
Frank Jesters Arbeitszeug in den kommenden vier Wochen: Seine Füße, an denen sich durch das viele Barfußlaufen mittlerweile eine richtige Lederhaut gebildet hat, wie der Allgemeinmediziner und Zahnarzt sagt. © Julia Kreykenbohm

Die Barfuß-Tour scheint für Außenstehende ungewöhnlicher als sie für Frank Jester ist. Er hat schon einige Touren unternommen, die wohl die wenigsten Menschen angehen würden: Mit dem Fahrrad ist er zum Nordkap gefahren, nach Neu Delhi und um die Ostsee herum. Er probiert immer mal wieder, die Routine des Alltags zu durchbrechen, denn das Ungewöhnliche sei es, woran man sich später ganz genau erinnert.

Hinter seinen Unternehmungen steckt auch ein unglaublicher Wissensdrang. Jester bezeichnet sie als „Selbst-Experimente“, will herausfinden, wozu der Körper in der Lage ist, wie er sich durch Anforderungen verändert. Aber auch, welche Auswirkungen das auf sein seelisches Befinden hat und wie andere Menschen auf sein Tun reagieren.

Kurzum: Der fünffache Vater interessiert sich für alles, was mit dem Menschen zu tun hat. Die Ergebnisse seiner Selbststudien hält er in Büchern fest und teilt sie in Vorträgen mit anderen.

Eigentlich wollte Frank Jester beschuht von Hamburg bis zum Bodensee wandern, um Leute dazu zu motivieren, sich mehr zu bewegen. „Viele Beschwerden und Krankheiten, die Ärzte tagtäglich sehen, wären wohl nicht da, wenn die Patienten häufiger laufen würden“, sagt er. Dann bemerkte er, dass seine dreijährige Tochter am liebsten barfuß durch die Wohnung rannte und sich dabei hauptsächlich auf den Ballen fortbewegte. „Das liegt daran, dass das Aufsetzen der Hacke für eine leichte Erschütterung im Kopf sorgt, die Kinder wohl als unangenehm empfinden“, erläutert Jester.

Er wurde neugierig und begann ebenfalls, barfuß und auf den Ballen zu gehen. „Ich bemerkte auf einmal, wie viele Empfindungen beim Gehen auf mich einströmten. Man spürt den Untergrund, und die Füße werden viel besser durchblutet. Gleichzeitig wird durch das Gehen auf den Ballen die Wadenmuskulatur angestrengt, und die Muskelpumpe treibt Blut nach oben ins Gehirn.“

Frank Jester hat dabei auch ein bisschen „das Kind in sich“ wiedergefunden. „Nach Regenschauern macht es richtig Spaß, in Pfützen zu patschen. Der Nachteil ist: Ich kann es meiner Tochter nun nicht mehr verbieten“, erläutert der Wecholder und lächelt.

„Mir ist bewusst geworden, wie wichtig unsere Füße doch sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Teilen unseres Körpers vernachlässigen wir sie häufig, da man sie kaum sieht. Wir verstecken sie, sperren sie ein – dabei steht unser ganzes Leben darauf.“

Die Botschaft seiner geplanten Wanderung ist, sich mehr zu bewegen und Pläne – auch wenn sie kurios erscheinen – nicht lange aufzuschieben, sondern sie „einfach zu verwirklichen“, wie Jester sagt.

Wie seine Umgebung auf das reagiert, was er tut, hat er bereits festgestellt. „Einem Mann, den ich oft treffe, wenn er mit seinem Hund Gassi geht, habe ich erzählt, was ich da tue. Jetzt sehe ich ihn auch mal barfuß mit dem Hund. Es ist toll, wie Leute sich selbst entdecken, weil ich etwas vorgemacht habe.“

Es sind vor allem die Begegnungen mit anderen Menschen, auf die sich Jester am meisten freut, wenn er ab Dienstag durch insgesamt fünf Bundesländer wandert. 30 Kilometer am Tag will er zurücklegen, nur mit einem Regenschirm, ein paar Pflastern und etwas Jod zum Selbstverarzten in der Tasche. Übernachten wird er in Hotels.

Nach 29 Tagen und rund 780 Kilometern will Frank Jester im Dornier-Museum in Friedrichshafen ankommen, wo es einen Empfang geben wird. „Darin stehen alte Flugzeugmodelle – und ich möchte die Leute durch meine Wanderung beflügeln. Passt doch“, findet Jester und lacht.

Frank Jester will online ein kleines Reisetagebuch führen: www.barfussdeutschland.de

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