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Fett, alt und zornig – der Anti-Held im Mittelalter

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Foto: Ney-Janßen
Vier Bücher um den brummigen Kaufmann Rungholt sind von Derek Meister bereits erschienen. Der fünfte Band „Flutgrab“ erscheint am 15. April. · © -

Münchehagen - Von Beate Ney-Janßen - Erfolgreich, jung und schön – so hat sich Derek Meister aus Münchehagen den Helden seiner Bücher nie vorgestellt. Die Gegenrechnung des Autors geht auf, denn der bereits fünfte mittelalterliche Kriminalroman um seinen Antihelden Rungholt mit Namen „Flutgrab“ erscheint in wenigen Tagen.

„Als Kind bin ich schon mit dem Holzschwert durch den Wald gestromert.“ So erklärt Derek Meister die Anfänge seiner Begeisterung für das Mittelalter.

Mit Holzschwertern und angedeuteten Hieben und Stichen begnügt sich der Autor heute allerdings nicht mehr. Wesentlich handfester, mysteriöser und blutiger geht es zu, wenn er seinen Ermittler Rungholt den nächsten Fall lösen lässt. Auch wenn Recht und Ordnung in der Hansestadt Lübeck im 14. Jahrhundert eindeutig erwünscht waren, so gab es doch auch dort einige Spießgesellen, die nicht davor scheuten, ehrbare Leute um ihr Hab und Gut wie auch um ihr Leben zu bringen.

Und so wälzt sich dieser Rungholt mit seinem beträchtlichen Übergewicht nun schon durch den fünften Band, suhlt sich teils in Selbstmitleid, ist andererseits furchterregend in seinem Jähzorn, hat als Hanseat eine ausgeprägte Angst vor Wasser und außerdem ein durchaus düsteres Geheimnis. Nicht von ungefähr wird er „Bluthund“ genannt. Die Vielschichtigkeit dieses Anti-Helden mit seinen vielen kleinen und größeren Macken macht auch diese Fortsetzung der Reihe zu einem Lesevergnügen.

Ein Vorbild für diesen Rungholt sei ihm sein Vater gewesen, sagt Meister – um sogleich abzuwiegeln: Nein, gar so bärbeißig sei der nicht gewesen. Das gelegentlich Knurrige habe er ihm nur abgeschaut. „Schauen Sie doch mal in die ganzen mittelalterlichen Romane“, sagt Derek Meister, „da tummeln sich nur gut aussehende junge Helden, die immer gut drauf sind. Das hatte ich satt.“ Also ließ er den fetten, alten und zornigen Lübecker auf der Bildfläche erscheinen.

Krimis sind es geworden, weil der 38-Jährige sich damit gut auskennt. Schon so mancher abendfüllende Film aus diesem Genre, der aus der Feder des studierten Drehbuchautors stammt, flimmerte über deutsche Bildschirme. Im Blut liegt ihm das Blutige seiner Krimis dennoch nicht – auch wenn sein Schwager einmal seinen Schwiegervater nach der Lektüre eines Rungholt gewarnt hatte: „Sei vorsichtig, der Typ ist mit deiner Tochter verheiratet.“ Zu Hause und jenseits von Rungholt mag es Derek Meister lieber ruhig und beschaulich – wäre er sonst vor einigen Jahren aus dem Trubel an Berlins Prenzlauer Berg in das Dörfchen Münchehagen in der Nähe des Steinhuder Meers gezogen?

„Flutgrab“, der fünfte Kriminalroman von Derek Meister aus seiner Rungholt-Reihe erscheint am 15. April im Blanvalet Verlag und kostet 13 Euro (ISBN 978-3-442-37647-6).

Rungholt – das ist das „Atlantis der Nordsee“. So zumindest erklärt Derek Meister den Ursprung des Namens, den er für seine Titelfigur wählte. Rungholt war eine Insel vor der nordfriesischen Küste, die in der „Zweiten Marcellusflut“ – einer gewaltigen Sturmflut – im Jahr 1632 zerstört wurde. Der Sage nach soll der Untergang Rungholts die göttliche Strafe für lasterhaftes Leben und respektloses Verhalten gegenüber der Kirche gewesen sein. So sollen übermütige Bauern bei einem abendlichen Trinkgelage einen Pfarrer genötigt haben, einem Schwein, das sie zuvor betrunken gemacht hatten, die Sterbesakramente zu gewähren. Nach Drohungen und Verhöhnungen konnte sich der Geistliche in die Kirche flüchten. In der folgenden Nacht warnte ihn ein Traum vor der kommenden Katastrophe. Er konnte die Insel noch rechtzeitig verlassen. Zu den Legenden um Rungholt zählt auch, dass bei ruhigem Wetter seine Glocken unter der Wasseroberfläche zu hören sein sollen, und dass die Stadt unversehrt alle sieben Jahre in der Johannisnacht aus der Erde auftaucht. Tatsachen und Legenden hat Derek Meister für seine Romane aufgegriffen – so stammt sein Rungholt tatsächlich von dieser Insel und ist einer der wenigen Überlebenden der großen Flut. Während seine gesamte Familie in jener Nacht ertrank, wurde er gerettet.

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