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Flugzeugbergung nach 71 Jahren

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Mit dem Bagger wurde die Fundstelle grob freigelegt. Dann war Arbeit mit Hacke und Spaten angesagt. - Foto: Jens Schaper
Mit dem Bagger wurde die Fundstelle grob freigelegt. Dann war Arbeit mit Hacke und Spaten angesagt. © Jens Schaper

Altenbücken - Von Jens Schaper. Es war ein lange offenes Rätsel, das am Freitag in der Altenbücker Wesermarsch gelöst werden konnte. Jahrzehnte nach dessen Absturz und nach vielen aus unterschiedlichen Gründen gescheiterten Versuchen gruben Experten ein im Zweiten Weltkrieg abgestürztes Flugzeug aus dem Boden.

Dass es dort liegt, war klar. Aber was für ein Flugzeug es ist, und ob der Pilot mit der Maschine abgestürzt war oder sich hatte retten können, das stand bis Freitag nicht fest. So viel vorweg: Der Pilot muss sich aus dem abstürzenden Flugzeug, es war eine deutsche Messerschmidt, gerettet haben.

Zur Vorgeschichte: Den Bücker Landwirt Hermann Pagels (gestorben 2007) ließen seine Erinnerungen aus dem Kriegswinter 1944/45 keine Ruhe. Immer wieder kreisten seine Gedanken um das Flugzeug, welches zur Mittagszeit unter lautem Geheul senkrecht durch die Wolken stieß und in der Wesermarsch aufschlug. Was war wohl aus dem Piloten geworden? Ist er in seinem Flugzeug umgekommen?

Nicht nur Pagels – auch Nachkriegsbürger, wie das frühere Bücker Gemeinderatsmitglied Roland-Peter Lubenow trieb diese Frage immer wieder um. Gewissheit könnte nur eine Bergung des Flugzeugs bringen.

Dazu kam es nun nach einer wahrlich langen Vorgeschichte am vergangenen Freitag. Bei hochsommerlichen Temperaturen traf sich eine „Allianz der Willigen“, bestehend aus rund 20 Personen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen in die Sache involviert waren.

Erste Flugteile in einem Meter Tiefe

Werner Oeltjebruns mit der Gruppe „Flugzeuge, Flieger, Schicksale“ (Wardenburg), Jens Schaper mit der Gruppe „Luftfahrtarchäologie Niedersachsen“, Angehörige der THW-Bundesschule Hoya, Kommunalarchäologe Dr. Jens Berthold, Roland Behrmann und Ottmar Strehler vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), Erwin Kowalke, ein Umbetter des VDK, Angehörige des Kampfmittelräumdienstes des Landes, Samtgemeindebürgermeister Detlef Meyer sowie interessierte Bücker Landwirte und Grundstückseigentümer.

Die relativ unversehrten Landeklappen. - Foto: Jens Schaper
Die relativ unversehrten Landeklappen. - Foto: Jens Schaper © -

Der Mann des Tages war Baggerführer Heiner Hupe (THW), der unter der ständigen Anleitung von Werner Oeltjebruns der Aktion im Wortsinn den Boden bereitete. Schon aus einer Tiefe von 50 Zentimetern konnten erste Aluminiumteile geborgen werden. In einem Meter Tiefe wurden dann die ersten Flügelteile freigelegt. Nun herrschte Gewissheit: Dies ist die Absturzstelle eines deutschen Jagdflugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg. Einige Teile zeigten Beschussspuren.

Und dann der Überraschungsfund: ein Metallteil aus dem Unterbereich des Querruders, auf das die Werk-Nummer 490144 aufgepinselt war. Damit wussten die Experten: Es handelte sich um eine Messerschmidt Me-109 G-10, deren Teile nun nach 71 Jahren ans Tageslicht kamen.

Um 13 Uhr wurde ein Teil des Haubenrahmens gefunden. Solche Teile der Kanzel zu finden, das ist im Normalfall ein Hinweis darauf, dass der Pilot beim Absturz im Cockpit verblieben ist. Aber nicht so bei der Bücker Me 109.

Keine Spur vom Piloten

Keine auch noch so geringe Spur vom Piloten, keine Knochenreste, keine Papiere, keine Fallschirmteile. Der Pilot hatte mit hoher Sicherheit seine Haube nach rechts geöffnet, wobei sie durch den starken Luftzug nach hinten abgerissen wurde und das Fundstück am Flugzeug verblieb. Er wird so unversehrt gewesen sein, dass er die Kraft hatte, sein Flugzeug lebend zu verlassen.

So sah die abgestürzte Maschine aus. Das Foto zeigt eine flugbereite Me 109 G10 der Messerschmitt-Stiftung. - Foto: Jens Schaper
So sah die abgestürzte Maschine aus. Das Foto zeigt eine flugbereite Me 109 G10 der Messerschmitt-Stiftung. - Foto: Jens Schaper © -

Die Aktenforschungen nach dem Piloten laufen, haben aber noch kein Ergebnis gebracht. Sollte dies so bleiben, spricht einiges dafür, dass der Pilot sich mit seinem Fallschirm retten konnte. Sein Flugzeug wurde in solchen Fällen von der Wehrmacht als Materialverlust abgebucht. Dazu kommt, dass im fraglichen Zeitraum das Kriegsende nah war und das betroffene Jagdgeschwader über einen derartigen Vorgang manchmal keine Aufzeichnungen mehr machte. Eventuell kam der Pilot östlich der Weser zu Boden.

Möglich, aber noch nicht belegt, ist, dass der Luftkampf, der zum Absturz führte, am 26. November 1944 stattfand. An diesem Tag griffen amerikanische Bomberverbände die Benzinfabrik der Deurag-Nerag in Hannover-Misburg an.

Um 18 Uhr war der Originalzustand des Ackers wieder hergerichtet und die Beteiligten verließen die Absturzstelle mit dem Gefühl, Helfer und Zeitzeugen gleichermaßen gewesen zu sein.

Es ist insbesondere der Beharrlichkeit von Roland-Peter Lubenow zu verdanken, dass diese Bergung realisiert wurde. Die Überreste der Maschine werden nun von den genannten Gruppen untersucht, um ihr ein Jagdgeschwader zuordneten zu können und so Rückschlüsse auf die Identität des Piloten ziehen zu können.

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