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Gedenken ans Leben und ein Blick auf Tod und Schändung

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Der jüdische Friedhof in Hoyerhagen blickt auf eine fast 300-jährige Geschichte. ·
Der jüdische Friedhof in Hoyerhagen blickt auf eine fast 300-jährige Geschichte. · © Foto: André Steuer

Hoya - Anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht gedenkt die „Interessen gemeinschaft Synagoge“ jedes Jahr am ehemaligen Standort des Gotteshauses der früheren  jüdischen Gemeinde in Hoya.

Für Freitag, 9. November, lädt sie Interessierte ein, um 18 Uhr an der Gedenkstätte (Deichstraße 31) mehr über Architektur, Grundriss und Ausstattung des Synagoge zu erfahren.

Die meisten Zeugnisse jüdischen Lebens in der Region liegen heute auf dem jüdischen Friedhof in Hoyerhagen, auf dessen Geschichte die Kreiszeitung im Vorfeld des 9. Novembers zurückblickt. In diesem Jahr hat das Areal ein neues Eingangstor bekommen, bezahlt von der jüdischen Landesgemeinde Hannover. Der Friedhof, frei aus dem Hebräischen übersetzt auch „Haus des Lebens“ genannt, hat eine hohe kulturhistorische Bedeutung und ist denkmalgeschützt.

Am 21. April 1714 begann mit dem Begräbnis von Issachar Bermann die bald 300-jährige Geschichte des Friedhofes. Die alten Grabsteine tragen teilweise liebevoll gestaltete Inschriften. Traditionell sind die Gräber nach Sterbedatum angeordnet und zeigen gen Osten zur verlorenen Heimat.

Während der Nazizeit wurden jüdische Begräbnisse mehr und mehr zum Spießrutenlauf. So bewarfen zum Beispiel Jugendliche den Sarg des Bückers Moses Magnus beim Trauerzug mit Steinen und verpönten ihn.

Der letzte Beisetzung in Hoyerhagen war im Januar 1941. Am 22. Mai 1943 verkaufte die Reichsvereinigung der Juden den Friedhof unter dem Druck der Nazis an die Stadt Hoya. Bis zum Ende des Kriegs wurde er stark verwüstet und entweiht.

Der Syker Landrat forderte später die „Verwertung des Alteisens“. Die Eisen-Einfriedungen wurden daraufhin abgebaut, und selbst die Grabsteine blieben nicht verschont.

Nach Kriegsende forderte die britische Besatzungsmacht im Sommer 1945 die Instandsetzung des Begräbnisplatzes durch die Hoyaer Sturmabteilung, allerdings mit nur geringem Erfolg.

Die Nationalsozialisten hatten im Glauben, dass fremde Soldaten ebenso wie Juden ihre Feinde waren und auch im Tode zusammengehören 46 amerikanische und zwei britische Gefallene in einem Massengrab auf dem Friedhof verscharrt. Im Frühjahr 1946 wurden sie in ein Soldatengrab in Belgien und nach England überführt.

Im Sommer 1947 bekam eine Baufirma aus Hoyerhagen den Auftrag, die Grabsteine so gut wie möglich zu restaurieren. Einer der Arbeiter beschrieb die Situation damals wie folgt: „Alles flog in der Gegend rum. Jeden Stein haben wir rausgesucht, wie sie passten. Man konnte ja sehen, wo sie hingehörten.“

1952 wurde der Friedhof wieder der jüdischen Gemeinde übertragen, aber auch in der Folgezeit wurden weiterhin Grabsteine wieder und wieder umgeworfen, zertrümmert oder entwendet. Hoyas Stadtrat meldete die Vorfälle dem Regierungspräsidenten in Hannover und forderte eine sofortige Instandsetzung. Im Mai 1953 schließlich wurde der Friedhof mit einem Jägerzaun eingefriedet und die Grabsteine wurden ausgebessert. Heute sind noch rund 180 erhalten.

Seit einiger Zeit hat der Friedhof ein neues Tor, finanziert aus Spenden. · jh

Der Text basiert auf Informationen der in diesem Jahr vom Landschaftsverband Weser-Hunte herausgegebenen Broschüre „Stätten jüdischer Kultur und Geschichte in den Landkreisen Diepholz und Nienburg“

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